Karl-Peter Schwarz
Das Ende des Wiener Kreises: "So Hund, jetzt hast du es"
Die Geschichte des Wiener Kreises endete mit einem Mord. In der Begründung des Urteils gegen Hans Nelböck durch das Landesgericht für Strafsachen Wien I vom 26. Mai 1937 hieß es: "Am 22. Juni 1936 hat der Angeklagte um 9 Uhr 20 den Professor der philosophischen Fakultät Dr. Moritz Schlick im Gebäude der Wr. Universität auf der zur philosophischen Fakultät führenden Hauptstiege in dem Augenblick erschossen, als Dr. Schlick sich zu seiner Vorlesung begeben wollte. Die Leicheneröffnung ergab, dass Dr. Schlick von vier aus einer Pistole mit Kaliber 6.35 abgefeuerten Geschossen getroffen war."
Die Ermordung Schlicks war die Tat eines Psychopathen. Nelböck war bereits zweimal unter der Diagnose "schizoide Psychopathie" eingeliefert worden: in die Heilanstalt Am Steinhof und in die Psychiatrie des Allgemeinen Krankenhauses. In beiden Fällen war diese Maßnahme auf Grund einer Anzeige von Moritz Schlick verfügt worden, der sich von seinem ehemaligen Studenten bedroht fühlte.
Der Haß gegen Schlick, den Nelböck in Morddrohungen zum Ausdruck gebracht hatte, wurde vom Gericht einerseits auf eine Affäre um eine Studentin zurückgeführt, andererseits darauf, dass Nelböck die Ablehnung seiner Bewerbung um eine Stelle bei den Volkshochschulen auf eine Intervention Schlicks zurückführte. Nach einer Zeugin soll Nelböck seinem Opfer zugerufen haben: "So Hund, du verfluchter, jetzt hast du es."
In der Urteilsbegründung wird noch ein Motiv genannt, nämlich "die grundverschiedene Weltanschauung", ein Umstand, der in der Anklageschrift präziser definiert wurde: "Der Beschuldigte, der von Natur aus religiös eingestellt ist, hat die wissenschaftliche Bekämpfung des von Prof. Schlick vertretenen Positivismus, bezw. den destruktiven Tendenzen des atheistischen Positivismus entgegenzuarbeiten, für unerläßlich erachtet" - eine Selbstladepistole, System Singer, als Ultima ratio transzendentalphilosophischer Kritik?
Ein reiner Weltanschauungstäter war Nelböck gewiß nicht. Dennoch war seine Tat das Symptom einer politisch-ideologischen Konfrontation, die das Ende des Wiener Kreises im Ständestaat herbeiführte, noch bevor die Nationalsozialisten ihr Vernichtungswerk vollendeten.
Im Dokumentenanhang zu Friedrich Stadlers voluminösen "Studien zum Wiener Kreis - Ursprung, Entwicklung und Wirkung des Logischen Empirismus im Kontext" ist der Artikel eines "Prof. Dr. Austriacus" enthalten, der wenige Wochen nach dem Mord in der Zeitschrift "Schönere Zukunft" erschienen ist. Der Autor (Philosophieprofessor Johann Sauter) gab vor, "von den verhängnisvollen Folgen auf die vermutlichen, bösen Ursachen" zurückzugehen: "Unter Schlicks Führung bildete sich der sog. ,Wiener Kreis', der sehr rührig war und der - sehr zum Schaden für den Ruf Österreichs als eines christlichen Staates - im Ausland als die österreichische Philosophie angesehen wird. Schlick bezeichnete seine Philosophie als Neupositivismus oder Logistik, . . . er (der Positivismus, Anm.) ist der radikale Leugner alles Metaphysischen." Diesem "Negativismus" sei die "in der christlichen Weltanschauung" erzogene Jugend ausgeliefert, was - wie der Mord an Schlick zeige - verheerende Folgen habe: "Die höhere Seelenkunde hat nachgewiesen, dass die moderne Zerrüttung der Nerven zum großen Teil auf die Zerrüttung in der Weltanschauung zurückgeht." Nach dieser Verkehrung der Täter-Opfer-Beziehung schloß "Prof. Dr. Austriacus": "Es ist bekannt, dass Schlick, der einen Juden (Waismann) und zwei Jüdinnen als Assistenten hatte, der Abgott der jüdischen Kreise Wiens war. Jetzt werden die jüdischen Kreise Wiens nicht müde, ihn als den bedeutendsten Denker zu feiern. Wir verstehen das sehr wohl. Denn der Jude ist der geborene Ametaphysiker, er liebt in der Philosophie den Logizismus, den Mathematizismus, den Formalismus und Positivismus, also lauter Eigenschaften, die Schlick in höchstem Maße in sich vereinigte. Hoffentlich beschleunigt der schreckliche Mordfall an der Wiener Universität eine wirklich befriedigende Lösung der Judenfrage." 1937, ein Jahr nach dem Schlick-Mord, wurde der längst in Auflösung begriffene Wiener Kreis von einer ganz anderen Seite mit nicht geringerer Heftigkeit attackiert, diesmal als "Dienstmagd für die je geltenden Zwecke der Industriegesellschaft", ja - in denunziatorischer Pose - sogar als eine Denkschule, deren Verhältnis zum kulturellen Erbe "sich praktisch zuweilen bei nationalen Erhebungen und ihren Freudenfeuern zu betätigen pflegt". Der Autor, Max Horkheimer, führte den Positivismus auf eine soziale Wurzel zurück, nämlich die traurige "Verfassung eines großen Teils des Bürgertums, das aus Angst vor einer entscheidenden Änderung des Gesellschaftssystems sich willenlos der Herrschaft seiner kapitalkräftigsten Gruppen unterwirft".
