Die
Schulmeister sollen für allen Dingen ein stilles und eingezogenes Leben
führen, und der Jugend allenthalben mit gutem Exempel fürgehen.
Gothaischen Schulmethodus von 1642
Anfänge der Pädagogik - Bedeutende Personen *)
Keller, Josef A., Novak, Felix (1993). Kleines Pädagogisches Wörterbuch. Grundbegriffe – Praxisorientierungen – Reformideen. Freiburg: Herder.
Scheuerl, Hans (1991). Klassiker der Pädagogik. Erster Band von Erasmus von Rotterdam bis Herbert Spencer. München: C. H. Beck.
Hurrelmann, Klaus & Settertobulte, Wolfgang (2004). Die Schule als Chance oder als Bedrohung?
WWW: http://www.docs4you.at/Content.Node/
Spezialbereiche/Jugendmedizin/
schule_als_bedrohung.php (09-02-01)
Mit der "Didactica Magna", der "Großen Didaktik", lieferte Comenius das theoretische Fundament dazu und begründete die Didaktik als Lehrkunst mit dem Anspruch, alle Kinder alles in vollständiger Weise zu lehren, was denn auch als Leitspruch unter der Formel „Omnes omnia omninum“ bekannt wurde. In dem Buch werden grundsätzliche Prinzipien der Didaktik hergeleitet und vorgestellt und deren Umsetzung in die Praxis thematisiert. Nach einer theologischen Rechtfertigung befassen sich mehrere Kapitel mit bisherigen Fehlern im Schulwesen und bieten erste Reformansätze. Diese werden mittels der Statuierung von Grundsätzen und deren Bedeutung in den folgenden Kapiteln ausführlich erläutert und mit der Darstellung spezifischer Methoden für die einzelnen Gebiete in den weitergeführt wird. Deutlich abgehoben davon folgen fünf Kapitel über die "Abstufung der Schule nach Alter und Fortschritt".
Vor allem durch seine Schriften „Didactica magna“, „Orbis sensualium pictus“ und „Informatorium der Mutterschul“ galt er als pädagogischer Reformer.Eine umfassende Rezension des Buches findet sich unter diesem Link Comenius Didaktik
Seine Pädagogik baut auf eine christlich-humanistische Lebensgestaltung auf, wobei er frühe Erziehung und Bildung betont. Eines seiner Erziehungsziele verfolgt, allen, alles zu lehren. Es kann mit den drei Begriffen „omnes, omnia, omnino“ zusammengefasst und charakterisiert werden. „Omnes“ bedeutet, dass alle Menschen, egal welcher Herkunft, sozialen Standes und Geschlechtes, ohne Unterschied die gleiche Förderung brauchen. Selbst diejenigen, die von Natur aus nicht so klug sind, sollen dieselbe Bildung erhalten. Lernen sollten sie alles, „omnia“. Das heißt aber nicht, dass es sich um Stoffanhäufungen und „Vielwisserei“ handelt, vielmehr sollten wichtigste Tatsachen und Ereignisse gelehrt werden. Comenius fasst sie unter „fundamentae“, „rationes“ und „metae“ – Grundlagen, Ursachen und Zwecke – zusammen. „Omnino“ bezieht sich auf die methodischen Regeln seiner Didaktik. Dabei ist von Bedeutung, dass alles „allseitig“ mit Blick aufs Wesentliche, ganzheitlich, von Grund auf und spontan gelernt werden soll.
Ein weiterer Aspekt, der in Richtung Ganzheit führt, ist Comenius’ Betonung der Sinneswahrnehmung und des Lernens durch Tätigkeit und Tun. Insbesondere ist ihm wichtig, dass zum Lernprozess neben kognitiven Fähigkeiten auch Sinneswahrnehmungen und praktisches Handeln gehören.
