Spielsucht - Onlinegames
Computerspiele haben sich längst als Teil der Alltagskultur etabliert und kommen in unterschiedlichsten Lebensfeldern zur Anwendung, wobei sich auch die Frage nach einem kompetenten Umgang und einem sinnvollen Einsatz von digitalen Spielen immer wieder neu stellt. Technologische Entwicklungen, soziale Elemente in Spielen und die Konvergenz von unterschiedlichen Medientypen ermöglichen heute die Schaffung völlig neuartiger Spielräume und Spielhandlungen. Ein wesentliches Problem der neuesten interaktiven Onlinespiele ist das Faktum, dass es kein wirkliches Spielende gibt, denn die Online-Spiele werden ständig weiterentwickelt. Während "normale" Spiele, die man für den Computer oder die Spielkonsole erwerben kann, wie die klassischen Brettspiele auf ein Ziel ausgelegt sind und irgendwann enden, bieten dagegen die Online-Spiele immer neue Möglichkeiten und verlocken dazu, immer weiter und immer mehr zu spielen. Beide Aspekte des Spielens, „Paidea“, das Spielen des Spaßes wegen, und „Ludus“, das Spiel um des Gewinnens willen, sind hier vereint. Das Spiel World of Warcraft etwa ist Ende 2010 mit der Erweiterung Cataclysm das erfolgreichste Online-Multiplayerspiel der Welt und hat sich mehr als 3,3 Millionen Mal allein in den ersten 24 Stunden nach seiner Veröffentlichung verkauft. Mehr als zwölf Millionen Spieler bevölkern inzwischen gegen monatliche Gebühren Azeroth. Zwölf Millionen Spielfiguren interagieren als „Avatare“ (Ritter, Elfen, Zauberer, Druiden, Heiler, Krieger, Orks) auf unzähligen Servern miteinander. In den Rollenspielern liegt das Erfolgskonzept und auch der potentielle Suchtcharakter, wobei die primäre Währung, auf der die Hierarchie der Spieler in der World of Warcraft basiert, Zeit ist, denn wer lange in Azeroth bleibt, kann sich die beste Ausrüstung erarbeiten, die seiner Spielfigur einen Vorteil gegenüber anderen verschafft, und kann sich in seiner Gruppe – einer „Gilde“ aus Spielfiguren, die regelmäßig miteinander spielen, mehr Prestige erarbeiten. World of Warcraft ist zwar nicht darauf ausgelegt, Spieler süchtig zu machen, obwohl berichtet wird, dass Jugendliche während des Spielens verdurstet sind, sondern für den Anbieters sind jene Spieler vorteilhaft, die gerade so oft spielen, dass sie ihr Abonnement Monat für Monat verlängern, aber nur vergleichsweise wenig spielen. Nach Meinung von Experten ist der Erfolg von World of Warcraft (62,4 Prozent Marktanteil) vor allem darin begründet, dass es „den Flow“ sehr gut einfängt, also den schmalen Grat zwischen Über- und Unterforderung über eine lange Dauer aufrechterhalten kann. Der Aspekt, der Spieler aber am stärksten an Onlinespiele bindet, ist die Community, denn für viele ist das Online-Spiel schon ein soziales Netzwerk, vergleichbar mit Facebook, und nach Facebook oder anderen Computerspielen kann man eben auch süchtig werden. Aussteigen ist deshalb so schwierig, da men Menschen dann plötzlich die Alternative fehlt, denn wer täglich acht bis zwölf Stunden in Azeroth zugebracht hat, weiß dann nicht, wie man die Zeit nach dem Aus füllen soll. Dieser Suchtfaktor verbindet sich häufig mangelnden sozialen Kontakten außerhalb der Spielwelt bei gleichzeitiger Zunahme virtueller Kontakte - viele der Onlinespiele sind in Netzwerke wie Facebook eingebunden - und dem gleichzeitigen Druck durch die Online-Mitspieler, denn wer nicht immer online ist, um mitzuspielen, kann aus einer virtuellen Gruppe ausgeschlossen werden oder zumindest seinen Status verlieren. So bergen auch "harmlose" Spiele wie FarmVille beträchtliches Suchtpotential, die letztlich auch finanzielle Risiken bergen. Bei dem Spiel FarmVille handelt es sich um ein Browsergame in Form einer Echtzeit-Farmsimulation und ist als Applikation auf dem sozialen Netzwerk Facebook verfügbar. Sinn des Spiels ist es, eine eigene Farm aufzubauen, wozu das Anlegen von Feldern, Pflanzen von Bäumen und die Versorgung der Tiere auf der virtuellen Farm gehört. Außerdem wird man mit aktiven Spielern, die sich im Facebook-Freundeskreis befinden, verglichen. Das Spiel wurde am 19. Juli 2009 veröffentlicht. Anfang September 2009 verzeichnete es rund 35 Millionen Nutzer pro Monat. Nach Angaben des Tracking-Service Appdata waren es Ende Februar 2010 bereits mehr als 80 Millionen aktive Spieler.