Die Horkheimersche Polemik trug einen Titel, der auch Sauter hätte einfallen können: "Der neueste Angriff auf die Metaphysik". Vergegenwärtigt man sich den Einfluß, den diese beiden ideologischen Traditionen, die politkatholische und jene der Frankfurter Schule, auf den akademischen und intellektuellen Diskurs der Zweiten Republik genommen haben, braucht man sich nicht zu wundern, dass die Wiederentdeckung des Wiener Kreises ein spätes Ereignis ist. Es geht dabei nicht um die moralische Rehabilitierung einer Denkrichtung, die überholt wäre und sich im Aktenschrank der österreichischen Geistesgeschichte unterbringen ließe, sondern um den Rekurs auf eine österreichische Tradition, der eine Brücke baut zu den Grundlagen wissenschaftlichen Denkens im 20. Jahrhundert - es sind auch jene der Informationstechnologie.
Friedrich Stadler, Jahrgang 1951, Gründer und Leiter des Instituts Wiener Kreis, versteht seine "Studien zum Wiener Kreis" als "historische wie systematische Untersuchung mit Bezug auf bislang vernachlässigte Archivmaterialien. Sie will zugleich den exemplarischen Charakter des Wiener Kreises für den Aufstieg und die Vertreibung der Vernunft im Kontext dieser Epoche demonstrieren."
Dieses Herangehen unterscheidet sich seinem umfassenderen Anspruch nach von den bisherigen, durchwegs problemgeschichtlich orientierten Monographien, zum Beispiel von der (hervorragenden) Victor Krafts ("Der Wiener Kreis - Der Ursprung des Neopositivismus", 1950, neu aufgelegt bei Springer 1997).
Stadler beginnt nach einer Übersicht über die Bedeutung des Wiener Kreises für die aktuelle wissenschaftstheoretische Diskussion mit einem Prolog, der dem "Aufstieg der wissenschaftlichen Philosophie" in der Habsburgermonarchie mit Bernhard Bolzano, Franz Brentano und Ernst Mach gewidmet ist.
Von dem Gesprächskreis um Philipp Frank, Otto Neurath, Hans Hahn und Richard von Mises vor dem Ersten Weltkrieg verfolgt er den Bogen über die Donnerstagabendtreffen bei Moritz Schlick bis in die "öffentliche Phase" (1929: Veröffentlichung der Programmschrift "Wissenschaftliche Weltanschauung - Der Wiener Kreis", erstes Auftreten als Gruppe in Prag). Stadler weist darauf hin, dass hier "von einer marginalisierten Strömung gesprochen werden muß, die besonders auf akademischen Boden einer dominanten philosophia perennis in verschiedenen Variationen gegenüberstand."
Ungeachtet der beträchtlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Denkern des Wiener Kreises, die Stadler ausführlich behandelt, stützten sich die Diskussionen des Wiener Kreises auf zwei Grundannahmen, das "Basistheorem" (Erkenntnis resultiert ausschließlich aus Erfahrung) und das "Sinntheorem" (Der Sinn eines Satzes ist die Methode seiner Verifikation).
An die Stelle der traditionellen Metaphysik, deren Aussagen als "sinnlos" bezeichnet wurden, müsse eine wissenschaftliche Philosophie (Wissenschaftstheorie) treten, aus der schließlich - im radikalen, bei Neurath gesellschaftsverändernd definierten Ansatz - eine von den Schlacken der Metaphysik befreite "Wissenschaftliche Weltauffassung" hervorgehen müsse. Neuraths Ansatz, der von Schlick nicht geteilt wurde, schlug um in ein politisch-ideologisch legitimiertes Aufklärungsprogramm, das sich mit der sozialdemokratischen Erziehungs- und Kulturbewegung verband und den im Wiener Kreis herrschenden Konsens sprengte.
Auf der anderen Seite unterhielt Felix Kaufmann Beziehungen zu den um Ludwig von Mises gescharten Zirkel liberaler Nationalökonomen, zum "Geist-Kreis" Friedrich August von Hayeks und zu Kelsens Wiener Schule der Rechtstheorie. Stadler: "Trotz individueller Differenzen funktionierte die gemeinsame Arbeit an offenen Problemen und Themen. Transparenz und Klarheit waren die Voraussetzungen für eine pluralistische Theoriendynamik mit erwünschter Kritik und Selbstkritik im Kampf der Argumente." Der Vernetzung des Wiener Kreises mit den wissenschaftstheoretischen Knotenpunkten in Prag, Berlin, Warschau, in England, in den USA, in Finnland, Holland und Frankreich entsprach eine Vernetzung mit anderen Wiener Zirkeln (darunter Mengers Mathematisches Kolloquium und der Gomperz-Kreis) und Persönlichkeiten, die den Schlick-Zirkel beeinflußten oder von ihm beeinflußt wurden (Wittgenstein, Popper). Zu den aufregendsten Teilen des Buches gehören die erstmals veröffentlichten Protokolle des Schlick-Zirkels aus dem Nachlaß von Rose Rand, rekonstruiert nach den Tagebüchern Rudolf Carnaps, die einen Einblick in diese Werkstätte analytischen Denkens geben und zugleich deren Anziehungskraft auf die bedeutendsten Wissenschaftler der Zeit (Einstein, Heisenberg) dokumentieren.