John Locke (1632 – 1704) war am Oxford College tätig und unterrichtete Griechisch, Rhetorik, Moralphilosophie und Medizin. Er verfasste einige Schriften, in denen er seine Erziehungsauffassungen näher charakterisierte. Besondere Bedeutung legte er auf eine angenehme Lernatmosphäre. So ging er davon aus, dass Kinder von sich aus neugierig sind und spielen wollen. Diese Aktivität soll nicht getrübt, sondern eher gefördert werden. Deshalb ist es wichtig, dass Kinder nicht mit Disziplinierungsmaßnahmen wie Peitschen- und Stockhiebe zum Lernen gezwungen werden, sondern, dass durch Vergnügen, Erfolgserfahrung und positiver Einstellung die Lernmotivation gefördert wird. Den Emotionen wird also eine große Bedeutung im Lernprozess zugesprochen. Sie beeinflussen wesentlich den Erfolg in Lernprozessen.
Weiters führt, seiner Meinung nach, nur die Erfahrung als einziger Weg zu „wisdom“. Direkte Erziehungsmaßnahmen stellte er hinter das Handeln des Lernenden selbst (vgl. Scheuerl 1991, S. 104 ff.).
Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778) beeinflusste mit seinen Werken, „Emile oder Über die Erziehung“, „Gesellschaftsvertrag“ und „Bekenntnisse“ die Pädagogik der Aufklärung. In seinem Erziehungsroman „Emile“ spricht er verschiedene Grundgedanken der Pädagogik an. So bevorzugt er zum Beispiel in der Erziehung Freiheit anstelle von Autorität. Das Lernen erfolgt durch Erfahrung und Selbsttätigkeit, nicht durch das Lesen von Büchern allein. Aufgabe der Erziehung ist es, das Natürliche im Menschen zu erhalten und Freiheit zu gewähren, damit diese entfaltet werden können. Einen Schwerpunkt legt er auf die Sinne und Organe. Das zeigt sich auch darin, dass er im Erziehungsroman ein extra Kapitel für „Übung der Organe und Sinne“ schreibt.
Johann Heinrich Pestalozzi (1746 – 1827) führt in seinen Schriften pädagogische Überlegungen zur Menschenbildung an. Sie soll den ganzen Menschen, seinen Kopf, sein Herz und seine Hand erfassen und richtet sich daher auf die Bildung des Geistes und Wissens, auf die Bildung des Könnens und der Fertigkeit, sowie der Bildung des Gemüts. Seiner Meinung nach kann durch Worte alleine nur wenig gelehrt werden. Die Kinder müssen selber ausprobieren, hören, finden, irren, fallen und aufstehen.
Weitere Ansätze stammen aus der Arbeitsschulbewegung, wo Ganzheitlichkeit als Ergänzung zu verschiedenen Lernprozessen gesehen wird, dabei sollte geistige Tätigkeit mit manueller kombiniert werden. Denn nach Kerschensteiner werden durch manuelle Arbeit nicht nur körperliche Funktionen sondern auch geistige geschult.
Quellen:Schule war für uns Zwang, Öde, Langeweile,
eine Stätte, in der man die "Wissenschaft des nicht Wissenswerte"‘ in
genau abgeteilten Portionen sich einzuverleiben hatte. (...) Ihre wahre
Mission im Sinne der Zeit war nicht so sehr, uns vorwärtszubringen als
uns zurückzuhalten, nicht uns innerlich auszuformen, sondern dem
geordneten Gefüge möglichst widerstandslos einzupassen, nicht unsere
Energie zu steigern, sondern sie zu disziplinieren und zu nivellieren.
Stefan Zweig: Die Welt von Gestern (1944).
Reformpädagogik
"Kognitive Lernprozesse sind zwar durch eine Verbesserung des intellektuellen Trainings von Schülerinnen und Schülern beeinflussbar, eine durchgreifende Verbesserung ist aber nur möglich, wenn die gesellschaftliche und soziale Einbettung von schulischen Lernprozessen und ihre psychologische und physiologische Fundierung vollzogen werden. In der Reformpädagogik der 1920er Jahre wurde diese Erkenntnis in der Formel zusammengefasst, dass intellektuelles und soziales Lernen eine Einheit bilden müssen. Diese Erkenntnis ist heute besonders wichtig, weil aus dem gesellschaftlichen Raum ebenso wie aus der physischen Umwelt von Schülerinnen und Schülern viele Störimpulse kommen, die einem ungehinderten fachlichen Lernen entgegen stehen. Werden diese Störimpulse nicht berücksichtigt, ist keine durchgreifende Verbesserung der Leistungserfolge der Schülerinnen und Schüler möglich (Hurrelmann & Settertobulte, 2004).
