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Situativer Interessen Test (SIT) - Das Modell

Der SIT als differentieller Test zur Bestimmung von Interessen etwa ab dem 10. Lebensjahr beruht auf dem Modell von John L. Holland (1970, 1973), nach welchem es in unserem Kulturkreis sechs grundlegende Persönlichkeitsorientierungen (in Klammern die englischen Bezeichnungen nach Holland 1973): "realistische" (realistic), "intellektuelle" (investigative), "künstlerische" (artistic), "soziale" (social), "unternehmerische" (enterprising) und "konventionelle" (conventional) Interessen. Nach seiner Auffassung stellen berufliche Interessen einen wichtigen Bereich bzw. eine Ausdrucksform der Persönlichkeit dar, sodass Interessensinventare daher im weitesten Sinn auch als Persönlichkeitsinventare anzusehen sind.

Theoretische Grundlagen

Berufsinteressen bestimmen häufig, welche Berufe ergriffen und welche Arbeitsplätze bevorzugt werden. Seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden zunehmend Berufswahltheorien entwickelt, die auf Interessen beruhen und dabei annehmen, dass Interessen eine bedeutende Orientierungsfunktion insbesondere in der Berufswahl von Jugendlichen einnehmen. Daher spielen in den meisten psychologischen Berufswahltheorien Interessen eine große Rolle, wobei diese im Person-Umwelt-Modell von John L. Holland einen besonderen Stellenwert besitzen. Jeder Mensch kann durch ein charakteristisches Repertoire von Einstellungen und Verhaltensweisen beschrieben werden. In gleichem Maß wird jede Umwelt durch die darin tätigen Personen sowie durch die gegebenen Aufgabenstellungen und Möglichkeiten geprägt. Für die Zuordnung von Personen zu Berufen hat Holland eine große Zahl von Berufen in einer World-of-work-Map zusammengestellt. Eine optimale Passung zwischen Person und Berufsprofil führt zu hoher beruflicher Zufriedenheit und langer Verweildauer im gewählten Beruf.

Dieser Kerngedanke der Matching- bzw. Trait-and-Factor-Theorien lassen sich auf Frank Parsons (1909) zurückführen, der - geprägt durch die amerikanisch-liberale Auffassung, der einzelne Mensch solle zu seiner höchsten Glückseligkeit finden - davon ausgeht, dass jede Person berufsrelevante psychische Charakteristika (Interessen, Werte, Fähigkeiten, Kenntnisse u.a.) besitzt, dass sich jeder Beruf durch ein spezifisches Merkmals- bzw. Anforderungsprofil auszeichnet, und schließlich die Person-Umwelt-Passung ein guter Prädiktor für Berufszufriedenheit und Verweildauer in einem Beruf ist. Dieses arbeitsweltzentrierten Passungsmodell wählt ausschließlich Berufsmuster als Referenzgrößen für eine optimale (und in diesem Sinne richtige) Berufsentscheidung, womit jedoch ein Primat der Beruflichkeit in der Lebensplanung unterstellt und andere einflussnehmende Wertemuster (z.B. Familienorientierung, Freizeitorientierung) und den empirisch belegten Einfluss von weiteren sozialen Kontexten beispielsweise in der Familie oder der Gruppe der Gleichaltrigen nur ungenügend berücksichtigt (vgl. Beinke 2002, Moser, Batinic & Zempel 1999). 

Nach Brown & Brooks (1994) könnte Hollands eigene berufliche Laufbahn Anstöße für seine Ideen gegeben haben. So formulierte er während seiner Arbeit bei der Armee, bei der er mit der Einweisung und Musterung von Rekruten betreut war, die These, dass jeder Mensch einem der wenigen Persönlichkeitstypen entspreche (vgl. Brown & Brooks 1994, S. 45). Seine Arbeit mit geistig und körperlich behinderten Patienten bestärkten ihn in dieser Annahme. Die erste umfassende Theorie John Hollands stammt aus dem Jahre 1959 und wurde in der Folge häufig modifiziert, wobei der letzte große relaunch 1985 stattfand, wobei aber das ursprüngliche Hexagonmodell unangetastet blieb. Mit der Schaffung zahlreicher neuer Messinstrumente (s.u.) war es ihm möglich, seine Theorie umfänglich zu operationalisieren und empirisch zu überprüfen. Insgesamt war es Hollands Ziel, eine überschaubare und symmetrische Theorie zu entwickeln, die auch ein hohes Maß an Augenscheinvalidität besitzt. "Holland möchte mit seiner Theorie verständliche Antworten auf die Fragen geben, die den Normalbürger hinsichtlich seiner beruflichen Laufbahn, insbesondere der Berufswahl, bewegen" (Brown & Brooks 1994, S.46). Die Kongruenztheorie von Holland wurde nicht zuletzt aufgrund ihrer leichten Verständlichkeit zu einer der einflussreichsten Berufswahltheorien (Holling et al. 2000, S. 9; Moser & Schmook 2001, S. 221). Das Verdienst Hollands liegt in der durch seine Theorie gebotene Strukturierung der Berufslandschaft anhand der Clusterbildung seiner Orientierungen, die ihrerseits Handlungssicherheit durch Komplexitätsreduktion auf der Seite der Personenvariablen bedeutet. Es handelt sich bei dieser Theorie um einen normativen Ansatz der Berufswahl, der für Berufsberater eine Entscheidbarkeit der Berufswahl nach passendem oder nicht passendem, richtigem oder falschem Beruf ermöglichen sollte.