Carnap verließ Österreich 1931, Neurath 1934, Karl Menger emigrierte 1936 in die USA, Friedrich Waismann 1937 nach England. Felix Kaufmann flüchtete 1938 nach New York, Edgar Zilsel folgte ihm 1939, Gödel ging 1940 nach Princeton, Richard von Mises nach Istanbul. Der bibliographische Anhang sowie der "Nekrolog: Der Exodus wissenschaftlicher Vernunft" lassen das Ausmaß des Kahlschlags ahnen, dem Österreich ausgesetzt war. Stadler: "Erst seit den späten sechziger Jahren wurden diese Spuren entdeckt und rekonstruiert, doch hatte die österreichische Philosophie und Wissenschaft in der beziehungsweise durch die Emigration selbst entscheidende Entwicklungen durchgemacht, die sie zu einem internationalen Unternehmen werden ließen. Der verspätete Re-Import zum Beispiel der analytischen Wissenschaftstheorie konnte den erlittenen Verlust und Rückstand nicht wettmachen, geschweige denn ersetzen."
Friedrich Stadler (). Studien zum Wiener Kreis. Ursprung, Entwicklung und Wirkung des Logischen Empirismus im Kontext, 1036 S., geb., S 715, Euro 51,4 (Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main).
In der Presse vom 22. Mai 2015 beschreibt Hans Werner Scheidl unter dem Titel "Moritz Schlick: Eifersuchtsmord an der Universität" den genauen Ablauf der Tat folgendermaßen: "Gegen acht Uhr morgens in der Wiener Universität. Im Sakko trug er einen Revolver. Und jetzt wartete er nervös auf seinen eingebildeten Feind, den berühmten Philosophen Moritz Schlick, auf der rechten Stiege im Hauptgebäude.
Schlick (54) kam mit der Straßenbahnlinie D, hatte auf der Fahrt noch ein kurzes Gespräch mit einer Studentin, verabschiedete sich und betrat das Gebäude. Nelböck entsicherte die Waffe und streckte Schlick auf der Stiege mit mehreren Schüssen nieder. „Da, du verfluchter Hund!“ Drei Schüsse waren tödlich. Dann wartete der Mörder teilnahmslos neben der Leiche auf seine Festnahme. Eigentlich hatte er Selbstmord begehen wollen, aber davon war nun keine Rede mehr. Vor der Polizei gab er zu Protokoll, dass er für seine Tat einstehe. Schlick habe ihn beruflich „nicht aufkommen“ lassen. Jetzt sei alles vorüber, und alles weitere sei ihm nun egal.
Der Mord auf der „Philosophenstiege“ war Stadtgespräch von Wien. Eine Sensation sondergleichen. Und bald kursierten die ersten Vermutungen: Ein Deutschnationaler habe „den Juden Schlick“ aus ideologischen Gründen beseitigt."
Karl Sigmund, ordentlicher Professor an der Wiener Universität, kuratiert gemeinsam mit dem Historiker Friedrich Stadler im Jahr 2015 die Ausstellung „Der Wiener Kreis“ und widerspricht in vielen Punkten der Überlieferung der Ereignisse, denn Schlick sei zwar sehr judenfreundlich eingestellt, aber zeitlebens evangelisch gewesen – und Nelböck habe aus rein persönlicher Rache gehandelt. Seiner Meinung war es Eifersucht. "Nelböck, aus bettelarmem Haus in Oberösterreich stammend, studierte bei Schlick und verliebte sich erfolglos in eine Mitstudentin namens Silvia Borowitzka aus einer Hietzinger Bürgerfamilie. Als das Mädchen ihrem Verehrer einmal sagte, Schlick mache ihr Avancen, nahm die verhängnisvolle Affäre ihren Lauf.
Kaum hatte Nelböck promoviert, begann er auf dem Gang vor den Hörsälen, Schlick lauthals anzuklagen: Schlick führe „unsittliche Spielchen“ mit der Studentin auf. Dabei fuchtelte er mit einer Pistole herum: Er werde Schlick erschießen und Selbstmord begehen. Man erstattete Anzeige, Nelböck wurde verhaftet. Die Pistole stammte von Silvia Borowitzka. Sie hatte die Waffe dem Vater entwendet. Beide kamen in die Psychiatrie.
Während der Borowitzka attestiert wurde, „ein nervöses, charakterologisch etwas absonderliches Mädchen“ zu sein, wurde Nelböck als „schizoider Psychopath“ eingestuft, er wanderte in die Anstalt Am Steinhof, wo er mehrere Monate blieb. Seine platonische Freundin dissertierte indes („Über das Angenehme und das Schöne“) und kam in der weiteren Geschichte nicht mehr vor.