Die Forschung hat etwa eine halbe Million Risiko-Gamer in Deutschland gefunden, im April 2019 ergab eine Studie der Krankenkasse DAK und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen, dass 465.000 deutsche Jugendliche Risiko-Gamer sind und elf Prozent davon regelmäßig in der Schule fehlen, um sich Computerspielen zu widmen. Die betroffenen Teens klagen ferner über Sorgen und Ängste und haben mit Konzentrationsproblemen, motorischer Unruhe und erhöhter Aggressivität zu kämpfen. Die Studie weist aus, dass besagte Risiko-Gamer zwischen zwölf und 17 Jahren auch viel Geld für Gaming ausgeben. Durchschnittlich werden innerhalb von sechs Monaten rund 110 Euro für das Hobby ausgegeben, der Spitzenwert lag bei 1.000 Euro.
Gamingsucht wurde 2019 endgültig von der Weltgesundheitsorganisation in die Liste der Gesundheitsstörungen aufgenommen, und zwar trotz Kritik aus der Industrie. Diese Form der Spielsucht findet sich im neuen internationalen Katalog der Krankheiten (ICD-11) unter dem Begriff Gaming Disorder bzw. der Bezeichnung 6C51. Drei Kriterien wurden dabei festgelegt:
- Beeinträchtigte Kontrolle über das eigene Spielverhalten hinsichtlich Häufigkeit, Intensität, Dauer, Beginn oder Ende des Spielens,
- verstärkte Priorisierung von Gaming, bis hin zu dem Punkt, dass andere Lebensbereiche und Aktivitäten vernachlässigt werden und zuletzt
- Weiterspielen trotz Konsequenzen.
Damit können Betroffene krankheitswertiger psychischer Störungen mit vorhandener ICD-Diagnose Psychotherapie auf Kosten der Krankenkasse in Anspruch nehmen.
Suchtpotential von Browsergames
Browsergames werden online im Webbrowser oder auf Smartphones gespielt und zur Teilnahme an den Handlungen in der virtuellen Welt muss der Spieler mit dem Internet verbunden sein. In der Regel handelt es sich um sogenannte Endlosspiele, was bedeutet, dass es wie bei den meisten Computerspielen und Konsolenspielen kein definiertes Ende der Aktivitäten und Abläufe gibt. Nach Beendigung eines bestimmten Spielabschnittes erreichen die TeilnehmerInnen einfach ein nächstes Level und werden mehr oder minder zur Durchführung einer neuer Aktion aufgefordert. In Abhängigkeit von der Art des Online-Spieles kann es sich dabei um das Errichten eines neuen Bauwerkes, das Auswählen neuer Ausrüstungsgegenstände oder die Verpflichtung einer neuen Spielergeneration handeln. Darüber hinaus werden Browsergames in der Regel mit mehreren Teilnehmern gespielt, wobei die Spieler gegeneinander antreten und sich in einem Konkurrenzkampf befinden. Browsergames besitzen durch die Struktur der Spiele ein extrem hohes Suchtpotenzial.