In der vorläufig letzten umfassenden Beschreibung seiner Theorie leitet Holland (1985) aus den Grund- und Zusatzannahmen seiner Theorie insgesamt 25 Haupthypothesen zu den Auswirkungen der Persönlichkeitsorientierungen auf das Verhalten in verschiedenen Lebensbereichen ab; dazu zählen u.a. die Berufswahl, Laufbahnverbundenheit, Leistungen in Ausbildung und Beruf, Ausbildungs- und Berufszufriedenheit sowie Ausbildungs-. und Berufswechsel.

Die Bedeutung von Berufsinteressen für den Berufserfolg

Eine Metaanalyse von 74 Studien mit über 38.000 TeilnehmerInnen von Van Iddekinge et al. (2011) überprüfte, wie gut berufliche Interessen den Berufserfolg in vier Erfolgskriterien (Arbeitsleistung, Leistung in Aus- und Weiterbildung, Kündigungsabsicht und vorliegende Kündigung) vorhersagen können. Dabei zeigte sich, dass Interessen den Berufserfolg besser vorhersagten als bisher angenommen wurde, wobei die Interessen am stärksten mit der Ausbildungsleistung zusammenhingen, gefolgt von der Kündigungsabsicht, der Kündigung und der Arbeitsleistung. Interessensskalen sollten nach den Autoren jedoch nur dann bei der Personalauswahl berücksichtigt werden, wenn sie beruflich relevante statt unspezifische Interessen erfassen, wenn mehrere Interessenskennzahlen miteinander verknüpft werden. Allgemeine Interessenstests wie der hier vorgestellte SIT, die ein allgemeines Interessensprofil erheben, haben daher für den Berufserfolg weniger Aussagekraft, haben aber ihre Berechtigung vor allem bei der Abklärung der Interessen im Vorfeld einer Berufswahl, was eher mit der zu erwartenden Berufszufriedenheit zusammenhängt.

Die von Holland und anderen entwickelten Instrumente zeichnen sich durch leichte Handhabung aus, wobei teilweise die Tests von den Klienten selbst durchführbar sind Der Vocational Preference Inventory (VPI) war Hollands erste Veröffentlichung. Es hatte die Aufgabe, den Klienten anzuregen, Interesse oder Desinteresse bezüglich 160 Berufsbezeichnungen zu zeigen. Der Test impliziert Hollands Annahme, dass Gedanken, welche durch Berufsbezeichnungen ausgelöst werden, Aufschluss über die Berufswahl geben. Der heutige Anwendungsbereich dieses Instruments findet sich unter anderem in der Assessmenttechnik und als Ergänzung von Persönlichkeitstests. Der Vocational Exploration and Insight Kit (VEIK) wurde für Klienten entwickelt, die über ihren zukünftigen Beruf im Unklaren sind. Aus 84 berufkundlichen Karten sucht hierbei der Ratsuchende die interessantesten heraus; im Anschluss wird analysiert, aus welchen Gründen bestimmte Berufe als ansprechend bewertet wurden. In dem bis zu fünf Stunden dauernden Test soll durch dieses Vorgehen, welches in 15 Schritte aufgeteilt ist, erreicht werden, dass die Zahl der für den Klienten in Betracht kommenden Berufe erhöht werden. Zudem soll der Ratsuchende ein besseres Verständnis für einzelne Berufe erwerben, um so Erwartungen realistisch zu gestalten. Im My Vocational Situation (MVS) soll mit 20 Fragen die Berufsidentität erfasst werden. Das Self Directed Search (SDS) - erstmals im Jahre 1971 veröffentlicht - schließlich ist der mit Abstand bekannteste Test, der in der Beratungspraxis eine große Relevanz besitzt, da er einfach aufgebaut ist und von einen starken Plausibilitätsgedanken getragen wird. Von Kritikern werden dem SDS sexistische Tendenzen unterstellt, denn sowohl im amerikanischen Original als auch in der deutschen Testversion des SDS (Jörin & Stoll 2000, S. 7) zeigen deutliche Geschlechterunterschiede: Frauen erreichen in den Dimensionen Social und Artistic höhere Werte, Männer in den übrigen Dimensionen, besonders im Bereich Realistic, während in Conventional und Investigative die Unterschiede gering bleiben. Auch der Versuch gezielt technische Items zu verwenden, die Frauen ansprechen bzw. soziale Items die Männer ansprechen sollen, ist es Holland nicht gelungen dieses Phänomen zu beseitigen.