Nelböck war ein musterhafter Insasse und verschlang philosophische Wälzer. Er ward entlassen und bereitete sich auf das Lehramt vor. Doch zugleich nahm er die Verfolgung Schlicks wieder auf. Mit ständigen Telefonanrufen quälte er sein Opfer. Schlicks Tätigkeit im sogenannten Wiener Kreis litt darunter. Diesem informellen Zirkel von Mathematikern und Philosophen gehörten Zelebritäten wie Karl Menger und Kurt Gödel an. Auch Ludwig Wittgenstein und Karl Popper standen in engem Kontakt, wenngleich sie nie an den Treffen der Freunde teilnahmen, die Schlick um sich geschart hatte.
Es war ein Albtraum. Kaum war Schlick von einem kalifornischen Gastsemester in Berkeley heimgekehrt sah er, der Freund Einsteins und Wittgensteins, sich von einem Psychopathen „mit homiziden Neigungen“ verfolgt. Nelböck kam wieder in die Psychiatrie. Damit war jede Aussicht auf eine Anstellung in einer Schule zunichtegemacht.
Aber ein verschmähter Liebhaber gibt nicht so leicht auf. In einem engen Kabinett gab er Nachhilfestunden und bereitete sich auf Philosophieprüfungen vor. Und er verfasste Buchrezensionen für die christlichsoziale „Reichspost“. Über Albert Einsteins Buch „Mein Weltbild“ gab er folgendes Urteil ab: Einsteins Grundmangel sei „das Fehlen tieferen Eindringens in die Probleme streng wissenschaftlicher Methodik und Begründung.“
Der Polizeischutz, den Moritz Schlick einige Zeit genoss, war inzwischen wieder aufgehoben. Da es bei wilden Drohungen blieb, konnte (wollte) die Kriminalpolizei nichts tun. Karl Menger erinnerte sich später an ein Gespräch mit dem Verfolgten: „Nie werde ich das klägliche Lächeln vergessen, mit dem Schlick hinzufügte: ,Ich fürchte, dass die Polizei langsam glaubt, ich sei der Verrückte.‘“
Im Frühjahr schien alles irgendwie gut zu werden, Nelböck durfte hoffen, als Lehrer am Volksheim Ottakring aufgenommen zu werden. Einen Kurs über Positivismus sollte er halten. Dann freilich sagte die Volkshochschule ab, weil sie von den Psychiatrieaufenthalten erfahren hatte.
Damit war für Nelböck sonnenklar: Da musste Schlick interveniert haben. Jetzt wollte er Schluss machen. Die Pistole hatte er schon längere Zeit. In einem freundlicheren Moment hatte er die Munition in die Donau geworfen, jetzt kaufte er wieder zehn Patronen. In der Nacht vor dem Mord wäre er unablässig auf und ab gegangen, sagte seine Zimmerwirtin aus.
Wegen Mordes und unerlaubten Waffenbesitzes wurde er zu zehn Jahren Haft verurteilt. Aber nach 18 Monaten kam er wieder frei. Unter merkwürdigen Umständen.
Inzwischen war Österreich nämlich dem Reich Adolf Hitlers einverleibt worden. Und der Reichsjustizminister bekam Post von einem Professor Sauter: Der Mord an Schlick sei aus „politischer und weltanschaulicher Not“ erfolgt. Moritz Schlick sei bekanntermaßen „Exponent des Judentums an der philosophischen Fakultät“ gewesen. Nelböck hingegen „stark von nationalen Motiven und ausgesprochenem Antisemitismus“ erfüllt. Das sei zwar neu, aber unter Schuschnigg habe man darüber nicht sprechen dürfen, daher sei dies auch im Prozess nicht zur Sprache gekommen. Nelböck ging also im November 1938 frei. „Den Strafrest von sieben Jahren, einem Monat und 29 Tagen musste er nicht mehr verbüßen“, rechnet der Mathematiker Karl Sigmund vor.
Ganz trauten aber selbst die Nazi-Behörden dem Mörder nicht. Dieser bat nämlich, aus dem Strafregister getilgt zu werden, weil er ja schließlich „durch die Beseitigung eines jüdische, volksfremde und volksschädliche Lehren verbreitenden Lehrers dem Nationalsozialismus einen Dienst erwiesen“ habe. Dies lehnte die Kanzlei des „Führers“ ab.
Bemerkenswert an dem Sensationsmord bleiben die divergierenden Nachrufe auf Moritz Schlick. Die junge Hilde Spiel schrieb in der „Neuen Freien Presse“: „Nicht oft wird ein Gelehrter so sehr zum menschlichen Vorbild für seine Schüler...“ Ganz anders die Zeitschrift „Schönere Zukunft“, die den christlichsozialen Ständestaat unterstützte: Nelböck sei schließlich nicht als Psychopath auf die Welt gekommen, sondern er sei dazu erst „unter dem Einfluss der radikal niederreißenden Philosophie, wie sie Dr. Schlick vortrug, geworden...“
Der Autor bleibt unbekannt, er verwendete das Pseudonym Professor Austriacus. Und auch er saß dem Irrglauben auf, Schlick sei Jude gewesen: „Auf die philosophischen Lehrstühle der Wiener Universitär im christlich-deutschen Österreich gehören christliche Philosophen! – Hoffentlich beschleunigt der schreckliche Mordfall an der Wiener Universität eine wirklich befriedigende Lösung der Judenfrage!“
Auf den Irrtum aufmerksam gemacht, zog die Zeitschrift in der nächsten Nummer halb zurück: „Wir haben nur behauptet, dass er ein Judenfreund ist, ja, der Abgott der jüdischen Kreise Wiens war.“
Mit Schlicks Tod zerfiel der Wiener Kreis. Dass die Universität in ihrem Jubiläumsjahr dessen gedenkt, gereicht ihr zur hohen Ehre."
