Phänomene aggressiven Verhaltens
Das Phänomen des Amok
Weitere Details zum "Täterprofil" des Amokläufers
Literatur:
Newman, P. (1964). 'Wild man' behavior in a New Guinea Highlands community. American anthropologist, 66: 1-19.
Simons, R.C., Hughes, C.C. (Hrsg.) (1985). The culture-bound syndromes. Dordrecht: Reidel.
Spores, J. (1988). Running amok: an historical inquiry. Athens: Ohio University Center for International Studies (Southeast Asia Series, No. 82).
In der ICD-10 Kodierung F68.8 sonstige näher bezeichnete Persönlichkeits- und Verhaltensstörung
Verwandte Syndrome:
- Ahade idzi be (Neu Guinea)
- Benzi mazurazura (Südafrika, bei den Shona und verwandten Grupen)
- Berserkergang (Skandinavien)
- Cafard (Polynesien)
- Colerina (in den Anden von Bolivien, Kolumbien, Equador und Peru)
- Hwa-byung (koreanische Halbinsel)
- Iich'aa (Ureinwohner des Südwesten der USA)
Eine Form der Autoaggression: Selbstverletzung
Als Selbstverletzung (SVV) bezeichnet man die wiederholte Gewebeschädigung am eigenen Körper durch Schneiden, Verbrennen oder ähnliches ohne suizidale Absicht. Selbstverletzungen stellen nach der geltenden Lehrmeinung keine eigenständige Krankheit dar, sondern bilden lediglich ein Symptom. Aufgrund eines vorhandenen Suchtpotentials erscheint diese Betrachtung allerdings fraglich. Man unterscheidet
- Offene Selbstverletzung:
Sie bezeichnet den Umstand, dass sich der Betroffene selbst Verletzungen beibringt und weiß, was er getan hat, und es einer Vertrauensperson gegenüber zugibt.
Kulturell akzeptierte Selbstschädigungen in Form von ungesunder Ernährung, Abmagerungskuren, exzessivem Sport, Zigaretten- und Alkoholkonsum, Tatoos und Piercings nehmen eine Sonderstellung ein. Sie werden hier nicht mit einbezogen, weil sie in der Regel einen anderen, nicht psychopathogenen Ursprung haben. - Artifizielle Störung:
Hierbei täuschen die Betroffenen durch Manipulationen am eigenen Körper, beispielsweise Injektionen von toxischen Substanzen oder Schmutzwasser, Krankheitssymptome vor und sind der Überzeugung, dass die Folgeerkrankung keinesfalls auf eine Handlung von ihnen selbst zurückzuführen ist. Vergleiche dazu auch Münchhausen-Syndrom und Hospital-Hopper-Syndrom. - Simulation:
Hierbei handelt es sich um Selbstverletzungen, die zu einem bestimmten Zweck vorgenommen werden, zum Beispiel um nicht an einer Klassenarbeit teilnehmen zu müssen, um bedauert zu werden oder bei Strafgefangenen, um aus dem Vollzug heraus auf die Krankenstation verlegt zu werden.
Menschen, die sich selbstverletzen, stehen unter einem hohen emotionalen Druck. Gefühle richten sie nicht gegen andere Menschen oder Gegenstände, sondern gegen sich selbst. Betroffene nehmen häufig eine innere Leere wahr, können sich selber nicht mehr spüren, oder bestrafen sich durch Selbstverletzungen selbst. SVV kann als eine (hilflose) Art von Selbstfürsorge betrachtet werden, weil es dazu dient Druck, Spannung und Stress abzubauen und weitere Gefährdungen, vor allem Suizid, abzuwenden. Das Hinzufügen von körperlichen Schmerzen überdeckt seelischen Qualen und emotionale Leere und wirkt dadurch befreiend. SVV ist in der Regel kein Mittel um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Selbstverletzungen treten fast immer vergesellschaftet mit (mindestens) einer weiteren psychischen Störung oder Krankheit auf, was man Co-Morbidität nennt. Sie können ihren Beginn aber auch in akuten Krisensituationen nehmen. Den Betroffenen ist bei weitem nicht immer ist klar, warum sie sich verletzen. Erkrankungen, mit denen gemeinsam SVV auftreten kann, sind:
- Depressionen
- Traumatisierungen
- Angststörungen
- Essstörungen
- Zwangsstörungen
- Drogen- und Alkoholabhängigkeit
- Persönlichkeitsstörungen vom Borderline-Typ (BPS)
- Multiple Persönlichkeitsstörung (MPS)
Selbstverletzung äußert sich in
- sich ritzen
- schneiden
- verbrennen
- verbrühen
- verätzen
- kratzen
- sich beißen
- sich schlagen
- Haare ausreißen
- mit dem Kopf gegen die Wand schlagen
- sich (versuchen) die Knochen brechen
- die Wundheilung verhindern etc.
Die häufigste Methode sind Schnitte in die Haut mit scharfen Gegenständen wie Rasierklingen, Skalpellen, Scherben oder Messern. Die beschädigten Körperteile sind vor allem die Extremitäten, bei Rechtshändern ist der linke Arm bevorzugt und da wiederum der Unterarm, bei den Beinen die Oberschenkel. Weitaus seltener ist der Rumpf betroffen, hier vor allem Bauch und Brust , wobei diese Verletzungen stärker verborgen und nicht selten heftiger sind als die an den Armen und Beinen. Im weiteren, aber noch seltener betroffen sind das Gesicht und der Genitalbereich.
