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Die Erziehungswissenschaft ist eine relativ junge wissenschaftliche Disziplin. Historisch betrachtet taucht der Begriff Erziehungswissenschaft zu Beginn des letzten Jahrhunderts erstmals auf, kann sich aber erst in den 60er Jahren als gleichberechtigte Wissenschaft im Rahmen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachgebiete an den Universitäten mit einem deutlich ausgeprägten eigenständigen Theorie- und Forschungsprofil etablieren. Die Ursprünge der können allerdings einhundert Jahre früher datiert werden, und zwar unter dem Begriff Pädagogik. Gegen die traditionelle Pädagogik argumentierend, der vorgeworfen wurde, die Wirklichkeit eher vorurteilsverhaftet zu interpretieren, verband sich mit der Durchsetzung des Begriffs Erziehungswissenschaft die programmatische Idee, die Erziehungswirklichkeit mit präzisen, zumeist empirisch-analytischen Methoden untersuchen zu wollen, um die Resultate für die pädagogische Praxis bereitzustellen vgl. (Lenzen, S. 14). Im alltäglichen Sprachgebrauch wird in der Regel auch heute noch zwischen Erziehungwissenschaft und Pädagogik unterschieden, mit erster werden Begriffe wie Theorie, Forschung, Plausibilität und Genauigkeit, Abstraktheit assoziiert, mit Pädagogik eher Praxis, erzieherisches Handeln und Engagement. Diese Unterscheidung wird allerdings nicht von allen geteilt.

Erziehungswissenschaftliche Teildisziplinen

"Erziehung: ein System von Mitteln,
um die Ausnahme zu Gunsten der Regel zu ruinieren."
F. Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 1887-1889

 

Täglich erfahren Menschen in Familie, Kindergarten, Schule und Betrieb "Erziehung", "Unterricht" und "Ausbildung".

 

Beim Aufwachsen von Menschen unterscheidet man zwischen dem natürlichen Entwicklungsprozeß und dem Aufbau der Persönlichkeit. Der natürliche Entwicklungsprozeß erfolgt gleichsam automatisch und ist durch Erziehung schwer beeinflußbar, lediglich durch (fehlende) Maßnahmen der Pflege können hier hemmende oder fördernde Eingriffe erfolgen. Der Aufbau der Persönlichkeit ist hingegen ohne Erziehung nicht möglich: Er erfordert Kenntnisse, Fertigkeiten, Bindung an Werte, und das alles muß in einem Prozeß der Fremderziehung und der Selbsterziehung gelernt werden. Ziel dieses Prozesses ist die reife Persönlichkeit. Aufwachsen im bloß natürlichen Entwicklungsprozess führt zu einem "Naturmenschen" im Rousseau'schen Sinne, dessen Handeln eher von Egoismus, Affekten und Leidenschaften geprägt ist. Persönlichkeitsaufbau zielt hingegen auf den Kulturmenschen, der einerseits geprägt ist durch Geist (z.B. Wissen, Kulturtechniken, Kompetenzen im weitesten Sinn) und Charakter (Formen, Sitten, Prinzipien, Recht).

Erziehungswissenschaft im engeren Sinne

bedeutet die "wissenschaftliche Beschäftigung mit allen Bereichen von Erziehung".

Erziehungswissenschaft(en) i. w. S.

ist heute eine Sammelbezeichnung für jene Disziplinen, die sich in theoretisch und praktisch sowie unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden mit Fragen der Erziehung und Ausbildung beschäftigen.

Es gibt verschiedene Versuche zur Gliederung von Erziehungswissenschaft (i. w. S.).

Überblick und Systematisierung der Erziehungswissenschaften

Überblick und Systematisierung der Erziehungswissenschaften

Einteilung der Erziehungswissenschaft

  1. Erziehungswissenschaft i. w. S. = Realwissenschaft innerhalb der Sozialwissenschaften:
    1. Theoretische Erziehungswissenschaft (=Erziehungswissenschaft i. e. S.)
    2. Historiographie der Erziehung (Geschichte der Pädagogik)
  2. Philosophie der Erziehung= Kontrolliertes Nachdenken, Reflektieren von Erziehungsgeschehen
  3. Praktische Pädagogik= Gesamtheit aus handlungsleitenden normativen Theorien der Erziehung

Einteilung der Pädagogik nach methodischen Richtungen

(H. BLANKERTZ)

Kerndisziplinen

 

Allgemeine Pädagogik

Gegenstand:

Untersuchung von Grundfragen der Erziehung i. e. S. sowie Entwicklung und Begründung möglichst allgemein gültiger theoretischer (Denk-)Modelle von erzieherischem Handeln und/oder von Ausbildungsmaßnahmen.

"Pädagogik" wird in der Literatur oft gleichgesetzt mit "Erziehungswissenschaft" bzw. "Didaktik"!

Hauptprobleme (Beispiele):

Richtungen der Allgemeinen Pädagogik

Philosophisch-normative Pädagogik

Erziehungs- und Bildungslehren ("praktische Pädagogik") (z. B. G. W. HERBART, G. SCHLEIERMACHER, W. DILTHEY)

Ziele: Theoretische Sinnbestimmung von Erziehung mit Betonung von pädagogischen Ziel- und Wertvorstellungen, Überbrückung der Kluft zwischen Theorie und Praxis der Erziehung (wobei die Praxis vor der Theorie betont wird), Entwicklung und Begründung praktikabler Ziel- und Methodenvorschläge (präskriptiver,normativer Aussagen) für Erziehung bzw. Ausbildung in bestimmten Bereichen (z. B. Meister-, Handwerks-, Kunstlehren).