Der Fall des Wiener Professors Schlick - eine Mahnung zur Gewissenserforschung
Von Prof. Dr. Austriacus
Am 22. Juni wurde der ordentliche Professor für Philosophie an der Universität Wien, Moritz Schlick, von seinem ehemaligen Schüler Dr. Hans Nelböck auf der Stiege der Universität niedergeschossen. Dieser Vorfall, der in der Geschichte der Universität ohne Gegenstück ist, hat natürlich an der Universität, in der Gesellschaft, in der gesamten Wiener Presse ungeheures Aufsehen erregt. In spaltenlangen Ausführungen brachten die Zeitungen Einzelheiten über den Vorfall und noch mehr über die Person des Attentäters. Der weltberühmte Denker Schlick, so hieß es, ist das bedauernswerte Opfer eines Psychopathen geworden. Aber alles, was bisher über den Fall geschrieben worden ist, bewegt sich im Vorfeld; es kommt nicht an den wahren Sachverhalt, an den wirklichen Motivhintergrund dieses schrecklichen Falles heran. Man muß daher die ganze Aussprache um eine Schicht tiefer verlegen, nämlich in jene Schicht, in welcher sich der große Kampf zwischen Nelböck und Schlick vollzogen hat. Diese Schicht ist der Weltanschauungskampf, der sich in den seelischen Tiefen des jungen und einsamen Dr. Nelböck unter dem Einfluß von Prof. Schlick seit vielen Jahren abgespielt hat. Und was diesem Schuß auf der Feststiege der Wiener Universität einen wahrhaft unheimlichen Charakter verleiht, ist der Umstand, dass der 33jährige Dr. Nelböck nicht etwa ein geborener Psychopath war, sondern dass er es manchen Anzeichen nach erst unter dem Einfluß der radikal niederreißenden Philosophie, wie sie Dr. Schlick seit 1922 an der Wiener Universität vortrug, geworden ist; dass also diese Kugel nicht mit der Logik eines Irrsinnigen nach einem Opfer gesucht hat, sondern vermutlich mit der Logik einer um den Sinn des Lebens betrogenen Seele, und dass schließlich dieser Fall nicht vereinzelt, eben als "psychopathischer" dasteht, sondern "nur" als ein Symptom, als "ein" katastrophenartiger Ausdruck von jener weltanschaulichen Not und Verzweiflung, in welche eine gewisse Universitätsphilosophie die akademische Jugend stürzt. Ich selbst weiß mehrere Fälle, wo junge Studenten unter dem Einfluß der Schlickschen Philosophie an Gott, der Welt und der Menschheit verzweifelt sind. Schlick hat des öfteren zu seinen Schülern gesagt: "Wer noch Weltanschauungssorgen hat, der gehört in die Psychiatrie." Wie furchtbar hat sich nun dieses Wort an ihm erfüllt! Und ebenso hat dieser kühne Leugner von Gott und Seele zu seinen Schülerngesagt: "Wenn einer in 200 Jahren das Wort ,Unsterblichkeit` hört, dann wird er im Lexikon nachschauen müssen, was denn dieses Wort eigentlich bedeutet." Wie schrecklich hat sich nun die in so vielen Vorlesungen geleugnete Seele gerächt und ihrem Leugner gegenüber sich als Realität geoffenbart!
Wir brauchten wohl nicht eigens zu betonen, dass wir den entsetzlichen Mord schlechthin verdammen, dass wir andererseits das tragische Ende von Prof. Schlick, der als Mensch höchst liebenswürdig war, aus tiefster Seele bedauern. Allein es darf uns niemand verübeln, wenn wir von den verhängnisvollen Folgen auf die vermutlichen, bösen Ursachen zurückgehen, um durch ehrliche Aussprache mit allen Gutgesinnten diese aus der Welt zu schaffen, damit sich nicht noch mehrere bedauernswerte Folgen einstellen.