Beim Situativen Interessen Test (SIT) findet sich in den Rohwerten ein ähnliches Geschlechtsmuster, wenngleich auch die Differenz bei einer Stichprobe von 196 Personen nur im Bereich Realistic signifikant ausfällt und im Conventional-Bereich die Frauen vor den Männern liegen:

Holland entwickelte zusammen mit Gottfredson 1994 das Career Attitudes and Strategies Inventory (CASI), wodurch der Ratsuchenden die Entdeckung seiner berufsrelevanten Persönlichkeitsmerkmale erleichert werden soll. Dieses Instrument enthält neun Variablen (Ertelt & Schulz 1997, S. 43): Berufszufriedenheit, Identifikation mit der Arbeit, Entwicklung der eigenen Kompetenzen, Einflussnahme auf andere, Befürchtungen in Bezug auf die Berufsentwicklung, Beeinträchtigung/Kränkung anderer am Arbeitsplatz, Familienorientierung im Verhältnis zur Berufsrolle, Risikobereitschaft in Bezug auf die weitere Laufbahn und die Hindernisse für regionale Mobilität (Bindung an die Region). In weiteren Untersuchungen wurden die Codes und auch die CASI-Variablen mit Persönlichkeitsinventaren (16PF, MBTI, Big Five) verglichen, wobei die sechs Typen Beziehungen mit vier der fünf "Big-Five"-Faktoren aufwiesen (vgl. Holland, 1996, S. 400).

Die sechs Orientierungen

Diese sechs grundlegenden Orientierungen können neben der Beschreibung bzw. Klassifikation von Tätigkeiten bzw. Aktivitäten auch für Situationen bzw. Umwelten verwendet werden, da letztere überwiegend durch die in ihnen handelnden Personen bzw. durch jene Verhaltensweisen, die in ihnen bevorzugt werden, geprägt sind.

 


[Bildquelle: http://www.uwestrass.de/pers-beruf.jpg (05-05-03)]

 

Das Strukturmodell des Hexagons

Die Beziehungen zwischen den sechs Orientierungen können durch eine spezifische räumliche Anordnung in einem hexagonalen Modell veranschaulicht werden. Die Verwandtschaft bzw. psychologische Nähe der sechs Typen soll sich umgekehrt proportional zu den räumlichen Distanzen zwischen denselben verhalten. Mit anderen Worten: je geringer der Abstand zwischen zwei Typen, desto größer ist deren Ähnlichkeit. Die Zahlen der unten stehenden Grafik sind Korrelationskoeffizienten und stammen aus einer Untersuchung mit dem Freizeit Interessen Test (FIT), wobei dieser im Konzept dem SIT entspricht und eine andere Operationalisierung des Holland-Modells vornimmt, wodurch die Beziehungen methodisch bedingt negativ ausfallen:

Eine wichtige Komponente in Hollands Ansatz stellt dieses Hexagon dar, da es grafisch den mehr oder weniger vorhandenen Zusammenhang der sechs Orientierungen untereinander veranschaulicht. Jeder Eckpunkt repräsentiert einen der sechs Persönlichkeitstypen. Die Ziffern entlang der Verbindungslinien bezeichnen die jeweiligen Korrelationen. Das Hexagon ist so aufgebaut, dass stark miteinander korrelierende Orientierungen nebeneinander liegen und die am schwächsten in Zusammenhang stehenden sich gegenüber liegen. Daher zeigt es die psychologischen Ähnlichkeiten zwischen den einzelnen Neigungen auf. Würde man die Abstände der Typen entsprechend der genauen Stärke der Korrelationen zeichnen, ergebe sich ein unförmiges Vieleck - die übliche Darstellung in dieser symmetrischen Form hat daher eher prototypischen Charakter.