Siehe auch allgemein Spielsucht - Computerspielsucht bzw. Internetsucht - Onlinesucht
Drei Tage am Computer gespielt - tot
TAIPEH. In Taiwan ist ein Mann in einem Internet-Cafe gestorben, nachdem er drei Tage lang fast ununterbrochen Computer gespielt hatte.
Der 32-Jährige brach in der Stadt Kaohsiung vor dem Computer zusammen, wie die Zeitung "Taipei Times" am Samstag berichtete. Als er reglos auf seinem Stuhl saß, dachten andere Stammgäste zunächst, dass er eingeschlafen sei.
Ein Angestellter des Internet-Cafes bemerkte dann aber, dass der Mann nicht mehr atmete. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, wo die Ärzte aber nur noch seinen Tod feststellen konnten. Dem Zeitungsbericht zufolge starb der 32-Jährige an plötzlichem Herzversagen, das nach Meinung der Ärzte von dem exzessiven Computerspielen ausgelöst wurde. Der Mann sei häufig in dem Internet-Cafe gewesen und habe immer tagelang gespielt, sagte der Angestellte der Zeitung. Wenn er müde gewesen sei, habe er mit dem Kopf auf dem Computertisch geschlafen oder sei in seinem Stuhl zusammengesunken. Darum sei sein Tod auch nicht sofort bemerkt worden.
Es ist in Taiwan in diesem Jahr schon der zweite Fall, in dem tagelanges Computerspielen zum Tod führte. Am 1. Jänner war in einem Internet-Cafe in Neu-Taipeh ein 38-Jähriger tot zusammengebrochen, der fünf Tage am Stück gespielt hatte. Nach Polizeiangaben reagierten andere Computerspieler in beiden Fällen völlig gleichgültig. Sie spielten teilweise sogar weiter, als die Spurensicherung für die Beweisaufnahme Tische absperrte.
Quelle: OÖN vom 19. Jänner 2015
Morgens aufstehen, zur Schule gehen, mittags Hausaufgaben machen, dann bis spät abends am Computer spielen, so sieht der Tagesablauf von vielen Jugendlichen zwischen 13 und 20 Jahren aus. Auch auf Erwachsene hat sich dieser PC-Virus" übertragen. Spielt man am Computer, gehen jeglicher Zeitbegriff sowie auch ein Teil der Realität verloren. Man ist gefesselt von der virtuellen Welt am Monitor, will bis an die Grenzen des Könnens gehen. Da das Angebot an Computerspielen herausragend ist, werden die Kids und auch die Erwachsenen ständig mit neuen Herausforderungen bombardiert. Viele Computerspiele, besonders Strategiespiele, haben einen Reiz. Strategiespiele sind Spiele, die Konzentration und Geschicklichkeit testen. Ausserdem wird bei diesen Spielen dem Benutzer spielerisch etwa der Umgang mit Geld beigebracht. Dies ist nur ein Beispiel, denn es gibt etwa zehn verschiedene Ausführungen von Strategiespielen. Auch Netzwerkspiele sind reizvoll und die Meinung, dass Computerspiele einsam machen, ist nicht unbedingt richtig, wie das Ergebnis einer neueren Studie (2010) des Medienpsychologen Leonard Reinecke der Hamburger Universität und der Hamburg Media School zeigte. Die Wissenschaftler hatten 1129 Besucher von Online-Portalen der Electronic Sports League befragt, um die soziale Seite von Computerspielen zu untersuchen. Die Nutzer kamen aus 29 Ländern, zwei Drittel von ihnen aus Deutschland. Es nahmen fast ausschließlich Männer teil. Drei Viertel der Befragten gaben an, sich täglich mit Kampf- und Strategiespielen zu beschäftigen und sich dabei am liebsten aus der Perspektive eines Kämpfers durch virtuelle Häuserruinen, dichtes Buschwerk oder feindliche Hinterhalte zu klicken. Doch auch die härtesten "Ego Shooter" erlebten Gemeinsamkeit und soziale Unterstützung in ihrem Clan, lautete das Fazit der Wissenschaftler.