Der Schuß an der Wiener Universität hat einen Vorhang entzweigerissen, der gewisse "Unmöglichkeiten" an der Wiener philosophischen Fakultät dem Außenstehenden und ebenso dem weltanschaulich nicht Interessierten verdeckte. Schlick hatte seit 1922 die einzige Lehrkanzel für systematische Philosophie und Weltanschauung inne. Nun war aber Schlick von Haus aus gar kein Philosoph, sonder nur Physiker. Etwas anderes als Physiker wollte er auch auf dem Lehrstuhl der Philosophie nicht sein, d. h. er bezeichnete es immer als seinen Beruf, die Philosophie in nichts aufzulösen und alles wissenschaftlich Erfaßbare als rein physikalischen Vorgang hinzustellen. So war bei ihm die Psychologie, die Ethik, überhaupt der ganze Mensch lediglich ein Gegenstand der Physik. Man nennt dies den Panphysikalismus. Schlick hat seine Berufung nach Wien letzten Endes der materialistischen Denkweise zu verdanken. Der Materialismus des vorigen Jahrhunderts hat nämlich die Auffassung durchgedrückt, dass die Philosophie, und insbesondere die Metaphysik, keine Wissenschaft sei, sondern dass einzig die Naturwissenschaft exakt sei. Darum hat sich in der Praxis durchgesetzt, dass "ein" Lehrstuhl der Philosophie immer mit einem Physiker zu besetzen sei. In dieser Eigenschaft hat der Physiker Ernst Mach 1895 den Lehrstuhl für Philosophie an der Wiener Universität bekommen und auf eben diesem Lehrstuhl, der nach Mach von Boltzmann und Höfler besetzt war, wurde 1922 Schlick aus Kiel nach Wien berufen. Um ihn scharten sich alsbald alle metaphysikfeindlichen Elemente, insbesondere alle Juden und Freimaurer. Unter Schlicks Führung bildete sich der sog. "Wiener Kreis", der sehr rührig war und der - sehr zum Schaden für den Ruf Österreichs als eines christlichen Staates - im Ausland als die österreichische Philosophie angesehen wird. Schlick bezeichnete seine Philosophie als Neupositivismus oder Logistik, und wollte seine Lehre vom älteren Positivismus, wie ihn Mach vertreten hat, unterscheiden; allein diese Unterschiede betreffen im allgemeinen mehr einen häuslichen Streit. In der Gesamteinstellung ist der ältere und neuere Positivismus von Locke, Hume, Avenarius, Mach und Schlick immer derselbe - er ist der radikale Leugner alles Metaphysischen. Mit aller Offenheit gestand daher vor zwei Jahren ein enger Mitarbeiter von Schlick, Professor Frank in Prag, die "antimetaphysische Bewegung" wird in Europa hauptsächlich von Schlick vorgetragen: der Wiener Kreis sei der "Stoßtrupp der antimetaphysischen Forschung". In der Tat war Schlick nicht damit zufrieden, seine radikal verneinenden Lehren der akademischen Jugend vorzutragen, sondern er hat 1929 mit Hilfe der Freimaurer den Mach-Verein gegründet, der seine Lehre unter die breiten Massen Wiens tragen sollte. Schlick selbst war der Vorsitzende; bekannte Freimaurerführer und der kommunistische Minister aus der Münchner Rätezeit, Otto Neurath, der ein besonderer Freund und Mitarbeiter Schlicks war, bildeten die Vorstandschaft. Dieser Verein brachte außer durch regelmäßige Vorträge auch durch eigene Broschüren seine religions- und metaphysikfeindlichen Lehren unter das Volk. In der 1929 erschienen Programmschrift heißt es in sehr ernster Weise: "In der Wissenschaft gibt es keine Tiefen; überall ist Oberfläche. Alles ist dem Menschen zugänglich und der Mensch ist das Maß aller Dinge. Hier zeigt sich die Verwandtschaft mit den Sophisten, nicht mit den Platonikern; mit den Epikuräern, nicht mit den Pythagoräern: mit allen, die irdisches Wesen und Diesseitigkeit vertreten. Die wissenschaftliche Weltauffassung kennt keine unlösbaren Rätsel." Nach dem Zusammenbruch der sozialdemokratischen Revolte im Februar 1934 wurde der Mach-Verein neben den anderen sozialdemokratischen Vereinen aufgehoben: das Haupt des Mach-Vereines, nämlich Professor Schlick, durfte aber nach wie vor der akademischen Jugend dieselben Lehren, die im Mach-Verein als volks- und kulturzerstörend verboten wurden, weiterhin in Ehren vortragen. Nach Gründung der "Vaterländischen Front" trat Schlick schon bald in diese ein, um sich gegen die von ihm selbst gewärtigte Absetzung zu sichern. Die Programmschrift des Mach-Vereins, die gegen alle Religion und Metaphysik wütet, wurde noch jüngst um einen tief herabgesetzten Preis, nämlich um 80 gr statt 2 S, unter die breiten Massen gebracht.
Übrigens: Ernst Mach war ein in Mähren geborener österreichischer Physiker und Philosoph, der als Erkenntnistheoretiker ein entscheidender Anreger des “Wiener Kreises” war, und obwohl Mach kein Psychologe war, beeinflusste er die Psychologie durch Einzeluntersuchungen und den Nachweis, dass psychologische Faktoren bei wissenschaftlichen Erkenntnissen eine bedeutende Rolle spielen. Er vertrat die Ansicht, die Wissenschaft solle sich auf die Beschreibung von Phänomenen beschränken, die durch die Sinne direkt erfahrbar seien. So finden sich in seinem Werk bereits moderne psychologische Überlegungen, dass z.B. die Beobachtung an sich das Beobachtete verändern kann. Er beschäftigte sich mit Phänomenen wie Raum, Empfindung, Reflex, Wille, Instinkt, Phantasie, optische Täuschung, Hören, Zeitsinn und dem Ich. Mach entwarf auch eine Lehre der Denkökonomie, die besagt, dass wissenschaftliche Sachverhalte auf einfachste Weise und mit dem geringst möglichen Aufwand an Denkvorgängen erfasst werden sollten. Seine wissenschaftliche Methodenlehre bereitete letztlich auch den Weg zur Relativitätstheorie.