Maria Montessori (1870–1952) beschäftigte sich nach einem naturwissenschaftlichem Studium und dem Medizinstudium mit der Sondererziehung von geistesschwachen Kindern. 1907 hatte Maria Montessori in einem Arbeiterviertel von Rom ein erstes Kinderhaus ins Leben gerufen. Aus ihren Beobachtungen entwickelte sie ihre neuen Unterrichtsformen und didaktische Arbeitsmaterialien, die dem kindlichen Forschungs- und Entwicklungsdrang Raum gaben und selbstbestimmtes Lernen ermöglichten. Später erprobte und entwickelte sie ihr Konzept auch an normal entwickelten Kindern weiter. Sie schuf damit eine pädagogische Praxis, die von der Achtung der Person und ihrer Selbstbestimmung und vom Bewusstsein der Verantwortung für die Welt bestimmt war. Auf ihre Initiative hin sind darauf hin zahlreiche Kindergärten und Schulen gegründet worden, die aus ihren Erkenntnissen praktische Konsequenzen gezogen haben. Die Montessorimethode konzentriert sich als Pädagogik auf die Bedürfnisse, Talente und Begabungen des einzelnen Kindes. Montessori-Pädagogen sind der Meinung, dass Kinder am besten in ihrem eigenen Rhythmus und in ihrer eigenen Art lernen. Kinder werden dazu ermutigt, das Tempo, das Thema und die Wiederholung der Lektionen selbstständig zu steuern. Zu ihren Grundideen zählt, dass das Kind nicht erzogen oder unterrichtet werden soll, sondern, dass ihm geholfen werden soll, seine Persönlichkeit zu entwickeln, seine Bedürfnisse zu fühlen, die Sinne einzusetzen, sich zu bewegen und zu lieben. Die Entwicklung des Kindes erfolgt nach einem inneren Bauplan, der nicht zerstört werden soll. Jedes Kind hat einen "absorbierenden Geist", mit dem Umwelteindrücke aufgenommen werden und im Unbewussten gespeichert werden können. Mit diesem „absorbierenden Geist“ durchlebt das Kind verschiedene Phasen besonderer Lernbereitschaft. Hierbei ist es vor allem wichtig, die kindliche Freiheit zu beachten und zu gewähren. Die Materialien und Gegenstände sollen vom Kind frei gewählt werden. Weiters soll sich das Kind in der Gemeinschaft frei bewegen können und die Zeit für die Dauer der Konzentration selber bestimmen können. Sie fordert, dass sich die Kinder als lebendige Geist-Körper-Seele-Einheit verwirklichen können. Nach Montessori stellt die Freude am Lernen einen Kernbestandteil des Wesens eines jeden Kindes dar. Mit Respekt und Achtung unterstützt und angeleitet, führt sie zu einer Entwicklung einer in sich ruhenden und ausgeglichenen Persönlichkeit. Der wichtigste Lehrer ist das andere Kind, dann kommen die Eltern als Vorbilder und erst an dritter Stelle die Lehrer.
