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Bedürfnisse

I need, therefore I imagine.
Carlos Fuentes

Das Konzept der Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow

Abraham Maslow Bedürfnis Pyramide

Abraham Maslow (1908 - 1970) wies das Menschenbild der Ethologie (Vergleichende Verhaltenswissenschaft) und der Psychoanalyse zurück, denn das Verhalten von Tieren und das Verhalten von neurotischen Menschen sollte seiner Meinung nach nicht als zentraler Ausgangspunkt zur Erklärung menschlichen Verhaltens verwendet werden. Er war Vertreter und Mitbegründer der "Humanistischen Psychologie".

Die humanistische Psychologie grenzt sich sowohl vom Behaviorismus als auch von der Psychoanalyse ab und bezeichnet sich so als "dritte Kraft" der Psychologie. Dazu gehören: Abraham Maslow, Charlotte Bühler, Carl Rogers, Fritz Perls, Sidney M. Jourard, Rollo May, Fred Massarik u.a. Man wollte eine Psychologie entwickeln, die das aktive Streben des Menschen nach einem erfüllten Leben, nach Anerkennung und Selbstverwirklichung in den Mittelpunkt stellte. 1961 wurde unter dem Vorsitz von Abraham Maslow die "American Association of Humanistic Psychology" gegründet, die folgende Thesen vertritt:

Siehe dazu Bedürfnis Maslow, Abraham H. (1943). A theory of human motivation. Psychological Review, 50, p. 370-396.
Bildquelle: http://cstl-cla.semo.edu/snell/PY432/book/maslow.jpg (02-01-02)

"Bedürfnispyramide von Maslow"

  1. Physiologische Bedürfnisse: Die wichtigsten sind Hunger, Durst und Sexualität. Wenn diese konstant befriedigt werden verlieren sie an Bedeutung.
  2. Sicherheitsbedürfnisse: Bedürfnis nach Sicherheit, Stabilität, Ordnung, Schutz, Freiheit von Angst und Chaos, Struktur, Ordnung, Gesetz. Wenn die physiologischen Bedürfnisse befriedigt sind, die Sicherheitsbedürfnisse aber nicht, bestimmen diese weitgehend unser Verhalten. Menschen wünschen sich eine vorhersagbare Welt, Inkonsistenz und Ungerechtigkeit verunsichern sie.
  3. Zugehörigkeits- und Liebesbedürfnisse: Ergebnisse soziologischer Studien bestätigen die negativen Auswirkungen von Entwurzelung aus Bezugsgruppen (Wegzug der Familie in einen anderen Ort; Auflösung der Familie z.B. durch Scheidung; Emigration, Aussiedler). Tomova et al (2020) haben übrigens mittels funktioneller Magnetresonanztomographie die neuronalen Reaktionen gemessen, die durch Nahrung und soziale Reize hervorgerufen werden, nachdem die Probanden zehn Stunden Zwangsfasten oder totale soziale Isolation erlebt hatten. Nach der Isolation fühlten sich die Teilnehmer einsam und sehnten sich nach sozialer Interaktion, wobei die Regionen des Mittelhirns eine selektive Aktivierung auf Nahrungsmittelreize nach dem Fasten und auf soziale Reize nach der Isolation zeigten. Die Substantia nigra wird also bei Hunger und beim Verlangen nach sozialer Interaktion in ähnlicher Weise aktiviert, womit bestätigt wird, dass positive soziale Interaktion ein menschliches Grundbedürfnis darstellt.
  4. Wertschätzungs- und Geltungsbedürfnis: Das Bedürfnis umfaßt zum einen den Wunsch nach Stärke, Leistung und Kompetenz, zum anderen das Bedürfnis nach Prestige, Status, Ruhm und Macht. Darauf gründet sich das Selbstwertgefühl eines Menschen.
  5. Bedürfnis nach Selbstverwirklichung (Wachstumsbedürfnis, Selbstaktualisierung): Damit spricht Maslow das Streben nach der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit an. Die Effekte dieses Strebens sind von Person zu Person sehr unterschiedlich. Es zeigt sich darin eine "Vorwärtstendenz" im menschlichen Wesen. Der Mensch drängt danach, die Einheit seiner Persönlichkeit zu erleben, er ist auf der Suche nach Wahrheit. Er drängt nach "vollem Sein": Heiterkeit, Freundlichkeit, Mut, Ehrlichkeit, Liebe, Güte ...

Die ersten vier Bedürfnisse nennt Maslow auch "Defizitbedürfnisse", da ungünstige Folgen zu erwarten bei Nichtbefriedigung sind (z.B. Krankheit) und ein Gefühl der Entbehrung hervorrufen. Bedürfnisse stehen untereinander in folgender Beziehung: Wenn ein Bedürfnis erfüllt ist, tritt das nächsthöhere an seine Stelle. Je höher das Bedürfnis, desto später in der Entwicklung einer Person entsteht es, sodass man bei Erwachsen in der Regel komplexere Bedürfnisstrukturen feststellen kann. Je höher das Bedürfnis, desto weniger wichtig ist es für das reine Überleben, denn es kann leichter aufgeschoben werden, sie werden als weniger drängend erlebt und können auch ganz verschwinden.