Allerdings bereitet es den meisten Testentwicklern Probleme, dieses Hexagon anhand empirischer Daten zu replizieren. Das liegt teilweise daran, dass die sich einige Grundannahmen des Modells methodologisch widersprechen, etwa die hexagonale Anordnung und die Zweidimensionalität (vgl. Stangl 1991).

Subtypen

Die Subtypen bildeten eine Erweiterung der ursprünglichen Typologie, wobei er davon ausging, dass zwar bei jedem Menschen einer der sechs Typen dominiere, jedoch daneben noch weitere charakteristische Persönlichkeitsstrukturen vorhanden seien. Jeder Mensch setze eine Vielzahl von Verhaltensstrategien ein, um die verschiedenen Umweltanforderungen bewältigen zu können. Dabei lägen aber viele Strategien im Grenzbereich von zwei oder mehreren Typen. Zur Herausbildung von Elementen aus allen sechs Persönlichkeiten tragen vielerlei Einflüsse wie Vererbung oder spezielle Umweltgegebenheiten bei. Somit bedürfte es einer umfassenderen Beschreibung der einzelnen Persönlichkeiten durch die Subtypen. Die Subtypen sind eine Kombination der vorherrschenden drei Typenentsprechungen in hierarchischer Reihenfolge, und stellen daher eine Kurzschrift für die Charakterisierung von Menschen dar, die Vorlieben und Abneigungen umfassen. Ein Beispiel eines Subtyps bzw. Drei-Buchstaben-Codes ist die Buchstabenkombination SAE, welcher eine Persönlichkeit beschreibt, die vor allem dem dominanten sozialen Typus (S) zuzordnen ist, jedoch aber auch in absteigender Intensität Eigenschaften bezüglich künstlerischer (A) und unternehmerischer (E) Typen besitzt.

Weitere Konstrukte

Konsistenz

Liegen die innerhalb einer Person oder Umwelt dominierenden Orientierungen im hexagonalen Modell unmittelbar nebeneinander (z.B. bei einem RI-Typ), dann liegt hohe Konsistenz vor. Je konsistenter (stimmiger) eine Person ist, desto besser sollten ihre beruflichen Präferenzen vorhergesagt werden können. RS-, IE- und CA-Typen (jeweils gegenüberliegende Orientierungen) sind inkonsistent. Der Begriff der Konsistenz wurde von Holland nach einigen negativen Untersuchungsbefunden jedoch aufgegeben.

Kongruenz

Die Übereinstimmung der Orientierungen von Person und Umwelt wird als Kongruenz bezeichnet. Entsprechend dem hexagonalen Modell gibt es nach Holland vier Abstufungen von Kongruenz. Wenn z.B. eine R-Person einen R-Beruf ergreift, dann liegt maximale Person-Umwelt-Kongruenz vor; ergreift dieselbe Person einen I- oder C-Beruf, dann besteht eine mittlere und bei einem A- oder E-Beruf niedrige Kongruenz. Ergreift ein R-Typ einen S-Beruf, so wird dies als inkongruente Wahl bezeichnet. Die Kongruenzhypothese wurde empirisch weitgehend bestätigt, so dass sie als ein verlässlicher Prädikator für berufliche Stabilität, Zufriedenheit und Angepasstheit gilt. Wie empirische Befunde zeigen, findet sich der Kongruenzgedanke nicht nur in die Beziehung des Individuums zu seinem Beruf, sondern auch auf interpersonaler Ebene wieder. Holland (1996, S. 401) berichtet von Studien, in denen College-Studenten, die zusammen ein Zimmer bewohnen, dann weniger gut miteinander auskommen, wenn sie signifikant unterschiedliche Berufsinteressen besitzen.

Differenziertheit

Das Ausmaß, in dem eine Person oder Umwelt eine klar abgegrenzte Struktur aufweist, dient zur Bestimmung der Differenziertheit einer Person oder Umwelt. Personen, die in erster Linie durch eine einzelne Grundorientierung charakterisiert werden können, sind hoch differenziert, bestehen in etwa gleich große Ähnlichkeiten zu allen Modelltypen und verfügt eine Person damit über ein "flaches", unausgeprägtes Profil, dann wird sie - unabhängig vom Gesamtniveau - als wenig differenziert bezeichnet. Bezüglich des Zusammenhanges zwischen Differenziertheit und Berufswahlstabilität gibt es eine uneinheitliche empirische Befundlage.