Wer sich zu „Counterstrike” oder „Call of Duty” vor den Bildschirm setzt, organisiert sich also nicht selten wie in einem Sportverein. Computerspiele sind daher auch manchmal eine Quelle für soziale Interaktion, denn neben dem Spiel selbst schaffen auch die Organisation oder gemeinsames Training Anlässe zum sozialen Kontakt. Computerspielende, die in ihrer Alltagsumgebung soziale Kompetenz zeigen, die erleben auch Gemeinschaft und Geborgenheit in ihrem Computerspiel-Clan. Es ist nach Aussagen der Studienautoren nicht anders, als es früher mit den Zinnsoldaten war, jedoch werden Strategien und taktische Manöver heute online umgesetzt. Ein deutlicher Zusammenhang ergab sich zwischen dem Gefühl, in der Gruppe bei Bedarf Unterstützung finden zu können, und der tatsächlich erlebten Unterstützung im sozialen Umfeld des Spielers: „Es sieht nach einem ‚rich-get-richer’-Effekt aus“, erläutert Reinecke, „wer hat, dem wird gegeben, sprich: Wer in seiner Alltagsumgebung soziale Skills zeigt, der erlebt auch Gemeinschaft und Geborgenheit in seinem Computerspiel-Clan. Ob es hier ursächliche Zusammenhänge gibt, müssen wir allerdings noch klären.“
Vor allem bei Netzwerkspielen kann man mit Menschen in der ganzen Welt kommunizieren und spielen. Dies hat jedoch einen Nebeneffekt, denn ein Blick auf die Telefonrechnung sagt alles. Da diese Art der "PC- Freizeitbeschäftigting" noch teuer ist, ist es für Eltern ärgerlich, wenn die Kids stundenlang im Internet "surfen". Das Computersystem bietet eine grosse Vielfalt an Möglichkeiten, deshalb ist es meistens programmiert, dass man dieser Sucht verfällt. Wir führten ein Interview mit Detlef Kremer, Leiter der Computerabteilung des Elektrofachmarktes Berlet. Er meint, dass viele Hersteller gezielt auf diese Sucht hinarbeiten. Zu unserer Verwunderung erfuhren wir, dass vor allem Strategiespiele verkauft werden. Der Verkaufsschlager ist eine sehr günstige Spielesammlung. "Nur das Beste für unsere Kunden", antwortete Kremer auf die Frage, ob er aus Firmenangeboten aussortieren muss. Natürlich fragten wir ihn nach seiner Meinung über Computersucht: Ja, das gibt es! Besonders schlimm ist Internetsucht. Man muss sich auf jeden Fall helfen lassen. Viele junge Leute sitzen stundenlang vor dem PC. Alles fing mit dem Gameboy an, der wurde sogar mit in die Schule genommen." Berlet hat eine sehr große Auswahl an Spielen. Besonders verlockend sind die Preisangebote, viele der etwa 350 Spiele kosten weniger als 20 Mark. Viele Menschen, die an Computersucht "leiden", haben soziale Probleme und versuchen, sich hinter dem PC zu verstecken. Jetzt ist der PC der einzige "Freund". Auch Ulrich Siekhaus, Vertrauenslehrer des Gymnasiums Hohenlimburg, meint, man solle sich unbedingt helfen lassen und mit den EItern über die Sucht reden: "Besonders gefährdet sind Jugendliche mit sozialen Problemen oder Schulproblemen. Sie grenzen sich von ihrer Umwelt ab, verkriechen sich hinter dem PC. Jetzt sind sie für Eltern und Freunde nicht mehr ansprechbar, da sie voll in die Welt des Computers eingetaucht sind." Es gibt immer wieder neue Computer, und immer neue Spiele, daher werden sich noch viele Leute mit dem Computervirus infizieren.