Wer lernen will, muss immer schon etwas können: "Man kann nur etwas lernen, von dem man schon etwas weiß", sagte Maria Montessori. Die moderne Hirnforschung bestätigt diesen Zusammenhang, denn das menschliche Gehirn kommt mit einem ungeheuren Schatz an Vorwissen auf die Welt. Dieses in der Architektur des Gehirns angelegte, von der Evolution mitgegebene Wissen wird vorgeburtlich und während der Lebenszeit ergänzt und genutzt, um die Welt wahrzunehmen. Wahrnehmen ist, so gesehen, das Bestätigen vorformulierter Hypothesen. Das Lernen bei Säuglingen hat nach dieser Auffassung viel mit wissenschaftlichem Forschen gemein: Zwischen neuen Wahrnehmungen und bisherigem Wissen kommen Diskrepanzen auf, was zu Unsicherheit führt. Es entstehen Fragen, die die Neugier weitertreibt. Hypothesen werden gebildet und ihnen gemäß wird experimentiert. Andere und sich selbst beobachtend versuchen Kinder sich einem Ziel zu nähern, sie ahmen nach, sie probieren eine Sache immer wieder. Dabei entsteht, was Konrad Lorenz "Funktionslust" nannte. Da die lernenden Kinder das Neue immer in ihre schon vorhandenen Wahrnehmungs- und Kompetenzstrukturen einpassen müssen, ist die Nachahmung immer auch eine Art von Selbstversuch.
Steiner sprach zu Hermann Hesse:
„Nenn mir sieben Alpenpässe!“
Darauf sagte Hesse: „Steiner,
sag mal, reicht denn nicht auch einer?“
Robert Gernhardt
Ebenso wie Maria Montessori beschäftigte sich auch der Philosoph Rudolf Steiner (1861 – 1925) mit Fragen der Pädagogik. 1919 gründete er die erste Waldorfschule, die auf dem Prinzip der Anthroposophie basiert. Unter Anthroposophie ist eine ganzheitliche Deutung des Kosmos, der Menschheit und der Menschheitsentwicklung zu verstehen. Durch die Sinneswissenschaft (Naturwissenschaft) wird der Körper eines Menschen erfasst, während sich die Anthroposophie den seelischen und geistigen Wesenskräften des Menschen zuwendet. Die Grundideen stützen sich auf die Entwicklung des Willens durch Tätigkeit und Bewegung. Die Freiheit des Geistes soll durch Stärkung der Phantasie und Verantwortung erreicht werden. Ziel ist es, die Kinder auf ihrem Weg zu selbstbewusst handelnden, mündigen Menschen zu unterstützen.
Bewegung, Sprache und Arbeit erachtet Steiner als besonders notwendig, weil sie Äußerungen des Menschen sind. Unter anderem will er dies mit dem gezielten Einsatz von Musik erreichen, wie dies in seinem Lehrplan im Fach Eurythmie der Fall ist, bei dem „Musik, Takt, Sprache, Gefühle, das innere Wesen des Kindes durch die Bewegung sichtbar“ werden lassen sollen (Keller & Novak 1993, S. 365).
Ausgangspunkt der 1919 in Stuttgart vollzogenen Schulgründung war eine Bitte Emil Molts, Direktor der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik,
an Rudolf Steiner, eine Schule für die Kinder der bei ihm beschäftigten
Arbeiter pädagogisch zu betreuen. Steiner übernahm darauf die
Ausbildung und Beratung des Lehrerkollegiums, wobei die Astoria-Betriebsschule
für alle späteren Waldorfschulen zum Modell wurde, die von Anfang an
koedukativ war und schulgeschichtlich die erste Einheits- bzw.
Gesamtschule Deutschlands darstellte. Der Name Waldorfschule leitet sich daher von dieser Zigarettenfabrik ab.
Übrigens boomen in Kalifornien, vor allem im Silicon Valley, die Waldorfschulen, denn diese Schulform gilt in der Heimat der digitalen Revolution als richtungweisender Schritt in eine gelingende Zukunft. In der Waldorfpädagogik in den USA ist alles, was auch nur nach IT aussieht, bis in die Oberstufe verboten. Da etwa 75 Prozent der Eltern in der IT-Branche tätig sind, sind offenbar auch die IT-affinen Eltern zur Überzeugung gelangt, dass ihre Kinder mit Smartphones, Tablets & Co. die Welt nicht so gut wortwörtlich begreifen, wie durch eine auf alle Sinne fokussierte Pädagogik.
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