Die manchmal angegebenen Zahlen sind alle unter Vorbehalt zu betrachten, da sie zum Teil geschätzt sind oder sich auf einzelne Gruppen beziehen und daher keine objektiven bzw. statistisch abgesicherten Ergebnisse liefern können. Sie geben aber sehr wohl deutliche Tendenzen wieder.
Rote Linien. Kontakt- und Informationsforum für SVV-Angehörige.
http://hp2.rotelinien.de/ (05-01-28)
Rote Linien ist eine Internet-Initiative, die von einer Angehörigen zum Thema Selbstverletzung ins Leben gerufen wurde. Sie richtet sich zum Zweck der Selbsthilfe vorrangig an die Familien, an Partner und an Freunde von autoaggressiven Menschen.
Trainingsprogramm zum Umgang mit aggressiven Kindern
Das von Petermann & Petermann entwickelte Training mit aggressiven Kindern beruht im wesentlich auf Elementen der Verhaltensmodifikation, des Rollenspiels, des Beziehungsaufbaus und der familienbezogenen Beratung. Vor dem Hintergrund von lerntheoretischen Annahmen wurde dieses Modell speziell für 7- bis 13-jährige Kinder entwickelt und dauert etwa sechs bis acht Monate. Da kindliche Aggression stets durch die Umwelt des Kindes und speziell seiner Familie mitbedingt ist, werden die Eltern in das Training einbezogen. Bei diesem Trainingsprogramm geht man davon aus, dass weder Eltern noch Kinder ganz freiwillig zu ihnen kommen, sondern dass häufig die Schule oder das Jugendamt nachdrücklich auf einer "Behandlung" bestehen. Parallel zum fortschreitenden Abbau aggressiven Verhaltens wird kooperatives, helfendes und einfühlsames Handeln eingeübt. Als Voraussetzung hierfür erscheint es notwendig, dass das Kind Situationen und Probleme differenziert wahrnimmt sowie ein Mindestmaß an motorischer Ruhe besitzt. Die Notwendigkeit, aggressiv zu reagieren, wird auch allein schon dadurch verringert, dass das Kind lernt, sich angemessen selbst zu behaupten. Durch die Fähigkeit zur Selbstkontrolle werden darüber hinaus Hemmungspotentiale gegenüber Aggression geschaffen. Mit konkreten Übungen werden auch Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Motivation gefördert. Bei allen Kindern, die das Programm absolvierten, zeigte sich, dass die aggressiven Verhaltensweisen (wie z.B. Boxen, Treten, Schlagen) weniger wurden und die kooperativen, kompromissbereiten Verhaltensweisen zunahmen.
Literatur
Petermann, Franz & Petermann, Ulrike (1991). Training mit aggressiven Kindern. Einzeltraining, Kindergruppen, Elternberatung. Weinheim: Beltz.
Gehirn und Aggression
Es gibt derzeit sogar Bemühungen, über die Tiefenhirnstimulation eines Gehirnareals Gewaltimpulse zu unterdrücken, um damit die Wahrnehmung zu verstärken, dass Gewalt moralisch falsch ist. Da man weiß, dass der dorso-laterale präfrontale Cortex eine Rolle für antisoziales Verhalten bzw. für die Impulskontrolle spielt, wurden in einem Doppelblindversuch (Choy et al., 2018) zwei Gruppen verglichen, bei einer Gruppe wurde zwanzig Minuten lang der präfrontale Cortex mit transkranieller Gleichstromstimulation angeregt, bei der zweiten wurde nur für 30 Sekunden eine schwache Placebo-Stimulation eingesetzt. Nach dieser Stimulation wurden die Probanden mit Beschreibungen von zwei Szenarien körperlicher oder sexueller Gewalt konfrontiert und sollten dann angeben, ob sie ähnlich dem Protagonisten handeln würden und wie sie aggressive Handlungen moralisch einstufen. In der Stimulationsgruppe gaben 47 Prozent an, dass sie weniger körperliche und um siebzig Prozent weniger sexuelle Gewalt anwenden würden. Offenbar kann eine höhere Aktivität des dorso-lateralen präfrontalen Cortex die Bereitschaft senken, aggressiv zu handeln, bzw. die moralische Kontrolle erhöhen. Fraglich bleibt aber letztlich, ob die Menschen bei einem realen Ereignis ebenso weniger zu Gewalt neigen würden. Immerhin ist das Ergebnis des Experiments ein Beleg für die biologische Fundierung der Gewalt, sodass man diese nicht ausschließlich sozial erklären müsste.
Literatur
Choy, Olivia, Raine, Adrian & Hamilton, Roy H. (2018). Stimulation of the Prefrontal Cortex Reduces Intentions to Commit Aggression: A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled, Stratified, Parallel-Group Trial. The Journal of Neuroscience, doi:10.1523/JNEUROSCI.3317-17.2018.