Nach einer Mitte 2010 durchgeführten Studie an SchülerInnen der 5., 9. und 10. Schulstufe (Durchschnittsalter 15 Jahre) in Salzburg sind 2,5 Prozent der SchülerInnen internetsüchtig und weitere 1,6 Prozent gelten als gefährdet. Die Sucht wurde in dieser Untersuchung nicht allein über die Zeit vor dem Computer definiert, sondern über die Art der Nutzung, d.h., süchtig sind solche SchülerInnen, die das Internet zwanghaft konsumierenund keine Kontrolle mehr über ihr übriges Verhalten haben, also etwa in Spielpausen Entzugserscheinungen zeigen.
Bestätigt hat sich in dieser Studie, dass männliche Jugendliche weitaus anfälliger für eine Abhängigkeit von Internetspielen sind als Mädchen , wobei von den männlichen ProbandInnen etwa jeder vierte als süchtig gilt, während bei den Mädchen die Rate etwas über ein Prozent liegt. Immerhin verbringen die befragten Burschen knapp vier Stunden pro Tag vor dem Bildschirm, Mädchen rund drei Stunden. Bei den suchtgefährdeten Jugendlichen war der Vater häufig arbeitslos oder teilzeitbeschäftigt, die Risikogruppen rauchen häufiger, leiden unter Angst und Depressionen, schwänzen öfter die Schule und haben wenig Freunde außerhalb der Schule. Buben bevorzugen dabei Fußball- und Schießspiele, Mädchen beschäftigten sich häufiger mit Simulations- und Geschicklichkeitsspielen. Für Jugendliche sind vor allem Rollenspiele in Netz wie World of Warcraft besonders gefährlich sind. da solche Spiele die ständige Präsenz der MitspielerInnen erfordern. Jeder fünfte Jugendliche bekommt durch seine starke Präsenz im virtuellen Raum in der Realität Probleme, etwa durch schlechtere Schulnoten.
Psychologie des Spieldesigns
Sid Meier, ein Spieldesigner (Civilisation), verriet auf einer einschlägigen Tagung die Psychologie des Spieldesigns:
- Das Gewinner-Paradox: "Im richtigen Leben gewinnt man nicht immer. Nur ein Team gewinnt die Football- oder Basketball-Meisterschaft. Aber in Spielen gewinnt man fast immer - ich bekomme nie Briefe, in denen steht: 'Lieber Sid, tolles Spiel, aber ich habe zu oft gewonnen.'"
- Belohne den Spieler: "Die ersten 15 Spielminuten müssen einen Riesenspaß machen und einen Ausblick darauf geben, was später im Spiel passiert. Die Spieler können dabei fast nicht genug belohnt werden."
- Klare Verhältnisse: "Während der Entwicklung von Civilization beschwerte sich ein Tester, dass gegnerische Anführer immer übel gelaunt und aggressive waren, selbst, wenn sie nur noch eine einzige Stadt besaßen. Ich fragte ihn: 'Was sollen sie sonst sagen? Tu mir nicht weh? Lass mich alleine?' Meiner Meinung nach ist es besser, gegen einen grimmingen Dschingis Khan zu gewinnen als gegen einen, der um Gnade winselt."