Schlicks Hauptthese in den Vorlesungen und in allen seinen Schriften war immer die, dass alle Metaphysik "sinnlos" sei. Nicht etwa, dass sie zweifelhaft oder wissenschaftlich nicht exakt sei, sondern der Standpunkt Schlicks, an dem er nicht rütteln ließ, war der, dass alle Aussagen über Metaphysisches keinen Sinn hätten. Es entspreche ihnen überhaupt kein Objekt, es sei daher ganz "sinnlos", danach auch nur zu fragen. Eine "sinnvolle" Aussage war für Schlick nur jene, die sich am "sinnlich Wahrnehmbaren verifizieren läßt". Dieser logistisch verbrämte Materialismus war Schlicks Grundthese. Und alle Metaphysiker bezeichnete er stets nur als "Phantasten", "Mystiker" oder - mit besonderer Vorliebe - als "philosophische Schriftsteller" bzw. "Schauspieler, die ihren Leuten nur so lange etwas vorgaukeln, bis sie merken, dass sich die Zuschauer davongeschlichen haben und sie vor leeren Bänken sprechen." In diesem Sinne leugnete Schlick radikal die Existenz Gottes, der menschlichen Seele, des Nebenmenschen und der einheitlichen Welt. Selbst die Unterscheidung von Außenwelt und Innenwelt verwarf er schon als "metaphysische" und - darum - "sinnlose" Fragestellung. Über den Nebenmenschen kann man nach Schlick nichts aussagen, weil man sein Inneres nicht sinnlich wahrnehmen kann; deshalb ist der Nebenmensch nur so etwas ähnliches wie ein auf die Kinoleinwand hinprojiziertes Wesen oder wie ein Lichtsignal der Eisenbahn, dessen Farbe auf eine Bedeutung schließen lasse. In der "wissenschaftlichen Weltauffassung" Schlicks war der Mensch nicht etwa ein vernünftiges Wesen aus Leib und Seele, sondern ein "Fleischklumpen mit einem bestimmten Potentialgefälle", ein "Zellhaufen" oder "ein mit Kleidern behangenes Etwas". Selbstverständlich leugnete Schlick auch alle objektiven und göttlich fundierten Sittengebote. Auch in der Sphäre der Sittlichkeit war ihm alles streng kausal determiniert; die Ethik war ihm ja nur ein Teil der Physik. Sittliche Gebote oder Werte? - Ja, sagte darauf Schlick wörtlich, wenn wir sie "tasten und fühlen können, wie Kamelhöcker", dann glaube ich daran, aber anders nicht!! Aber selbst wenn es solche sittliche Gebote und Werte gäbe: "Was geht das uns an?", ruft er ein anderes Mal frivol aus.
Schlick hat seit einigen Jahren eine Zeitschrift herausgegeben mit dem Titel "Erkenntnis". Er selbst schrieb dort im 1. Heft die programmatische Einleitung unter dem Titel: "Die Wende in der Philosophie" und führt da aus, dass durch ihn die die große "Wende in der Philosophie" eingetreten sei, nämlich durch seine Entdeckung, dass alle Metaphysiker seit Pythagoras und Platon und Aristoteles bis herauf in unsere Tage ihr ganzes Leben an völlig "sinnlose" Fragen gesetzt hätten - ohne es zu merken. Die jungen Studenten mußten aus Schlicks Vorlesung den Eindruck gewinnen, dass alle Metaphysik wissenschaftlich unmöglich sei - was ja Schlick erreichen wollte.
Die klassische Philosophie hat es von jeher als ihre wichtigste Aufgabe betrachtet, eine einheitliche und wissenschaftliche Weltanschauung zu begründen. Anders Schlick! Er sagte es der akademischen Jugend offen ins Gesicht, dass sie weiter nichts sei als eine - "Spielerei". Die Philosophie sei nichts anderes als ein "Kreuzworträtsel", wo immer neue Wortverbindungen gesucht und gebildet werden, und die Philosophie habe nur die Aufgabe, die "Spielregeln" aufzustellen. Kein Wunder, dass eine solche Banalisierung der höchsten Geisteswissenschaft in den Seelen der jungen Studenten hellste Empörung auslöste! Desgleichen lehrte Schlick seine Studenten, dass der Zweck des Lebens nichts anderes sei, als zu genießen, sich zu freuen und möglichst viel Lust einzuheimsen. Die sinnliche Lust im Sinne Epikurs, wie er immer ausdrücklich hinzusetzte, war sein ethischer Zentralbegriff. Begriffe wie "Gebot", "Pflicht", angeborene Sittenerkenntnis waren ihm ein Greuel. Wie viele Studenten sind durch Schlick in große Seelennot gekommen! Offenkundig wurde auch Dr. Nelböck immer aufs höchste erregt und verwirrt, wenn Schlick seine nihilistischen Lehren vortrug, freilich dann seine Getreuen immer ermahnte: "Aber, seien Sie vorsichtig!"