Aggression in der Schule
Die Diskussion um Gewalt in der Schule birgt die Gefahr in sich, dass pädagogisch mit Restriktionen für Kinder und Jugendliche reagiert wird, welche für die Entwicklung notwendige Frei- und Entscheidungsräume unangemessen einengen. Die Gewaltdebatte lässt die verantwortlichen Erzieher und Lehrer manches als Gewalt wahrnehmen, was zur Lebenswelt der Kinder, zur eigenständigen Kultur der Gleichaltrigenwelt dazugehört. Bei der Diskussion um zunehmende Gewalt an Schulen wird nach Meinung Oswalds (1998) zu wenig zwischen den ganz unterschiedlichen Handlungen, die für Gewalt gehalten werden, differenziert. Für die Ausarbeitung von Präventionsprogrammen und für pädagogische Interventionen ist es aber unerlässlich, Unterscheidungen zu treffen, da unterschiedliche Phänomene unterschiedliche Ursachen und Bedeutungen haben können und insofern unterschiedlich gedeutet und bearbeitet werden sollten. Auch was als Aggression beobachtet werden kann, muss unerschiedlich betrachtet werden. Zum einen gibt es einen Bereich von Aggression oder offensichtlichen Folgen (die blutende Nase, die zerrissene Jacke, der zerstörte Schulschrank), der gut beobachtbar ist und von Lehrern und Schuldirektoren präzise berichtet werden kann. Daneben existiert aber ein erheblicher Graubereich, der - aus guten Gründen - vor Lehrern verborgen wird, über den Schüler aber, vor allem was ihre eigene Klasse angeht, ganz genaue Kenntnis haben. So kann es nicht überraschen, dass Schüler- und Lehrerinformationen über Aggression im Klassenkontext mäßig bis schlecht übereinstimmen (Kupersmidt, Patterson & Leff 1996).
Aushandlungsprozesse verlaufen in den symmetrischen Beziehungen zwischen Kindern anders als etwa in den unilateralen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern. Bedürfnisse werden in Kinderbeziehungen in andersartigen Interaktionsverläufen ausgehandelt als in Erwachsenen-Kind-Beziehungen. Betrachtet man z.B. die Vielfalt der Sanktionsstrategien von Kindern und ihr Geschick beim Umgang mit Normbrüchen, dann wird deutlich, dass sie dies durch Unterweisung kaum lernen können. Nur das Interagieren mit anderen Kindern vermittelt ihnen die Einsichten und Handlungsmöglichkeiten, die sie für den Umgang mit Normbrüchen, mit Schädigungen, mit Gewalt benötigen. Die Erfahrungen mit Gleichaltrigen tragen entscheidend dazu bei, die Fähigkeiten zu entwickeln, die kompetente Erwachsene benötigen, um mit Grenzverletzungen und anderen Normbrüchen umgehen zu können.
Eine der Erfahrungen, die Kinder im Zusammenhang mit ihnen gegenüber begangenen Normbrüchen machen, scheint darin zu bestehen, dass es eher auf die Herstellung des durch den Normbruch gestörten Gleichgewichtes ankommt als auf Strafe und Rache. Dabei lernen sie den hohen Korrekturwert verbaler Sanktionen kennen, verfügen aber auch über härtere Maßnahmen. Diese kommen besonders dann zum Tragen, wenn das Selbstbild verletzt wird oder wenn der ursprüngliche Täter nicht aufhört.
Nach Oswald müssen die Sanktion in einem angemessenen Verhältnis zur Tat und dem Tatmotiv stehen, da sie sonst für den Täter nicht akzeptabel ist. Gleichzeitig wächst aber auch die Einsicht, dass das angemessene Verhältnis nicht festliegt sondern ausgehandelt werden muss. Auch mit den in der alltäglichen Sanktionspraxis häufigen Gegengewalt muss pädagogisch anders umgegangen werden als mit Gewalt. Dafür ist es für die pädagogisch Intervenierenden aber nötig, die normbruchartigen Sanktionshandlungen von Normbrüchen unterscheiden zu lernen und einzusehen, über welches Potential an vernünftigen Sanktionsstrategien Kinder verfügen. In der Diskussion um Gewalt in der Schule sollte die zu enge Fixierung auf Gewaltphänomene zugunsten eines breiteren pädagogischen Ansatzes aufgegeben werden, denn die Kampf- und Tobespiele (rough and tumble play) sind von großer sozialisatorischer Bedeutung. Nicht nur haben Kinder viel Spaß dabei, sondern sie üben in spielerischer Weise ihre Fähigkeit zum ”Rahmen” von Situationen. Die Rahmungssignale werden von Erwachsenen häufig missverstanden, weil sie sich meist an den Interaktionspartner und nur selten an die Zuschauer wenden. Besonders interessant sind die Spiele auf der Grenze zwischen Spaß und Ernst. In ihnen wird sowohl das Eskalieren und damit das Auffinden der Grenze geübt, als auch das Deeskalieren, das Herauskommen aus einem ungewollten Streit. Das kann allerdings auch misslingen und mancher heftige Streit und manche böse Prügelei haben ihre Ursache in einem aus dem Lot geratenen Spiel auf der Grenze. Das ist in aller Regel nicht rekonstruierbar, insofern steht der Erzieher, der schlichten möchte, auf verlorenem Posten. Dies mag als ein Grund mehr angesehen werden, weshalb man dieses ganze Feld den Kindern selbst zur Regulierung überlassen sollte. Sie müssen herausfinden, wie man solche Situationen wieder bereinigen kann. Sie müssen lernen, selbst ihre Realität in Kooperation mit Gleichaltrigen und nicht mit Erwachsenen zu konstruieren. Denn eine Gefahr der Gewaltprävention besteht nach Ansicht Oswalds darin, dass Kindern und Jugendlichen solche Lernmöglichkeiten genommen werden.