Identität

Personale Identität ist dann gegeben, wenn eine Person über klare Vorstellungen hinsichtlich ihrer eigenen Ziele, Interessen und Fähigkeiten verfügt. Umweltidentität liegt vor, wenn eine Umwelt bzw. Organisation durch klare und über einen längeren Zeitraum stabile Ziele und Aufgaben bestimmt wird. Das Konzept der Identität weist Bezüge zur Konsistenz und Differenziertheit auf. In der Revision 1996 ersetzt3 Holland den Begriff der Identität durch CASI-Variablen (vgl. Holland 1996, S. 402f). Beispielsweise korreliert Identität mit der CASI-Variable Berufszufriedenheit mit r=0.70. Zudem könnten einige ausgewählte Variablen die Holland-Typologie ergänzen, um effizientere und ausdrücklichere Aussagen bezüglich Karrierestabilität, Berufszufriedenheit, und evtl. Berufsleistungen treffen zu können.

Das Konstruktionsprinzip des SIT

Während die meisten Umsetzungen des Hollandschen Modells weitgehend auf dem Hintergrund der klassischen Testtheorie (Skalen-, Faktoren- und Itemanalyse mit Konsistenz- und Reliabilitätsschätzungen) konzipiert wurden, die sechs Orientierungen also mithilfe von unabhängigen Einzelskalen erfaßt werden, wurde beim SIT wie schon beim FIT (Stangl 1991) versucht, schon bei der Testkonstruktion die grundlegenden Modellannahmen direkt zu berücksichtigen.

Eine dieser Prämissen ist die Annahme, daß die im hexagonalen Modell einander gegenüberliegenden Orientierungen die größte psychologische Distanz aufweisen und daher bei jeder Person eine Präferenz für eine davon vorhanden ist, während die andere diametral gegenüberliegende stark abgelehnt wird (vgl. Holland, 1973). Eine Präferenz wird am besten durch einen Vergleich erfaßt. Im SIT werden sämtliche mögliche 15 Paare von Orientierungen gebildet. Da diese Orientierungen im Sinne von Persönlichkeitsmerkmalen konzipiert sind, wird der Einfluß der Situation insofern wirksam, als bestimmte Orientierungen meist nur in einem bestimmten situativen Kontext realisiert werden können, der die Präferenz verstärkt bzw. die Orientierung überlagert. Um diesen Einfluß zu eliminieren bzw. konstant zu halten, wurden auch die Situationen nach den sechs Orientierungen hin klassifiziert. Dadurch erfolgen im SIT Vergleiche jeweils zweimal, einmal in der Situation, die inhaltlich der ersten Orientierung, ein zweites Mal in jener Situation, die eher der zweiten Orientierung entspricht. Dadurch finden im SIT die Interessensvergleiche in einer in bezug auf die sechs möglichen Umwelten balancierten Weise statt, indem alle gleichhäufig berücksichtigt werden.

Dazu ein Beispiel aus dem SIT: Um den Vergleich zwischen einer "künstlerischen" (A) Orientierung und einer "intellektuellen" (I) durchzuführen, wurde einmal eine A-Situation vorgegeben, in der die Präferenz für die A-Aktivität oder I-Aktivität geäußert werden sollte, beim zweiten Mal eine I-Situation, in welcher ebenfalls der A-I-Vergleich erfolgte. Die entsprechenden Items lauten: "In einem Kunstmuseum (A) an der Restauration alter Kunstwerke mitarbeiten (A) oder neue Ausstellungskataloge schreiben (I)" bzw. "An einer Kunstuniversität (I) Bücher über berühmte Personen schreiben (I) oder zeichnen und malen (A)".

Die insgesamt 30 Situationen mit jeweils zwei zur Auswahl stehenden Orientierungen liefern insgesamt 60 Präferenzwerte, wobei dieses komparative Konzept wurde im Gegensatz zum FIT erweitert, indem zwischen den beiden alternativen Tätigkeiten im Sinne von forced-choice eine vierstufige Präferenz ausgedrückt werden kann.

