Selektive und ungerichtete Aufmerksamkeit, Vigilanz und Konzentration
In anderer Formulierung ist selektive oder fokussierte Aufmerksamkeit die Fähigkeit, rasch und richtig auf relevante Reize zu reagieren und sich nicht von irrelevanten Aspekten einer Aufgabe oder von Störreizen ablenken zu lassen, die rasche Selektionsprozesse auf der Reiz- und/oder auf der Reaktionsseite erfordern. Relevant sind hier auch Arbeitsgedächtnisprozesse zur Abspeicherung der Stimulusbedingungen und die Fähigkeit des Probanden, Reaktionen auf Störreize aktiv zu unterdrücken. Testpsychologisch werden oft Durchstreichtests (z.B. Test d2 Aufmerksamkeits-Belastungs-Test) und Wahl-Reaktions-Aufgaben zur Untersuchung dieses Aspekts der selektiven Aufmerksamkeit verwendet.
Man kann einerseits die Aufmerksamkeit von innen heraus durch zentrale Kommandos verschieben, andererseits reagiert das Aufmerksamkeitssystem auch von selber, wenn beispielsweise in der Peripherie des visuellen Gesichtsfeldes ein Reiz auftaucht, dann zieht er automatisch die Aufmerksamkeit auf sich. Gleichzeitig gehen im gesamten Gesichtsfeld, besonders im kollateralen, die Reizschwellen für die Wahrnehmung von konkurrierenden Reizen in die Höhe. Auf diese Weise lässt sich die Aufmerksamkeit hin- und herschieben. Selektive Aufmerksamkeit umfasst demnach die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit aktiv auf eine Reizquelle zu richten und dabei relevante Aspekte zu erfassen und irrelevante Aspekte zu unterdrücken (z.B. bei einer langen Buchstabenreihe alle "d", "b" und "q" zu markieren, wie es in einem bekannten Konzentrationstest auch verlangt wird, s.u.).
Konzentration ist somit gerichtete Aufmerksamkeit im Sinne der selektiven Aufmerksamkeit und meint eine kurzzeitige, mehrere Minuten dauernde, aktive Hinwendung und Einschränkung der Aufmerksamkeit, wobei selektiv relevante Merkmale einer gegebenen Aufgabe erfasst werden, irrelevante dagegen unterdrückt werden müssen.
Selektive Aufmerksamkeit besteht in der Fähigkeit, einen spezifischen Realitätsausschnitt zu isolieren, um ihn einer differenzierteren Analyse zu unterziehen. Dabei ist es erforderlich, den Fokus auch unter ablenkenden Bedingungen aufrechtzuerhalten und die Interferenz durch parallel ablaufende, automatische Verarbeitungsprozesse zu unterdrücken.
In anderer Formulierung ist selektive oder fokussierte Aufmerksamkeit die Fähigkeit, rasch und richtig auf relevante Reize zu reagieren und sich nicht von irrelevanten Aspekten einer Aufgabe oder von Störreizen ablenken zu lassen, die rasche Selektionsprozesse auf der Reiz- und/oder auf der Reaktionsseite erfordern. Relevant sind hier auch Arbeitsgedächtnisprozesse zur Abspeicherung der Stimulusbedingungen und die Fähigkeit des Probanden, Reaktionen auf Störreize aktiv zu unterdrücken.
Testpsychologisch werden oft Durchstreichtests (z.B. der d2 Aufmerksamkeits-Belastungs-Test) und Wahl-Reaktions-Aufgaben zur Untersuchung dieses Aspekts der selektiven Aufmerksamkeit verwendet.
Die Fähigkeit zur Fokussierung der Aufmerksamkeit (Inputkontrolle) impliziert auch die Fähigkeit zum Wechsel des Aufmerksamkeitsfokus, d.h. umfasst auch die flexible Aufmerksamkeitssteuerung, die es ermöglicht, bei Bedarf den Fokus zu wechseln.
Kognitive Flexibilität besteht im schnellen Wechsel des Aufmerksamkeitsfokus zwischen verschiedenen Informationsquellen. Flexibilität stellt im Handeln und Denken eine elementare Voraussetzung für die allgemeine Leistungsfähigkeit dar. Bei der Flexibilität handelt es sich nicht um eine singuläre Funktion, sondern um ein Bündel von Teilfunktionen, die auf den verschiedenen Stufen der Informationsaufnahme und -verarbeitung anzunehmen sind.