Literatur:
Kupersmidt, J. B., Leff, S. S., & Patterson, C. J. (1996). Teacher and peer reports of bullying and victimization. (Poster presented at the XIVth Biennial Meetings of the International Society for the Study of Behavioral Development (ISSBD), Quebec, Canada).
Oswald, H. (1998). Jenseits der Grenze zur Gewalt: Sanktionen und rauhe Spiele. In M. Schäfer & D. Frey (Hrsg.), Aggression und Gewalt unter Kindern und Jugendlichen (S. 179-202). Göttingen: Hogrefe.
Oswald, H. (1998). Steigt die Gewalt der Jugendlichen? In M. Schäfer & D. Frey (Hrsg.), Aggression und Gewalt unter Kindern und Jugendlichen (S. 43-52). Göttingen: Hogrefe.
Lies dazu
Hanke, Ottmar (2004). Gewaltprävention in der Schule. Zentrale Fragestellungen und Umsetzung in der Klasse. Die Deutsche Schule, 96, 68-84.
Siehe dazu auch das DENKZEIT-Training für den Umgang mit aggressiven Schülern
Die Wahrnehmung von Gewalt in der Familie durch Kinder
Es existieren diverse Schutzbehauptungen, mit denen häufig versucht wird, die Auswirkungen von Gewalt auf Kinder zu verharmlosen oder gar zu leugnen.
"Die Kinder haben nichts gesehen und nichts gehört"
Auch dann, wenn Kinder nicht direkt miterleben, wie etwa die Mutter geschlagen wird, spüren sie das gespannte Verhältnis zwischen ihren Eltern sehr deutlich und fragen insgeheim nach dem Grund, suchen eventuell sogar die Schuld bei sich. Kinder werden häufig als Figuren im häuslichen Gewaltspiel missbraucht: "Tust du nicht das, was ich will, nehme ich Dir die Kinder weg!". Eine kanadische Studie belegt, dass 80% aller Kinder Streitigkeiten und Gewaltanwendung im Elternhaus miterleben (Sinclair 1985).
"Die Kinder hat er nie angerührt"
Männer, die ihre Frauen misshandelten, schlugen in 50% der Fälle auch ihre Kinder. 25% der misshandelten Frauen wurden ihren Kindern gegenüber selbst gewalttätig (Straus 1983).
"Kinder verstehen nicht, worum es geht"
Bereits Säuglinge reagieren auf bedrohliche oder angstbesetzte Situationen (Zeanah 1993).
"Kinder vergessen so schnell"
Kinder, die zu Augenzeugen von Gewalt geworden sind, erinnern sich oftmals an genaue Einzelheiten der Streitigkeiten. Besonders die Vorgänge, die sie ängstigen, prägen sich deutlich ein; sie können oft die Entstehung eines Streites genau beschreiben. Kleinkinder können zwar einzelne Streitfälle nicht voneinander unterscheiden und können auch nicht folgerichtig beschreiben, was vorgefallen ist. In ihrem Spiel jedoch wiederholen sie das Erlebte. Ganz kleine Kinder, die der Sprache noch nicht mächtig sind, können sich später an die Gefühle erinnern, die sie während der Streitsituation hatten. Solche traumatischen Erlebnisse können bis ins Erwachsenenalter hinein bewusst oder unbewusst gespeichert bleiben. Auch dann, wenn die konkrete Situation des Streits oder der Gewalt zwischen den Eltern nicht ständig vor Augen erscheint, können Erwachsene aufgrund vergangener Erlebnisse besonders sensibel auf Streit oder ähnliche Situationen reagieren. Schreie oder laute Stimmen z.B. werden als unerträglich empfunden, enge zwischenmenschliche Beziehungen können sogar als so negativ gelten, dass sie total abgelehnt werden.
"Kinder sind flexibel, sie kommen schon zurecht"
Zum Glück können die meisten Kinder, die in einer gewalttätigen Umgebung aufgewachsen sind, als Erwachsene ein problemfreies Leben führen. Doch dies kommt nicht von ungefähr. Einerseits muss ein Kind wichtige soziale Fähigkeiten erworben haben, mit denen es sich selbst schützen kann. Ein Kind mit gutem verbalen Ausdrucksvermögen z.B. kann sich selbst und anderen die Situation, in der es lebt verdeutlichen und so Hilfe und Verständnis erhalten. Zum anderen ist es für ein Kind von Vorteil, wenn in seinem Umfeld Personen existieren, zu denen es ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann und die ihm das Gefühl von einer gefestigten Beziehung vermitteln können. Ein solcher Erwachsener kann ein Großelternteil, ein Pate, ein Nachbar oder auch der Trainer des Sportvereins sein. Kinder, die nur sehr wenige dieser schützenden Faktoren vorfinden, haben häufig Schwierigkeiten in der Entwicklung, da ihnen nur sehr geringe Kraftreserven zur Verfügung stehen. In Problemfamilien ist oft im gesamten sozialen Netz keine Person zu finden, die dem Kind helfen kann. Gerade diese Kinder brauchen am meisten Hilfe, wenn sie zu Augenzeugen von Gewaltanwendung werden (Haggerty et al. 1996).