- Auch fünf gerade sein lassen: "Wenn ein Spieler mit drei Einheiten gegen eine einzige verliert, meckert er. Wenn er mit zweien gegen eine meistens gewinnt und manchmal verliert, ist das in Ordnung. Aber wehe, er verliert mit 20 Einheiten gegen zehn. Das habe ich nicht kapiert - ist 20:10 nicht das Gleiche wie 2:1? Nein, nicht in den Augen des Spielers. Das haben wir entsprechend angepasst. Doch jetzt wunderte sich einer, dass er zwei 2:1-Scharmützel in Folge verloren hat. Also haben wir auch das geändert - und alle waren zufrieden. Beim Design wird jeder Entwickler früher oder später auf solche unintuitiven Verhaltensmuster stoßen."
- Dumm gelaufen, Entschuldigung: "Zum Entwicklungsbeginn war Civilization ein Echtzeitstrategiespiel. Doch dabei wurde der Spieler zum Beobachter degradiert. Also machten wir es rundenbasiert - und heute ist Civilization das Rundenstrategiespiel schlechthin. Ein anderer Irrtum war meine Idee, den Technologiebaum von Civilization zufallsgesteuert zu enthüllen. Schließlich, so dachte ich, hat in der Steinzeit ja niemand darauf hin gearbeitet, eines Tages Schießpulver und Atomraketen zu entwickeln. Doch ein Spieler will wissen, was passiert, und seine Strategie entsprechend daran anpassen. Auch zufällig in der Hauptstadt ausbrechende Vulkane waren deswegen nicht der Knüller."
- Lass den Spieler arbeiten: "Egal, wie gut die Technik sein mag - ein Spieler kann sich immer etwas Tolleres vorstellen. Es ist billiger, die Fantasie des Spielers zu fordern. Nehmen wir Civilization Revolution: Da gab es eine Meldung, dass einem der Sultan von Sansibar sieben Tanzbären schenkt. Wenn man das liest, tanzen die Bären doch schon vor dem inneren Auge herum - dabei gab es im ganzen Spiel keine Tanzbären, keine Karavanen und keinen Sultan. Und wir konnten die so eingesparten Ressourcen für Dinge verwenden, die der Spieler tatsächlich sehen will."
- Künstliche Un-Intelligenz? "Meiner Meinung nach sollte die KI nicht so schlau wie ein Mensch sein, denn sonst erwarten wir, von ihr überrascht zu werden. Doch das kann daneben gehen: Ist der Computer zu schlau, denkt der Spieler, er hätte geschummelt. Ist er zu dumm, bietet er keine richtige Herausforderung. Stattdessen sollte der Computer schauen, was der Spieler macht und ihm entsprechendes Feedback geben. Gerade im Einzelspielermodus - denn dann ist der Spieler allein auf weiter Flur, dankbar für jede Kommunikation und fühlt sich besser verstanden."
- Den Spieler vor sich selbst schützen: "Speichern und Laden sollte nie ein Teil einer Strategie sein, ein Hindernis zu überwinden. In Pirates kann man deswegen nur im Hafen speichern. Außerdem sollten die Spielregeln klar sein, denn wir sind ja die Entwickler, nicht der Spieler - er sollte nicht erst herausfinden müssen, was er überhaupt machen soll. Und wenn es Cheats gibt, sollten die nicht sofort ersichtlich sein: Der Spieler sollte zuerst das Spiel ohne Hilfsmittel bewältigen."
- Der Weg zum Ziel: "Ermutigen unsere Design-Entscheidungen den Spieler, das Spiel nach dem Abspann noch einmal zu starten? Denken wir daran, ihm zu zeigen, was die letzte Spielstunde ihm auf dem Weg zum Ziel gebracht hat? Und bringen wir den Spieler dazu, 'nur noch eine Runde' zu spielen, weil er weiß, dass bald etwas Cooles passieren wird? Wir haben dann alles richtig gemacht, wenn der Spieler merkt, dass jede seiner Aktionen Teil einer epischen Reise ist."