Hauptprobleme (Beispiele):

Hermeneutisch-pragmatische Pädagogik (z. B. W. NOHL, G. SPRANGER, Th. LITT)

Ziele: Bestimmung von allgemeineren Leitzielen und Erziehungsnormen unter (hermeneutischer) Abstraktion vom Alltagsleben mit Betonung der Theorie vor der Praxis.

Empirische Pädagogik

Ziele: An "Erziehungswirklichkeit" orientierte Entwicklung von theoretischen Grundlagen für pädagogisches Handeln, Überprüfung von Theorien und Praktiken mittels analytischer und empirischer Methoden gemäß wissenschaftstheoretischer Kriterien

Stufenpädagogik

Gegenstand:

Theoretische Erarbeitung und praktische Anwendung von Vorschlägen zur Erziehung auf bestimmten Alters- bzw. Entwicklungsstufen, z. B. Kinder (z. B. Vorschulpädagogik) - Jugendliche (z. B. Schulpädagogik) - Erwachsene (Erwachsenenbildung = Andragogik)

Hauptprobleme (Beispiele):

Allgemeine Didaktik

Gegenstand:

Wissenschaftliche Entwicklung und Begründung theoretischer Modelle zur Analyse, Planung, Durchführung bzw. Evaluation von Lehren und Lernen in allen Formen und auf allen Stufen (z. B. Schulunterricht, Erwachsenenbildung).

Hauptprobleme (Beispiele):

Theoretische Richtungen und Ansätze (Modelle) der Allgemeinen Didaktik (z. B. BLANKERTZ)

Normative Didaktik

Ziele: Feststellung von Zielen und deren Umsetzung in konkrete Handlungsempfehlungen und Inhaltsangaben für die Unterrichtsgestaltung

Bildungstheoretische Didaktik

Empirisch orientierte Didaktik

Ziele: Entwicklung empirisch gestützter (anhand von Unterrichtsforschung) Handlungsempfehlungen für praktikables Lehrverhalten (Methoden)

Anmerkung: Die Einteilung der "Didaktik" weist starke Ähnlichkeit mit "Pädagogik" auf, Der auptgrund dafür liegt darin, dass beide Bereiche über weite historische Strecken begrifflich nur wenig voneinander unterschieden und gemeinsam entwickelt wurden.

Dies zeigt sich speziell am Beispiel der verschiedenen Bestimmungen von "Wirtschaftspädagogik" (mit Betonung der grundlegenden, berufsbezogenen oder allgemeinen Wirtschaftserziehung; vgl. ROMBACH 1971) und "Wirtschaftsdidaktik" (mit Betonung des kaufmännisch-berufsbezogenen Unterrichts; vgl. CZYCHOLL; REETZ)

Beispiel: Bereiche didaktischen Denkens und Handelns - Berliner Modell der Didaktik von HEIMANN/SCHULZ

Fachdidaktiken

Gegenstand:

Analyse, Planung, Durchführung und Evaluation des Unterrichts in bestimmten Ziel-/ Inhaltsbereichen (Fächern, Gegenständen)

Hauptprobleme (Beispiele):

Stufendidaktiken

Gegenstand:

Entwicklung von Theorien über Ausbildungsmaßnahmen für Personen bestimmter Alters- bzw. Entwicklungsstufen (z. B. Erwachsene, Jugendliche, Kinder).

Hauptprobleme (Beispiele):

Mediendidaktik und Medienpädagogik

Gegenstand:

Analyse, Planung, Durchführung und Evaluation von Unterricht mit technischen Medien unter Betonung

Hauptprobleme (Beispiele):

 

 

Hilfsdisziplinen

(1) Pädagogische Psychologie

Gegenstand:

Wechselwirkungen zwischen pädagogischen bzw. didaktischen Maßnahmen und psychischen Prozessen.

Hauptprobleme (Beispiele):

(2) Sozialpsychologie

Gegenstand:

Wechselwirkungen zwischen bestimmten Veränderungen sozialer (struktureller) Beziehungen und bestimmten individuellen psychischen Voraussetzungen, Zuständen bzw. Prozessen.

Hauptprobleme (Beispiele):

(3) Pädagogische Soziologie

Gegenstand:

Wechselwirkungen zwischen sozialen Strukturen (z. B. Normen, Beziehungen) sowie Rollen und Funktionen des Einzelnen mit Veränderungen sozialer Strukturen in Erziehung und Unterricht.

Hauptprobleme (Beispiele):

(4) Philosophie

Gegenstand:

Kontrollierte Entwicklung und Begründung von Normen, Werten sowie Zielen, die für Erziehung und Unterricht bedeutsam sind

(z.B. Erziehungs-, Moral-, Geschichts-, Sozial-, Sprachphilosophie, Ethik).

Hauptprobleme (Beispiele):

(5) Formalwissenschaften

Gegenstand:

Systematische Untersuchung erziehungswissenschaftlich relevanter Prozesse mit formalen sowie quantitativen Theorien, Mitteln und Techniken (z. B. Bildungsinformatik).

Hauptprobleme (Beispiele):

Literaturauswahl zu "Grundzüge der Erziehungswissenschaft"

  

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