Quelle
http://www.akatemia.org/projektit/perhevak/gewalt.htm (05-12-12)
Literatur
Haggerty, R. et al. (Hrsg.) (1996). Stress, risk and resiliency in children and adolecents. Processes, mechanisms and interveintion. Cambridge: Cambridge University Press.
Sinclair, D. (1985). Understanding Wife Assault: A taining manual for counsellors and advocates. Toronto, Ontario: GovernmentBooks.
Straus, M.A. (1983). Ordinary violence, child abuce and wife-beating: What di they have in common? In D. Finkelhorn, R.J. Gelles, G.T. Hotaling & M.A. Straus (ed.), The dark side of families: Current family violence research 8ss. 213-243). Beverly Hills, CA: Sage.
Zeanah C.H. (Hrsg.) (1993). Handbook of infant mental health. New York: Guilford Press.
Genetische Faktoren der Aggression
Die Neigung zur Aggression wird zumindest teilweise von Generation zu Generation weitergegeben, allerdings bleibt offen, ob durch Vorbild bzw. Erziehung oder Vererbung. Martin Teicher (Harvard Medical School) hat im Scientific American (Heft 3, 2002) von Untersuchungen berichtet, in denen sich zeigte, dass Hippocampus und Amygdala bei Personen kleiner sind, die in ihrer Kindheit misshandelt oder missbraucht wurden. Offenbar verändert schwerer Stress in der Kindheit die molekulare Organisation dieser Hirnregionen, etwa die Struktur der Rezeptoren für den Neurotransmitter Gamma-Amino-Buttersäure.
Wie die meisten Charaktereigenschaften ist auch Aggressivität zu einem beträchtlichen Teil (zirka 50 %) erblich, wobei vor allem in der Presse auch von einem "Gen für Aggressivität" die Rede war. Die erste einschlägige Arbeit beschrieb acht Männer einer niederländischen Großfamilie, die alle zu ungewöhnlichen Aggressionsschüben neigten, die sich laut den Autoren unter anderem in Brandstiftung und Exhibitionismus äußerten. Bei allen diesen Männern ist ein Gen völlig inaktiv, das für das Enzym Monoaminoxidase A (MAOA) kodiert. Solche Enzyme bauen Monoamine ab, unter diesen sind Neurotransmitter wie Dopamin und Serotonin. Werden diese nicht abgebaut, nachdem sie ihre Botschaft von einer Nervenzelle zur nächsten übermittelt haben, beeinflußt dies die Reizleitung. Aus anderen Arbeiten weiß man, dass die Serotonin-Konzentration im Gehirn Aggressivität und Impulsivität beeinflußt. Bei Mäusen wurden mindestens 15 Gene identifiziert, die mit Aggressivität zu tun haben sollen, darunter ein Gen für NO-Synthase, also ein Enzym, das den vielseitigen Neurotransmitter NO produziert. Schlüsse auf entsprechende Gene beim Menschen sind allerdings problematisch, denn die Gehirnstruktur von Mäusen und anderen Säugetieren unterscheidet sich deutlich und auch unsere Gesellschaft und Kultur ist viel komplexer.
Doch nun vereint eine Arbeit (Science, 297, S. 851) die Einflüsse von Umwelt und Vererbung. Eine Gruppe um Terry Moffitt (King's College London) zeigte, dass jene männlichen Probanden, die in ihrer Kindheit schlecht behandelt worden waren, im Durchschnitt eher antisoziales Verhalten zeigen als eine Kontrollgruppe. Dabei wurde auch die Ausprägung des MAOA-Gens untersucht, wobei sich zeigte, dass die inaktive Ausprägung des Gens nicht nachzuweisen war, allerdings fand man eine mehr und eine weniger aktive Variante. Es scheint die weniger aktive MAOA-Variante die Auswirkung der schlimmen Kindheitserlebnisse wesentlich zuverstärken. Von den in ihrer Kindheit misshandelten oder stark vernachlässigten Männern zeigten nämlich jene mit der weniger aktiven MAOA-Variante in der Adoleszenz doppelt so oft Verhaltensstörungen wie jene mit der aktiveren Gen-Version. Noch deutlicher ist der Zusammenhang bei Gewaltverbrechen wie Raub oder Vergewaltigung. Dagegen hat die Gen-Ausprägung allein - ohne Kindheitstraumata - keinen statistisch feststellbaren Einfluß. Das heißt, dass erst iein Umweltfaktar ("Stressor") einen genetischen Faktor wirksam werden läßt. dass die MAOA-Aktivität sich gerade,in der Kindheit besonders auswirkt, könnte daran liegen, dass ein zweites, ähnliches Gen (MAOB) immer erst später im Leben aktiv wird.