Dieser Bestimmung einer durchschnittlichen individuellen Präferenz über verschiedene Situationen hinweg liegt das (mess)theoretische Modell der Verhaltenspräferenzen (vgl. Stangl 1987; Stangl 1989) zugrunde. Einige wesentliche Merkmale seien kurz skizziert:

Da beim SIT als Ziel ein idiographischer Vergleich von Präferenzen für Interessensbereiche angestrebt wird, kann diese grobe Skalierung aus testökonomischen Gründen als ausreichend angesehen werden. Eine Standardisierung bzw. Anpassung an Populationsverteilungen scheint daher nicht notwendig. Des weiteren erfordert die von Holland angestrebte Klassifizierung von Personen durch die Angabe einer einfachen charakteristischen Kombination von Interessensorientierungen (z.B. RI, SA oder ES) ohnehin keine besonders differenzierende Skalenqualität. Es muss bei der Interpretation der Ergebnisse jedoch berücksichtigt werden, dass - wie insbesondere neuere Arbeiten nahe legen -, dass auch berufsinteressenfremde Merkmale wie Werte, Lebensziele und ökonomische Faktoren die Berufswahl deutlich beeinflussen.



Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Gehirnstruktur

Viele junge Menschen entscheiden sich in der Adoleszenz für eine berufliche Richtung, was oft mit sensiblen Phasen der pubertätsbedingten Reifung zusammen fällt, die meist mit Schwierigkeiten bei der Einschätzung der eigenen Neigungen und Kompetenzen einhergehen. Eine neuere Studie von Gurres et al. (2021) konnte zeigen, dass es statistisch relevante Korrelationen zwischen den Dimensionen des RIASEC-Modells von Holland und den neuronalen Strukturen des Gehirns gibt. Die Ergebnisse zeigen eine Übereinstimmung zwischen den durch den RIASEC-Test zugeordneten Persönlichkeitsmerkmalen und den Funktionen signifikanter struktureller Veränderungen in verschiedenen aus der Literatur bekannten Hirnarealen.

Es kann auf Grund der Ergebnisse der Studie festgehalten werden, dass prinzipiell mit Hilfe der voxelbasierten Morphometrie Korrelationen zwischen den Scores eines Berufsinteressentest und der neuronalen Architektur zuordenbarer Hirnfunktionen nachgewiesen werden können. Folglich kann die Zuordnung von vorhandenen Persönlichkeitsmerkmalen zu entsprechenden Hirnstrukturen als ein geeigneter Beitrag zur Beratung von Jugendlichen angesehen werden. Nach Holland (1997) kann bekanntlich ein höheres Ausmaß an Kongruenz zwischen Persönlichkeitstyp und beruflichem Umfeld zu einer höheren Arbeitszufriedenheit führen.

Der Forschungsartikel kann hier im Original nachgelesen werden: https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/feduc.2021.633962/full (21-04-12)


Der SIT wurde 2007 von der STIFTUNG WARENTEST neben anderen 23 Onlineverfahren zur Selbsteinschätzung (14 für Erwachsene und 9 für Jugendliche) unter die Lupe genommen und mit dem Testurteil "gut" bewertet! Details dazu unter http://www.weiterbildungstests.de/.


Literatur

Beinke, L. (2002). Einflüsse der Peer-group auf die Berufsentscheidung. Erziehungswissenschaft und Beruf, 4, 2002, S. 391-394.

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Brown, Duane & Brooks, Linda (1994). Karriere-Entwicklung. Stuttgart: ***.

Ertelt, Bernd-Joachim & Schulz, William E. (1997). Beratung in Bildung und Beruf: ein anwendungsorientiertes Lehrbuch. Leonberg: ***.


Gurres, Stefan, Dillmann, Klaus-Ulrich, Reith, Wolfgang & Krick, Christoph M. (2021). The Individual Inclination to an Occupation and its Neuronal Correlate. Frontiers in Education, 6, doi:10.3389/feduc.2021.633962.

Holland, John L. (1970). The self-directed search. Palo Alto, Calif.: Consulting Psychologists Press.

Holland, John L. (1973). Making vocational choices: A theory of careers. Englewood Cliffs, N.J.: Prentice-Hall.

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Jörin, Simone & Stoll François (2000). Vom "Self-directed Search" (SDS) zur "Selbst Durchführbaren Suche" (d-SDS) - deutschsprachige Adaption. Ein Zwischenbericht.
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Stangl, Werner (1989). Der Fragebogen zum elterlichen Erziehungsverhalten. Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 10, 155-168.

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