Suchtpotential von Social Games
Die immer größere Verbreitung von kostenlosen Online-Spielen in sozialen Netzwerken kann für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ein Einstieg zur Spielsucht sein. Glücksspielseiten und Werbungen in sozialen Netzwerken wie Facebook ködern Jugendliche mit kostenlosen Einstiegsspielen, sogar zum Online-Poker. Da zunächst lediglich virtuelles Geld gesetzt wird, gibt es auch keine Altersbeschränkungen. Schnelle Erfolge suggerieren, dass sie mit echtem Geld ebenso viel gewinnen würden. Viele scheinbar harmlose Spiele überlappen sich mit Glücksspielen, da sie etwa erlauben, für virtuelle Güter oder höhere Level zu bezahlen, wobei bei den Spielenden die Vorstellung geweckt wird, dass sie das ausgegebene Geld wieder zurückgewinnen können. Besonders bedenklich sind Spiele, die mit Cartoon-Charakteren ausgestattet sind und sehr bekannten Zeichentrickfiguren ähneln. Theoretisch müssen SpielerInnen zwar 18 Jahre alt sein, jedoch lassen sich solche Restriktionen durch falsche Angaben leicht umgehen.
Social Games etwa auf Facebook sind Lehrstücke in Psychologie, meist sehr einfach gestrickt und sprechen Menschen an, die anders funktionieren als die klassischen Konsolen- oder PC-Spieler. Social Games ziehen überdurchschnittlich viele Frauen an, denn sie stellen etwa 70 Prozent der Nutzer, oft im Alter zwischen 35 und 45 Jahren, wobei die beiden wichtigsten Motive Realitätsflucht und das Gefühl der Verbundenheit mit anderen Spielern ist, also das psychologische Bedürfnis befriedigen, einen Kontrast zum belastenden Alltag zu bilden und schnelle Befriedigung zu liefern. Social Games wenden konsequent psychologische Tricks an, um die SpielerInnen zu binden und sie dazu zu bringen, im Freundeskreis neue Mitspieler zu werben. Alle Spiele funktionieren nach folgenden Prinzipien:
- Einfach anfangen Das Spiel muss sich auf einen Blick selbst erklären, erst mit der Zeit nimmt es an Komplexität zu.
- Nicht überfordern Um flüchtige Spieler nicht mit Misserfolgen zu vergraulen, muss sich der Schwierigkeitsgrad stets an ihren Fähigkeiten orientieren.
- Niemals langweilen Immer wieder müssen neue Elemente oder Spielfiguren das Spiel abwechslungsreich halten (»Das neue Level der Woche ist da!«).
- Nie aufhören Ein Ziel gibt es nicht, kein letztes Level und kein Ende. Schluss ist erst, wenn der Spieler das Interesse verliert.
- Kontakte nutzen Social Games binden alle Kontakte ein, die bereits Nutzer sind (»Du bist schlauer als 1 Deiner Freunde. Teilen!«). Der Zugriff auf den Social Graph, also alle Verbindungen eines Nutzers im Sozialen Netzwerk, macht das möglich.
- Gegenseitig helfen Seine Freunde zu unterstützen und sich für erwiesene Gefälligkeiten im Spiel zu revanchieren erzeugt Wohlgefühl und bindet an das Spiel.
- Mehr werden Die Spieler werden ständig animiert, in ihrem Freundeskreis Werbung zu machen (»Stefan lädt Dich ein, FarmVille zu spielen!«)
Schnell und unbemerkt wird den SpielerInnen dabei das Gefühl vermittelt, dass die spielinternen Fortschritte zu langsam sind und durch den Zukauf nur kommerziell erhältlicher Güter wie Baumaterialien, Freunde oder Tiere das Spiel attraktiver gestalten kann und somit mehr in der Wahrnehmung der FreundInnen aufsteigt. Die Währung in diesen Spielen heißt ebenso wie in anderen Teilen des Social Webs und des Lebens: Aufmerksamkeit und Anerkennung.