Warum beschränkte sich die Analyse auf Männer? Erstens, weil das MAOA-Gen auf dem X-Chromosom liegt und daher bei Männern nur in einfacher Ausfertigung vorliegt, was die Interpretation erleichtert. Bei Frauen, die ja zwei X-Chromosomen haben, wird die Auswirkung einer weniger aktiven MAOA-Variante meist durch die zweite Ausgabe des Gens auf dem zweiten X-Chrornosom gemildert. Zweitens aber, weil man mehr Erfahrung mit der Beschreibung und Definition von antisozialem aggressivem Verhalten bei Männern hat als bei Frauen. Schließlich ist, wie der US-Genetiker Greg Carey feststellte, der "stärkste genetische Marker für Gewalttätigkeit noch immer die Anwesenheit eines Y-Chromosoms".
1848 durchbohrte bei einer Explosion eine Eisenstange den Schädel von Phineas Gage, der zwar den Unfall überlebte, danach aber bei jeder Gelegenheit Streit suchte. Der Grund für dieses Verhalten war vermutlich der Schaden im Vorderhirn, den ihm die Eisenstange zugefügt hatte, denn in diesem Hirngebiet liegen psychische Funktionen wie Einfühlungsvermögen und Impulskontrolle. Kinder, die mit einem defekten Vorderhirn auf die Welt kommen, sind weitgehend unfähig die einfachsten Streitregeln zu erlernen. Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren (Kernspintomographie, Positronenemissionstomographie) wurden Soziopathen (Menschen, die im Umgang mit anderen immer wieder auffällig werden) untersucht, und es zeigte sich, dass das Vorderhirn nicht so aktiv war wie bei gesunden Kontrollpersonen. Außerdem fiel bei ihnen ein anderer Hirnbereich, der so genannte Mandelkern, völlig aus. Man vermutet, dass ein Soziopath wegen der Arbeitsweise seines Gehirns nicht in der Lage ist, die Folgen seines Handelns abzuwägen.
Es gibt derzeit sogar Bemühungen, über die Tiefenhirnstimulation eines Gehirnareals Gewaltimpulse zu unterdrücken, um damit die Wahrnehmung zu verstärken, dass Gewalt moralisch falsch ist. Da man weiß, dass der dorso-laterale präfrontale Cortex eine Rolle für antisoziales Verhalten bzw. für die Impulskontrolle spielt, wurden in einem Doppelblindversuch (Choy et al., 2018) zwei Gruppen verglichen, bei einer Gruppe wurde zwanzig Minuten lang der präfrontale Cortex mit transkranieller Gleichstromstimulation angeregt, bei der zweiten wurde nur für 30 Sekunden eine schwache Placebo-Stimulation eingesetzt. Nach dieser Stimulation wurden die Probanden mit Beschreibungen von zwei Szenarien körperlicher oder sexueller Gewalt konfrontiert und sollten dann angeben, ob sie ähnlich dem Protagonisten handeln würden und wie sie aggressive Handlungen moralisch einstufen. In der Stimulationsgruppe gaben 47 Prozent an, dass sie weniger körperliche und um siebzig Prozent weniger sexuelle Gewalt anwenden würden. Offenbar kann eine höhere Aktivität des dorso-lateralen präfrontalen Cortex die Bereitschaft senken, aggressiv zu handeln, bzw. die moralische Kontrolle erhöhen. Fraglich bleibt aber letztlich, ob die Menschen bei einem realen Ereignis ebenso weniger zu Gewalt neigen würden. Immerhin ist das Ergebnis des Experiments ein Beleg für die biologische Fundierung der Gewalt, sodass man diese nicht ausschließlich sozial erklären müsste.
Siehe dazu Die Moral sitzt im Vorderhirn
Literatur
Choy, Olivia, Raine, Adrian & Hamilton, Roy H. (2018). Stimulation of the Prefrontal Cortex Reduces Intentions to Commit Aggression: A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled, Stratified, Parallel-Group Trial. The Journal of Neuroscience, doi:10.1523/JNEUROSCI.3317-17.2018.
Kramar, T. (2002). Von Generation zu Generation: Gene und Erziehung geben Aggressivität weiter. Presse vom 10. August, Spectrum S. X.
Teicher, Martin H. (2002). Scars that Won't Heal: The Neurobiology of Child Abuse. Scietific American, 286, 68-75.
Aggression und Serotoninspiegel
Bei der Kontrolle von Aggressionen spielt der Sertoninspiegel eine Rolle, wobei dieser bei aggressivem Verhalten vermindert ist. Nach Studien von Berend Olivier (Universität Utrecht) gibt es im Gehirn von Menschen und Tieren Mechanismen, die Aggression steuern, wobei diese Steuerung von Aggression zwar auf genetischen Voraussetzungen beruht, aber auch die Erziehung in der Aggressionsverarbeitung eine wesentliche Rolle spielt. Bei sehr aggressiven Menschen ist das Serotonin-System weniger aktiv als bei normalen Menschen. Pharmakologen züchteten Mäuse, bei denen im Gehirn bestimmte Rezeptoren ausgeschaltet wurden und ein Teil des Serotonin-Systems außer Kraft gesetzt ist. Diese Tiere waren in der Folge nicht mehr fähig, ihre Aggressionen zu unterdrücken.