Neben mangelnder Flexibilität ist erhöhte Ablenkbarkeit eine weitere Form gestörter Aufmerksamkeitssteuerung. Insbesondere sind Situationen, in denen viele Ereignisse gleichzeitig ablaufen, eine schwere Belastung für zahlreiche Menschen. Bei manchen löst jeder neu auftauchende Reiz eine Orientierungsreaktion aus und unterbricht somit die momentan ausgeführte Aktivität. In ausgeprägter Form kommt es zu einer extremen Abhängigkeit von allen Reizen der Umwelt.
Im Zusammenhang mit selektiver Aufmerksamkeit kann man unterscheiden zwischen
- externer Ablenkbarkeit: Anfälligkeit gegenüber äußeren Störreizen wie Lärm, Stimmen typischer Satz: "Seid ruhig, ich kann mich nicht konzentrieren!" und
- interner Ablenkbarkeit: Anfälligkeit gegenüber inneren Störreizen wie aufgabenirrelevanten Gedanken, z.B. depressives Grübeln als Interferenz beim Lesen eines Buches typischer Satz: "Ich kann mich beim Lesen nicht mehr konzentrieren".
Ungerichtete Aufmerksamkeit bezeichnet die allgemeine Reaktionsbereitschaft und Wachheit (alertness). Die Aufmerksamkeit ist in ihrer Kapazität beschränkt, um eine Auswahl treffen zu können. Man kann offenbar nicht gleichzeitig in allen Modalitäten und in diesen Modalitäten nicht gleichzeitig in allen Bereichen aufmerksam sein. Bei einer diffusen Bereitschaft sind die Schwellen überall relativ hoch, aber etwa gleich. In dem Moment aber, in dem eine Person durch einen Reiz angeregt wird, auf etwas besonders zu achten, dann geht dies immer auf Kosten der anderen Kanäle. Aufmerksamkeit ist ein kompetitives System. Was uns als Steuerung der Aufmerksamkeit erscheint, ist die Folge des Wettbewerbs einer Vielfalt von Programmen, die alle zum Zuge kommen wollen. Das jeweils Wahrscheinlichste oder der jeweils stärkste Reiz gewinnt dann auf Kosten aller anderen. Das erscheint dann so, als lege man die Aufmerksamkeit auf etwas oder entscheide sich für etwas. Es ist aber nicht so, dass es im Gehirn irgendein Zentrum gibt, das die Rollen verteilt, sondern das Wechselspiel aller an der jeweiligen Gestaltung des Programms beteiligten Zentren ist kompetitiv organisiert. Es gibt immer einen Gewinner.
Es gibt zwar einen allgemeinen Wachzustand, aber es gibt keine einzelne Aufmerksamkeitszentrale, sondern Aufmerksamkeitssysteme, die sich auf die verschiedenen Sinne oder auf körpereigene Vorgänge beziehen. Diese Systeme arbeiten zusammen, aber man muss sich letztlich entscheiden, ob man auf etwas Gehörtes oder etwas Gesehenes reagiert. Die Informationen stürmen gleichzeitig auf das Gehirn ein. Wenn ein Auto rechts hupt und links oben ist gerade eine Ampel auf gelb gesprungen, dann kann man nicht beides gleichzeitig beachten. Man muss sich also entscheiden, und hier treten die Aufmerksamkeitssysteme miteinander in Konkurrenz.
Es gibt übrigens bei der bewussten Wahrnehmung prinzipiell zwei Suchstrategien, um ein Objekt in einer Menge ähnlicher Objekte zu erkennen: eine parallele und eine serielle. Welche von beiden das menschliche Gehirn anwendet, hängt immer davon ab, wie sehr sich das gesuchte Objekt von seiner Umgebung unterscheidet.
- Das parallele Suchen ist ein eher oberflächliches Scannen aller Objekte, bis das Auge an einem besonders auffälligen haften bleibt. Das passiert etwa, wenn das gesuchte Objekt aus der Menge aller Objekte heraussticht, wie etwa ein Auto inmitten von Fahrrädern.
- Um ein bestimmtes Objekt unter sehr viel ähnlichen zu finden, benutzt das Gehirn jedoch eine serielle Suchstrategie. Wer z.B. in einem Lokal nach einem bekannten Gesicht sucht, nutzt dabei unbewusst eine Art geistigen Scheinwerfer, durch welchen ein Objekt nach dem anderen einzeln beleuchtet wird,
Die Gehirnaktivität bestimmt dabei die Geschwindigkeit dieses geistigen Suchscheinwerfers, wobei sich aktive und inaktive Phasen in einer Art Wellenbewegung abwechseln. Die Eindrücke werden also einer nach dem anderen verarbeitet, wobei der Scheinwerfer bis zu 25 verschiedene Objekte pro Sekunde beleuchten kann. Dieser angeborene Taktgeber wurde vor über 100 Jahren zum ersten Mal gemessen und gibt der Gehirnaktivität den Rhythmus vor.