So beschreibt eine Betroffene in einem Weblog unter dem Titel "Farmville, Happy Aquarium & Co." ihre Onlinegamesucht bzw. den Einstieg: "Meine zeitweilige Spielsucht fing damit an, dass ich Anfang des Jahres Facebook für mich entdeckte. (…) Dauernd kommen irgendwelche Statusmeldungen und dann erscheinen auch noch am laufenden Band Meldungen über irgendwelche Spiele. Zu Farmville verleitete mich eine Arbeitskollegin, die irgendwann mal einwarf: "Ich spiele jetzt Farmville. Das ist total super! Da kannst du Sachen anpflanzen und ernten. Das macht echt Spaß!". Da ich natürlich neugierig war, machte ich mich auf Entdeckungsreise, um zu erfahren, was es mit Farmville denn nun eigentlich auf sich hat. Daraus ergab sich, dass ich und drei andere Kollegen gleichzeitig mit dem Spiel starteten und sich so ein regelrechter Farmville-Battle untereinander entwickelte. Morgens wurde man auf der Arbeit oft mit den Worten begrüßt: "Haste schon gesehen, ich hab dich wieder überholt!". Das kratzte natürlich am Ego, denn jeder wollte der Beste sein. Außerdem machte es Spaß, da es eine Art Strategiespiel ist. Was kann ich wie am ertragreichsten anbauen? (…) Das Spiel ist so konzipiert, dass man nur weiterkommt/punktet, wenn man möglichst viele Mitspieler hat, denen man auf ihrer Farm helfen kann, von denen man Geschenke bekommt und mit denen man sein Farmgelände erweitern kann, um mehr anzubauen. Das führte natürlich dazu, dass ich meinen Facebookfreundeskreis mit Farmvilleeinladungen und Farmvillegeschenken bombadierte. Einige haben sogar angebissen, so dass nach und nach immer mehr Leute in dieses Spiel involviert wurden. Doch je mehr Farm-Nachbarn man hat, desto mehr hat man auch zu "tun" bei Farmville. Anpflanzen, ernten, den Nachbarn möglichst viel helfen. (…) Das Gemeine an solchen Spielen ist, dass sie einem kaum merklich immer mehr Zeit rauben. Dadurch, dass alle Spielanwendungen getimt sind, fühlt man sich gezwungen, in regelmäßigen Abständen zu spielen. Mein Freizeit- sowie (ich muss gestehen) mein Arbeitsverhalten änderten sich, indem ich täglich 1 bis 3 Stunden ins Spielen investierte. So ließ ich selten oder nie eine Ernte verkommen oder meine Fische hungern. Wenn es doch mal vorkam, ärgerte ich mich. Genauso ließ ich mich immer wieder anspornen, wenn mich einer meiner Mitspieler punktemäßig überholte oder verspürte mehr als Genugtuung wenn ich vorne war."
Quellen und Literatur
http://wwwm.htwk-leipzig.de/~schweika/Drogenprojekt/Gruppe3/Ordner1/Kauf3.html (00-04-27)
http://www.spielen-mit-verantwortung.de/gluecksspielsucht/ (09-02-02)
http://www.ksta.de/html/artikel/1238966789046.shtml (09-04-20)
http://www.welt.de/die-welt/wissen/article4493047/Wissenschaft.html (09-09-10)
http://de.wikipedia.org/wiki/FarmVille (10-02-20)
Suchtstoff für zwölf Millionen. Die Presse vom 18. 12. 2010
Auch Ego Shooter brauchen mal Geborgenheit.
WWW: http://www.dgps.de/index_projekte.php?proj=reinecke (10-09-28)
http://www.pcgames.de/aid,706681/Sid-Meier-Belohne-den-Spieler-Die-Psychologie-des-Spieldesigns/PC/ (10-03-18)
FarmVille & Co. Klick die Kuh. Zeit online vom 13. Februar 2012.
http://www.lizzynet.de/wws/3355428.php (12-04-08)
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