Ein Individuum, dessen Verhalten durch höhere Bedürfnisse bestimmt ist (das setzt voraus, dass alle grundlegenderen Bedürfnisse befriedigt sind), ist seltener krank, schläft besser und lebt länger. Befriedigung höherer Bedürfnisse führt weg von psychopathologischen Erscheinungen (psychischen Krankheiten) und ist damit ein wichtiger Schutzfaktor für Gesundheit. Höhere Bedürfnisse werden sozial höher bewertet. Das Befolgen und die Befriedigung höherer Bedürfnisse haben positive soziale Konsequenzen (Loyalität, Freundlichkeit...).


Bildquelle: http://www-public.tu-bs.de:8080/~wedelman/seminare/motivation_v.1/abb/maslow.jpg (02-09-10)

Wie Hull nimmt er an, dass ein Bedürfnis nur so lange motiviert und das Handeln beeinflußt, wie es unbefriedigt bleibt. Dabei wird das Handeln weniger von innen getrieben, als von Befriedigungsmöglichkeiten angezogen. Der Grundgedanke von Maslows Klassifikation ist sein Prinzip der relativen Vorrangigkeit in der Motivanregung (s.o.). Sobald das erste Bedürfnis nicht befriedigt ist, wird auf die anderen Bedürfnisse nicht eingegangen werden. Wird z.B. ein Hungergefühl nicht erfüllt, wird sich der Lernende kaum auf die Inhalte der Unterrichtsstunde konzentrieren können. Schülern muß daher die Befriedigung verschiedener Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken und Toilettenbesuch gewährt werden. Demnach haben die Pausen eine wichtige Bedeutung, die unter keinen Umständen von LehrerInnen verkürzt werden dürfen.

Siehe auch Motive und Motivation

Maslows Bedürfnispyramide im Wandel der Zeiten ;-)

Maslow neu

Quelle: https://plus.google.com/u/0/+Swissmarketingsolution/posts (15-08.20)


Merk-Geschichte

Auf der webpage von Hans Karl Schmitz (http://kontaktdesign.de/website-verbessern/motivieren/maslow.htm/) findet sich diese kleine Geschichte, um sich die Hierarchiestufen besser einprägen zu können.

Stellen Sie sich Robinson Crusoe vor, der gerade auf der einsamen Insel gestrandet ist. Was wird er wohl tun?

Noch eine Merk-Geschichte

stammt von Reinhold Vogt ( http://www.memopower.de/), der Abonnenten seiner 'memoNews' ein eBook mit 17 Lerntipps kostenfrei zur Verfügung stellt: http://www.mnemonik.de/

 

Ein Neandertaler krabbelt nach etwa 30.000 Jahren Totenruhe aus seiner Pyramide.

Kritik am Modell von Maslow

Uwe P. Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück, kritisiert Maslows Theorie, da sie zahlreiche konzeptionelle Probleme aufweist:

Seiner Meinung nach hat diese Theorie nur noch als historischen Wert, da sie sich letztlich nicht bewährt hat, d. h., fundierte Handlungsanleitungen lassen sich hieraus nicht ableiten.

Das Modell von Maslow läßt sich auch empirisch deshalb nicht bestätigen, da die Zufriedenheit eines Menschen nicht messbar, sondern nur über dessen Selbstaussage nachzuvollziehen ist. Der Begriff der Selbstverwirklichung stellt eine Leerformel dar, denn er muß stets inhaltlich ausgelegt werden, sodass jeder alles hineinpacken kann. Die Pyramide von Maslow ist - wie vielleicht die übliche Darstellung nahelegt, kein starres Konzept, das jeden Menschen gleichermaßen beschreibt, sondern die Grenzen zwischen den einzelnen Ebenen sind nicht starr, sondern verlaufen eher fließend. Die Theorie Maslows sollte daher lediglich als umfassende Struktur der menschlichen Ideale verstanden werden.

Nach Klaus Holzkamp (1985), dem Begründer der Kritischen Psychologie, verändert sich beim Menschen im Vergleich zum Tier die Art der Umweltkontrolle: Die bloß erkundende Umweltbeziehung der Tiere wird bei Menschen zur gestaltenden Weltbeziehung mit dem Ziel der verallgemeinert-vorsorgenden Abgesichertheit, nicht nur der primären Bedarfsbefriedigung. Die individuelle Umweltkontrolle der Tiere wandelt sich beim Menschen zur personalen Handlungsfähigkeit, d.h., um die Verfügung des Individuums über seine eigenen Lebensbedingungen in Teilhabe an der Verfügung über den gesellschaftlichen Prozeß. Damit wird bei ihm die Handlungsfähigkeit zum ersten menschliches Lebensbedürfnis.


Literatur

Holzkamp, Klaus (1985). Grundlegung der Psychologie. Frankfurt: Campus.

Tomova, Livia, Wang, Kimberly L., Thompson, Todd, Matthews, Gillian A., Takahashi, Atsushi, Tye, Kay M. & Saxe, Rebecca (2020). Acute social isolation evokes midbrain craving responses similar to hunger. Nature Neuroscience, 23, 1597-1605.

https://www.haufe.de/personal/hr-management/kolumne-warum-die-beduerfnispyramide-nicht-funktioniert_80_549052.html (21-08-11)

Weitere Quellen



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