Die Aufmerksamkeit lenkt also die Fülle der Sinnesinformationen in einen überschaubaren Rahmen, was speziell für das Sehen gilt, an dem viele Gehirnregionen beteiligt sind. Würden sie alle miteinander konkurrieren, entstünde dabei Chaos. Alle Regionen, die für das Sehen notwendig sind, werden offenbar von Erregungswellen, die durch die Hirnrinde laufen, koordiniert, um kollektive Phänomene von Nervenverbänden, die im Gegensatz zum Verhalten einzelner Neuronen noch wenig erforscht sind, aufeinander abzustimmen. Vermutlich bestimmt die Frequenz der Wellen sogar die Geschwindigkeit des menschlichen Denkens, sind also eine Art Uhr, die dem übrigen Gehirn mitteilt, wann die Aufmerksamkeit von einem zum nächsten Stimulus wechselt. Diese Oszillationen im Gehirn sind also ein Steuerung, verschiedene Gehirnregionen zur selben Zeit an denselben Ort zu bringen. Die vielen Eindrücke kann das Gehirn durch diesen Rhythmus daher nacheinander verarbeiten. Im Alltag verwenden Menschen meist eine Mischung der beiden Suchstrategien.
Die Wachheit als basale Aufmerksamkeitsdimension im Sinne einer Aktiviertheit bzw. Aktivierung des Organismus ist die Voraussetzung für die "höheren" Aufmerksamkeitsdimension der selektiven und der geteilten Aufmerksamkeit. Die generelle Wachheit oder Aktivierung umfasst zwei Aspekte:
- Tonische Wachheit ist der physiologische Wachzustand des Organismus mit einer allgemeinen, zirkadian oszillierenden Aufmerksamkeitsaktivierung. Es handelt sich um das dauernde Aktivierungsniveau, das z.B. abhängt von der Tageszeit, vom Ausmaß der medikamentösen Sedierung usw.
- Phasische Wachheit ist die plötzliche Zunahme der Aufmerksamkeit unmittelbar nach einem Warnreiz (z.B. Warnton), d.h. kurzfristige Anhebung des Aufmerksamkeitsniveaus im Sinne einer Alarm- oder Orientierungsreaktion. Dies führt zu einer Verkürzung der Reaktionszeiten nach einem Warnreiz im Vergleich zu Reaktionszeiten ohne Warnreiz. Im EEG zeigt sich nach einem Warnreiz ein so genanntes Bereitschaftspotenzial als Zeichen der Aktivierung des Gehirns. Bei der so genannten Alarm- oder Orientierungsreaktion (arousal reaction) ist im Sinne einer Verstärkung der elementaren selektiven Aufmerksamkeitszuwendung auf einen Warnreiz (phasische Wachheit) neben einer generellen Aktivierungstonusanhebung die Ausrichtung der sensorischen Rezeptoren auf die Reizquelle enthalten. Mehrfache Darbietung des Stimulus führt zur "Habituation" (Gewöhnung) und Abschwächung der Orientierungsreaktion.
Metakognitive Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit gilt als Aspekt der tonischen und phasischen Aktiviertheit. Sie wird auch kognitive Leistungsgeschwindigkeit genannt. Aufmerksamkeit umfasst also auch den Aspekt der Reaktionsgeschwindigkeit auf bestimmte Reize. Eine Störung bewirkt eine kognitive Verlangsamung.
Dieser auch als Vigilanz bezeichnete Zustand der Reaktionsbereitschaft hängt sehr stark von der Aktivierung des Körpers (Müdigkeit, Anspannung) aber auch von dem Anregungsgehalt der Umwelt (Eintönigkeit, Reizarmut) ab. Diese Wachheit wird in den alten Systemen des Gehirns (Kleinhirn, retikuläres System) gesteuert, hängt aber auch von der Motivation des Handelnden ab.