Wie in der Lebensphilosophie, so vertrat Schlick auch in der Naturphilosophie rein negativistische und betont atheistische Lehren. So hielt er unentwegt an dem Grundgedanken fest, dass zwischen Totem und Lebendigem, zwischen Anorganischem und Organischem "kein prinzipieller Unterschied" bestehe. Das Lebende sei aus dem Toten "entstanden". Lieber nahm also Schlick, der sich sonst auf die Logik so viel zu gute tat, eine "contradictio in adjecto" in Kauf - eine solche ist nämlich die vorausgehende Definition -, ehe er dem Metaphysischen in der Welt auch nur ein Fünkchen Recht zugestand. Desgleichen baute er seine Polemik gegen den "Zweck" in der Natur, der ja allezeit von den Philosophen als ein starker Hinweis auf das Metaphysische angesehen wurde, auf einer plumpen "petitio principii" auf. Er sagte nämlich: Zweck ist "vorgestellter Enderfolg unseres Handelns", und setzt ein vorstellendes Bewußtsein voraus; "vor" dem Menschen und der Natur gab es aber kein solches (!), also ist der Zweck "von vornherein aus der Natur zu verbannen". Die tatsächlich vorhandene Zweckmäßigkeit, und mit ihr auch das Leben, die Bewegung, die Ordnung usw. erklärte Schlick immer noch durch "Zufall" und mit Hilfe des materialistischen Darwinismus; beide machen "plausibel", wie eine "vorhandene (!) Zweckmäßigkeit sich allein durch rein zufällige Veränderungen vervollkommen kann".
Nach dieser kurzen Darstellung der Schlickschen Lehre, die er seit 1922 als Inhaber der einzigen Wiener Universitäts-Lehrkanzel für systematische Philosophie vortrug, kann man wohl nachempfinden, was in den Seelen unserer akademischen Jugend, die in den Mittelschulen in der christlichen Weltanschauung erzogen worden ist, vorging, wenn sie hier vom hohen Katheder herab die pure Negation alles dessen vernahm, was ihr bisher heilig war. Die höhere Seelenkunde hat nachgewiesen, dass die moderne Zerrüttung der Nerven zum großen Teil auf die Zerrüttung in der Weltanschauung zurückgeht. Vollends von den Akademikern muß jeder, wenn er nicht die Anlage und das Geld zu einem Epikuräer hat, unter dem Einfluß solch destruktiver Lehren zerrüttet werden, wenn es ihm mit seiner Weltanschauung auch nur halbwegs ernst ist.
Der Fall Schlick ist eine Art Gegenstück zum Fall Berliner von der "Phönix"-Versicherung. Wie dort verhängnisvoller Einfluß des Judentums auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet ans Tageslicht gekommen ist, so kommt hier der unheilvolle geistige Einfluß des Judentums an den Tag. Es ist bekannt, dass Schlick, der einen Juden (Waismann) und zwei Jüdinnen als Assistenten hatte, der Abgott der jüdischen Kreise Wiens war. Jetzt werden die jüdischen Kreise Wiens nicht müde, ihn als den bedeutendsten Denker zu feiern. Wir verstehen das sehr wohl. Denn der Jude ist der geborene Ametaphysiker, er liebt in der Philosophie den Logizismus, den Mathematizismus, den Formalismus und Positivismus, also lauter Eigenschaften, die Schlick in höchstem Maße in sich vereinigte. Wir möchten aber doch daran erinnern, dass wir Christen in einem christlich-deutschen Staate leben, und dass wir zu bestimmen haben, welche Philosophie gut und passend ist. Die Juden sollen in ihrem Kulturinstitut ihren jüdischen Philosophen haben! Aber auf die philosophischen Lehrstühle der Wiener Universität im christlich-deutschen Österreich gehören christliche Philosophen! Man hat in letzter Zeit wiederholt erklärt, dass die friedliche Regelung der Judenfrage in Österreich im Interesse der Juden selbst gelegen sei, da sonst eine gewaltsame Lösung derselben unvermeidlich sei. Hoffentlich beschleunigt der schreckliche Mordfall an der Wiener Universität eine wirklich befriedigende Lösung der Judenfrage!
Quelle: Schönere Zukunft zugleich Ausgabe von Das Neue Reich, Wien, XI. Jahrg., 12. 7./9. 8. 1936, Nr. 41, S. 1-2.
Etwa zeitgleich mit dem "Wiener Kreis" entstand das Frankfurter Institut für Sozialforschung mit Adorno, Fromm und Marcuse als Hauptvertretern der "Frankfurter Schule", die sich gegen eine wissenschaftstheoretische Unterordnung der Sozialwissenschaften unter die Naturwissenschaften aussprachen. Durch den 2.Weltkrieg fand die längst fällige Diskussion um die Frage nach der (richtigen) Logik der Sozialwissenschaften zwischen den Vertretern der Frankfurter Schule und den Neopositivisten verspätet erst Anfang der 60er Jahre (als sog. Positivismusstreit) statt. Da erkenntnistheoretische Fragestellungen wie u.a. die Abgrenzbarkeit wissenschaftlicher von alltäglichen Erkenntnissen oder die Rolle des Subjekts im Erkenntnisprozess in das Feld der Psychologie hineinragen, ist die Einengung der Wissenschaftstheorie auf die Prüfungsmethodologie und die rein sprachliche und logische Ebene fragwürdig
Quellen:
Die Presse vom 22.11.1997 und vom 23. 5. 2015
Vertriebene Vernunft. Der Fall Moritz Schlick.
WWW: http://zeit1.uibk.ac.at/quellen/stadler3.htm (03-02-09)
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