Von der Psychotechnik zur Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie
(ABO-Psychologie)
Diese Richtung hatte Anfang des Jahrhunderts in der
"Psychotechnik" ihren Ursprung, einem Begriff, den William Stern 1903
einführte, um damit die Anwendung der Psychologie bzw. der
"psychologischen Einwirkung" in allen Lebensbereichen von der
"Psychognostik" zu unterscheiden. Hugo
Münsterberg verwendete den Begriff 1914 als Oberbegriff
für die gesamte angewandte Psychologie. Walter Moede führte
schließlich 1920 den Begriff "Industrielle Psychotechnik" ein
und bezeichnete damit speziell die Anwendung der Psychologie in
industriellen Betrieben. Die Entstehung dieser Anwendungsdisziplin
ist wissenschaftshistorisch eng mit dem Utilitarismus (Jeremy
Bentham, Stuart Mill) verbunden. Der Interessenausgleich zwischen
Individuum und Gesellschaft auf der Grundlage
empirisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie "das
größtmögliche Glück der
größtmöglichen Zahl" sind die grundlegenden Ideen des
Utilitarismus. Herbert Giese nahm 1925 eine
Aufteilung der Psychotechnik in die Anwendungsfelder
"Objektpsychotechnik" (Anpassung der Arbeitsbedingungen an den
Menschen, z.B. Pausenregelungen, Arbeitszeit- und Lohnfragen) und
"Subjektpsychotechnik" (Menschen an die Arbeitsbedingungen wie
Maschinen, Strukturen anpassen) vor. In Konkurrenz zu den
Ingenieurwissenschaften und der Betriebswirtschaftslehre hatten es
die ersten psychologischen Institute schwer. Deshalb konzentrierte
sich die Anwendung in den 20er und 30er Jahren stärker auf die
Subjektpsychotechnik. Dazu gehörten die Entwicklung
psychologischer Testverfahren zur Berufseignung und die
Nutzung psychologischer Erkenntnisse in der Menschenführung
sowie der Aus- und Weiterbildung. Nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges profitierte die Psychologie bzw. die Arbeits-, Betriebs-
und Organisationspsychologie in den Industrienationen Europas vom
Wiederaufbau, der wirtschaftlichen Expansion und der
Bildungsoffensive in den 60er Jahren. Die Orientierungsmodelle
für effiziente Unternehmensführung, Ideen für modernes
Management und Anregungen für die wissenschaftliche Forschung in
den westlichen Ländern kamen dabei aus der amerikanischen
Industrie. Arbeitsmotivation und -zufriedenheit, Absentismus und
Fluktuation waren die ersten Punkte, bei denen ein Beitrag zur
Verbesserung von der Psychologie erwartet wurde. Mitte der 60er Jahre
wurden die ersten programmatischen Bücher mit dem Titel
"Organisationspsychologie" veröffentlicht. In
den 70er Jahren wurden in der Arbeits- und Organisationspsychologie
vor allem in Westeuropa humanistische Konzepte der Arbeitsgestaltung
stark rezipiert. Die Steigerung der Qualität des Arbeitslebens
und die Humanisierung der Arbeit durch Arbeits- und
Aufgabengestaltung waren beherrschende Themen. Eine weitere wichtige
Linie war der Beitrag der Organisationspsychologie zur vergleichenden
Forschung und organisationalen Mitbestimmungsdiskussion in
Europa.
Ein zentraler Forschungsbereich der Wirtschaftspsychologie ist etwa die Arbeitsmotivation, die eine Kombination verschiedener Motive datstellt, wie man aus der Grundlagen- und Anwendungsforschung in der Wirtschaftspsychologie weiß. Die Arbeitsmotivation bestimmt nicht nur die Leistung, sondern trägt auch zur Persönlichkeitsentwicklung des Mitarbeiters bei. Arbeitsmotivation resultiert daher aus dem Zusammenwirken von persönlichen Motiven und den Motivierungspotenzialen der konkreten Arbeit, die sich z.B. aus einer auf Vielseitigkeit und Ganzheitlichkeit ausgerichteten Arbeitsgestaltung ergeben können. Im Arbeitskontext kommt auf Seiten der Person nicht nur dem Leistungsmotiv, sondern auch dem Anschluss-, Macht-, Neugier- und Aggressionsmotiv eine wichtige Rolle zu. Die einzelnen Motive werden dabei in Abhängigkeit von anregenden situativen Bedingungen wirksam, weshalb etwa Menschen mit einer hohen Ausprägung des Leistungs- und Machtmotivs Vorgesetztenfunktionen übernehmen, denn die damit verbundenen Entscheidungs- und Einflussmöglichkeiten erlauben ihnen, entsprechend ihrer persönlichen Motivlage zu handeln.