Hooliganismus
ei Hooligans handelt es sich vorwiegend um junge Männer um die 20 Jahre, die ein starkes Bedürfnis nach Stimulation haben, kaum Partnerschaften eingehen und sich nach eher problematischen Vorbildern richten. Man ist sich einig, dass eine Kombination von Faktoren, die aus der Situation erwachsen, und einer von vornherein erhöhten Gewaltbereitschaft vorliegen muss, dass es zu Hooliganismus kommt. In ihrer überwiegenden Mehrheit lassen sich die Fans von der Stimmung während eines Fußballspiels, von Emotionen, Lärm und Menschenmassen keineswegs zu Aggressionen hinreißen, die in Tätlichkeiten münden. Zusammenhänge zwischen dem Alkoholausschank und Schlägereien unter den Zuschauern konnten nicht nachgewiesen werden, jedoch breiten sich die Aktionen von Hooligans zunehmend auf das weitere Umfeld von Großveranstaltungen aus.
Systematische Studien zu den Persönlichkeitsmerkmalen derer, die zur Gewalt bereit sind, Gewalt anwenden oder auch nur fasziniert dabeistehen, fehlen weitgehend, und die vorhandenen Untersuchungen liefern unterschiedliche Befunde.
Britische Hooligans kommen aus sozial schwachen Schichten, sind häufig arbeitslos, trinken fast immer Alkohol, ehe sie bei Fußballspielen zuschlagen. Aus Deutschland stammen Ergebnisse, nach denen Hooligans sich eher aus gut ausgebildeten und sozial abgesicherten Schichten rekrutieren und neben der "bürgerlichen Alltagsidentität" eine "jugendkulturelle Hooligan-Identität" aufweisen, die ihnen Abwechslung und Aufregungen verschafft (Ärzte, Juristen, Kaufleute, Ingenieure). Darunter sind viele, die während der Woche normal arbeiten und am Wochenende am Fußballplatz ihren Aggressionen freien Lauf lassen. Gewalt ist für sie eine Art Droge, sie brechen aus den Zwängen des Alltags aus. Diese Hooligans sind meist gut organisiert, denn schon Wochen vor Beginn einer Veranstaltung verabredeten sie über Internet, Mobilfunk und Telefax, wann sie auf welchem Platz sein werden. Das im Grunde unauffällige Äußere in T-Shirt, Jeans und Turnschuhen gleicht einer Uniform im Tarnlook und gehört zu ihrem Konzept. Sie wollen aus dem anonymen Nichts auftauchen, wahllos oder zielgerichtet prügeln und dann wieder verschwinden, heimkehren in die Familie. Es ist ihnen offensichtlich wichtig, von möglichst wenigen Seiten akzeptiert zu werden.
In Italien wurden Gewalttäter dagegen vorwiegend im Milieu von Arbeitslosigkeit und niedriger Bildung gefunden.
Der amerikanische Ethnologe Bill Buford, hat viele Jahre lang ein Doppelleben geführt. Während er unter der Woche eine Londoner Zeitschrift für Literatur herausgab, begleitete er an den Wochenenden die Fans von Manchester United auf ihren Kriegszügen durch Europa. Der Cambridge-Absolvent kroch mit den Hooligans in Pubs und betrank sich mit ihnen bis zur Besinnungslosigkeit. Penibel zeichnete er seine Erfahrungen im Buch "Geil auf Gewalt" (Hanser-Verlag) auf.
Belgische Studien wiederum führten zu einer Differenzierung in einen harten Kern von strafrechtlich bereits aufgefallenen Tätern, die Aktionen eingehend planen und das Medienecho verfolgen, und in Jugendliche, die die Anerkennung dieses Personenkreises suchen und gerade darum oft besonders schnell zuschlagen. Eine dritte Gruppe, die Mitläufer, liefert verbale Unterstützung, wird aber selbst nicht handgreiflich.
Viele Fragen aber bleiben offen. Die soziale Herkunft ist ebensowenig systematisch erfaßt wie das Sozialverhalten in anderen Zusammenhängen oder die psychische Gesundheit.
Nicht gesichert ist auch, dass Gewalttaten im Umfeld von Fußballspielen tatsächlich zugenommen haben und brutaler werden, wie es die Berichterstattung der Medien suggeriert.
Quelle
Informationsdienst Wissenschaft (idw) vom 1999-10-13
Über die Geschichte des Begriffes Hooligan gibt es keine eindeutige Zuordnung. Eine Version sieht darin einen Kunstbegriff aus dem Englischen, sinngemäß wird es mit Straßenrowdy oder Halbstarker übersetzt. Eine andere Variante: Das irische Wort hooley (Sauforgie) wurde zu Hooligan verdreht. Die dritte Möglichkeit: Es soll eine irische Familie namens Hooligan gegeben haben, die prügelnd durch die Straßen zog. Zum ersten Mal tauchte dieser Name vor hundert Jahren in einer englischen Zeitung auf. Und auch damals schon im Zusammenhang mit Alkohol und exzessiver Gewalt auf öffentlichen Plätzen.
Quelle: http://www.hooligans.de/ (05-12-12)
Siehe dazu
Uslucan, H. & Fuhrer, U. (2004). Viktimisierungen und Gewalthandlungen im Jugendalter. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 51, 178-188.
Der reissende Fluss wird gewalttätig genannt, aber das Flussbett, das ihn einengt, nennt keiner gewalttätig.
Bert Brecht
Tipps für Eltern
Das Auftreten aggressiven Verhaltens bei Kindern kann beträchtlich reduziert werden, wenn Eltern Grenzen setzen und klare Verhaltensanweisungen geben. Bei diesen Anweisungen (Aufforderungen, Anforderungen) sind die folgenden Punkte zu bedenken.