Es gibt biologisch bestimmte Reize, auf die Menschen leichter ansprechen, also bestimmte Figuren, Farben, plötzliche Bewegungen oder laute Geräusche, aber das Aufmerksamkeitssystem kann sich auch an neue Situationen adaptieren und sich durch Lernen weiterentwickeln. Übertragungsketten, die Information vermitteln, auf die im Augenblick aufgemerkt wird, zeigen eine höhere Aktivität als Übertragungsketten, deren Inhalte zur Zeit nicht beachtet werden. Vorgänge wie Habituation spielen hier eine große Rolle. Wenn die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Inhalt gelegt wird, der zwanzig Mal unverändert wiederholt wird, dann adaptieren die Neuronen auf diesen Reiz und die ursprüngliche Anhebung der Reaktion auf diesen Reiz nimmt wieder ab. Wenn ein neuer Reiz dazwischenkommt, wird das System wieder reaktiviert, so dass die Antworten wieder stärker werden.
Quelle: Science, 297, S. 1708
Die Ablenkbarkeit nimmt mit dem Alter zu
Pflanzliche Mittel zur Förderung der Konzentration
Folgende Pflanzenextrakte sollen sich nach Medienberichten positiv auf die Konzentration und das Gedächtnis auswirken: Rosmarin wird oft als „Kraut der Erinnerung“ bezeichnet, denn er enthält Rosmarinsäure, die die Durchblutung des Gehirns fördern kann, wodurch die geistige Leistungsfähigkeit und das Gedächtnis gesteigert werden. Ginkgo-Extrakte können die Durchblutung des Gehirns verbessern und die Fließfähigkeit des Blutes in den kleinsten Gefäßen erhöhen, was dazu beitragen kann, die mentale Klarheit und das Gedächtnis zu steigern. Ginseng wiederum kann die Stressresistenz erhöhen und die geistige Leistungsfähigkeit verbessern. Die Einnahme von Pflanzenextrakten zur Unterstützung des Gehirns sollte aber immer in Absprache mit einem Arzt erfolgen, besonders wenn gesundheitliche Bedenken vorliegen.
Digitale Medien und Aufmerksamkeit
Mit der enormen Zunahme digitaler Medien und Technologien haben Wissenschaftler, Pädagogen und auch die Öffentlichkeit immer lauter über die Bedeutung der Rolle einer guten Aufmerksamkeitsökonomie diskutiert. Das Aufkommen der aktuellen digitalen Kultur fällt mit wissenschaftlichen Fragen darüber zusammen, warum sich Menschen manchmal erinnern und manchmal vergessen und warum sich einige Menschen besser erinnern als andere. Madore et al. (2020) haben untersucht, ob spontane Aufmerksamkeitsunterbrechungen wie beim alltäglichen Medien-Multitasking mit dem Erinnern zusammenhängen. Dabei wurden zur Messung der Aufmerksamkeit Elektroenzephalographie und Pupillometrie (Eye-Tracking) eingesetzt, während junge Erwachsene (Durchschnittsalter 21,7 Jahre) eine zielgerichtete episodische Enkodierungs- und Abrufaufgabe durchführten. Die Probanden bekamen zunächst Bilder von Objekten auf einem Computerbildschirm präsentiert, und nach einer zehnminütigen Pause erschienen erneut Gegenstände auf dem Bildschirm, die danach beurteilt werden mussten, ob sie sie zuvor schon einmal aufgetreten waren. Die anhaltende Aufmerksamkeit auf Merkmalsebene wurde außerdem mit aufgabenbasierten Messungen und Fragebogen erfasst. Anhand der Abrufdaten zeigte sich, dass tonische Unterbrechungen in der Aufmerksamkeit im Moment vor dem Erinnern, gemessen anhand der posterioren Alpha-Leistung und des Pupillendurchmessers, mit einer Reduktion der neuronalen Signale der Zielkodierung und des Gedächtnisses sowie dem Vergessens korreliert waren. Aufmerksamkeitsdefizite erklären also zumindest zum Teil, warum Menschen sich im Augenblick erinnern oder vergessen, und warum sich manche Menschen besser erinnern als andere, denn stärkeres Medien-Multitasking ist offenbar auch mit der Neigung zu Aufmerksamkeitsdefiziten und Vergessen verbunden. Es ist allerdings die Frage, ob Medien-Multitasking die Aufmerksamkeit stört oder ob Menschen mit einer Aufmerksamkeitsstörungen sich mehr von digitalen Medien ablenken lassen.
Siehe auch
- Störungen der Aufmerksamkeit
- Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen
- Hyperkinetische Störungen
- Theorien zur Ursache von Hyperaktivität
- Das Marburger Konzentrationstraining
- Chronobiologie - ist Musik belebend oder beruhigend?
- Was können Eltern tun, um die Konzentrationsfähigkeit eines Kindes zu steigern?
- Was können Lehrer im Unterricht mit hyperaktiven Kindern tun?
Literatur
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