- Stellen Sie nur dann Anforderungen, wenn Sie bereit sind, sie durchzustehen.
- Überlegen Sie sich daher vor der Anweisung, was Sie zur Durchsetzung tun können und wollen.
- Achten Sie darauf, dasß Ihr Kind die Anweisung genau versteht.
- Äußern Sie die Anweisungen eindeutig, klar und bestimmt. Nicht als Bitte!
- Geben Sie überschaubare und ausführbare Anweisungen. Oft ist es erforderlich, dass nur eine Anweisung gegeben wird. Umfangreiche Aufgaben müssen notfalls in kleine Schritte aufgeteilt werden.
- Kontrollieren Sie, ob Ihre Anweisung befolgt wurde.
- Konzentrieren Sie sich zunächst auf nur einen Verhaltensbereich, z.B. auf das Einhalten eines angemessenen Tonfalls oder auf die Verminderung des Ärgerns anderer Kinder. Sie können nicht alle Probleme rund um Aggression mit einem Schlag lösen. Gehen Sie in kleinen Schritten vor und wappnen Sie sich mit Geduld.
Achten Sie auch auf die folgenden Grundsätze im Umgang mit aggressiven Kindern:
- Achten Sie auf Ihr eigenes Verhalten. Sie sind Vorbild für Ihr Kind.
- Zeigen Sie Ihrem Kind Wege der Konfliktlösung auf, die nicht mit Aggression in Verbindung stehen. Sprechen Sie mit ihm, wie Konflikte entstehen und welche Lösungen es gibt.
- Achten Sie darauf, mit wem Ihr Kind Kontakt hat. Wenn Sie merken, dass es oft mit Kindern mit ähnlichem Problemverhalten zusammen ist, sollten Sie steuernd eingreifen.
- Üben Sie mit Ihrem Kind Beruhigungsrituale ein, die es im Falle von Konflikten nutzen kann. "Bevor du handelst, tief Luft holen!" "In der Wut, tut niemand gut! Ich bleibe 20 Sekunden ruhig, bevor ich handle."
- Schützen Sie Ihr Kind bei Regelverstößen nicht vor den selbst eingebrockten Folgen. Das Kind soll die negativen Folgen seines Handelns erfahren. Also regeln Sie nicht die Folgen. Es ist wichtig, dass das Kind von Anfang an merkt, dass es selbst Verantwortung übernehmen muss. Also: Wenn es die Schule geschwänzt hat, soll es die Folgen - vom Gespräch mit dem Lehrer bis zum Nachholen der Stunden - selbst "ausbaden".
- Üben Sie mit Ihrem Kind, die Perspektive des Gegenübers einzunehmen: "Was würdest du denken und fühlen, wenn du an der Stelle deines Gegenübers stehen würdest? Oder: "Schlüpfe doch einmal in die Person des angegriffenen." Machen Sie Ihrem Kind klar, dass die Opfer von Aggression leiden. Eine Stärkung der Fähigkeit des Mitfühlens und Mitleidens wirkt - natürlich! - aggressionshemmend.
Aggressionshemmung
Arno Gruen zitiert in seinem Buch "Der Fremde in uns" eine Studie der amerikanischen Armee
Im zweiten Weltkrieg haben nur 15 bis 20% der amerikanischen Soldaten während des Gefechts ihre Waffen benutzt. Ähnliche Hinweise gibt es über das Verhalten im amerikanischen Bürgerkrieg. F. A. Lord (1976) berichtete, dass nach der Schlacht von Gettysburg (1863) 27574 Gewehre eingesammelt wurden, von denen 90% geladen waren. 12000 hatte man mehr als einmal geladen, ohne zuvor einen Schuss abzugeben, 6000 davon waren mit 3-4 Kugelladungen verstopft. Warum, so fragte sich Lord, luden mindestens 12000 Soldaten ihre Flinten falsch? Marshall schreibt: "Das normale und gesunde Individuum hat einen so großen inneren und meistens unerkannten Widerstand, einen anderen Menschen zu töten, dass es einem anderen nicht aus eigenem Willen heraus das Leben nehmen würde".
Das änderte sich jedoch, nachdem die US-Armee mit einem neuen Trainingsprogramm für ihre Soldaten begann. Im Koreakrieg schossen noch 55% der Soldaten auf den Feind, im Vietnamkrieg waren es schon 90%.
In ihrem täglichen Drill wurden die Soldaten gezielt desensitiviert. Man ließ sie beim Marschieren und anderen körperlichen Übungen blutrünstige Parolen schreien wie "Kill! Kill! Kill!". In so genanntem "operative conditioning" wurde das Schießen im Reflex trainiert. Das Ziel glich einer menschlichen Gestalt. Außerdem sorgte man dafür, dass sich der einzelne Soldat von seiner Gruppe für akkurates Schießen bestätigt fühlte. So wurde das Schießen zum automatischen Akt, was sich in einem Anstieg der Schießbereitschaft von 20 auf 90% äußerte.
aus dem Minikurs "Aggressives Verhalten"
WWW: http://www.elternschule.neumuenster.de/aggressives_verhalten.htm (02-10-03)