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Keine Macht den Drogen - No Drugs Mit dem Rauchen aufhören ohne Ersatztherapien

Chapman & MacKenzie (2010) haben zahlreiche Studien aus den Jahren 2007 und 2008 ausgewertet, die belegen, dass zwei Drittel bis drei Viertel der erfolgreichen Raucher ohne Ersatzmittel oder psychologische Hilfe von ihrer Sucht loskommen können. Die Erfolgreichen hatten entweder von einem Tag auf den anderen aufgehört, oder hatten langsam die Anzahl ihrer Zigaretten reduziert. Wer erfolgreich mit dem Rauchen aufgehört hat, beurteilt die Entwöhnung als viel weniger schwierig als erwartet. Die Wissenschaftler kritisieren, dass der Öffentlichkeit aber das Bild vermittelt wird, dass Nikotinersatztherapien zum erfolgreichen Rauch-Stopp nötig seien und viele Anti-Raucher-Kampagnen machen Werbung für Produkte zum Tabakersatz. Das führt dazu, dass Raucher nicht mehr daran glauben, ohne Hilfsmittel von der Zigarette loskommen zu können, was durchaus im Sinne der Pharmaindustrie ist, die eine Vielzahl der Studien zur Rauchentwöhnung finanziert, wobei bei etwa jeder zweiten bezahlten Untersuchung ein entscheidender Effekt der Tabakersatztherapien bei der Rauchentwöhnung bestätigt wird.

Eine 2012 in „Tobacco Control“ veröffentlichte Untersuchung von Gregory Connolly (Leiter des "Center for Global Tobacco Control" an der "Harvard School of Public Health) an 787 Rauchern in den USA kommt zu dem Schluss, dass Rauchentwöhnungsprodukte wie Pflaster oder Kaugummi nicht wirklich helfen, von der Sucht loszukommen, wobei die meisten auch nicht korrekt angewendet werden, denn obwohl empfohlen wird, die Mittel mindestens acht Wochen anzuwenden, setzten sie zwei Drittel schon nach wenigen Wochen wieder ab. Weder fachliche Beratung noch Pflaster oder Kaugummis senkten das Rückfallrisiko, sondern im Gegenteil: Starke Raucher mit mehr als 20 Zigaretten am Tag, die ein Ersatzprodukt nahmen, ohne sich beraten zu lassen, hatten eine doppelt so hohe Rückfallquote wie vergleichbare Raucher, die nicht zu diesen Hilfsmitteln griffen. Vermutlich wirken Ersatzprodukte nur kurzfristig durch Linderung der Entzugserscheinungen, da sie Nikotin enthalten, langfristig aber nicht vor einem Rückfall. Es könnte auch daran liegen, dass die bisherigen Studien meist von Produzenten solcher Mittel finanziert wurden und die ProbandInnen daran interessiert waren, dass die verwendeten Mittel erfolgreich sind (vgl. Park, 2012).

Chua et al. (2009) berichten, wie bestimmte Gehirnregionen (diese liegen im präfrontalen Cortex, im Precuneus und im Bereich des Gyrus cinguli) auf personalisierte Rauchstoppbotschaften reagieren, wobei ein Gehirnscan zeigen kann, ob ein Raucher von seinem Laster loskommen wird oder nicht. Diese Regionen sind an der Verarbeitung von selbstbezogenen Informationen beteiligt und werden dann aktiv, wenn man über sich selber nachdenkt. Basierend auf einem ausführlichen Interview mit den ProbandInnen entwickelte man persönliche Durchhaltebotschaften für jeden einzelnen Probanden, die seine Motivation während der Entwöhnungsphase mittels eines webbasierten Programms stärken sollten, wobei man zeitgleich diese Arreale des Gehirns scannte. Es zeigte sich, dass vier Monaten nach Beginn des Entwöhnungsprogramms diejenigen Probanden nicht mehr rauchten, deren Gehirn während des Scans sehr stark auf die personalisierten Botschaften reagiert hatte, wobei vor allem die Aktivität im dorsomedialen präfrontalen Cortex entscheidend war.

 

Soziale Unterstützung beim Rauchstopp

Schweizer Psychologen konnten in einer Untersuchung zeigen, dass das Aufhören bei Paaren erfolgreich er war, wenn der Partner oder die Partnerin den Raucher unterstützte, ihn oder sie an sein Vorhaben erinnerte, ihm oder ihr Mut zusprach und in heiklen Situationen beistand. Allerdings half die Unterstützung nur, wenn der oder die Rauchende eigene Kompetenzen ausgebildet hatte, um das Rauchen zu stoppen, wozu etwa die Selbstwirksamkeit gehört, also das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, trotz Schwierigkeiten mit dem Rauchen aufhören zu können. Je höher die Selbstwirksamkeit des Betroffenen ist und je besser die soziale Unterstützung durch den Partner ausfällt, desto grösser war die Chance, dass die Rauchenden tatsächlich mit dem Rauchen aufhören. Hinzu kommt, dass eine gute Planung des Rauchstopps ebenfalls sehr hilfreich ist, denn je umsichtiger die Rauchenden schwierige Situationen wie die Gesellschaft rauchender Freunde vorwegnahmen und Strategien dafür entwickelten, desto eher gelang das Auffhören. Selbstwirksamkeit, Bewältigungsplanung und soziale Unterstützung allein hingen jedoch nicht allein mit einem Rauchstopperfolg zusammen, sondern nur die Kombination individueller Kompetenzen und sozialer Unterstützung führte letztlich zum Erfolg (Ochsner et al., Scholz et al.).

Klingemann (2017) hat die Möglichkeiten der Selbstheilung bei Sucht empirisch untersucht und festgestellt, dass die Ausstiegswege so unterschiedlich wie die Persönlichkeiten sind, und dass der Erfolg selten bereits im ersten Anlauf gelingt. Am Beginn kann eine bewusste große Inszenierung liegen, z.B.: "Ich habe die letzten drei Junks gemacht, ein Morphium, ein Heroin, ein Kokain - alle drei miteinander, und dann bin ich auf den Zug. Ich hatte noch einen Schuss vorrätig, den habe ich ganz, ganz langsam quasi feierlich in das WC geleert ..." Im Anschluss werden die "alten versifften Klamotten" aus der Junkszene verfeuert. Klingemann zeigt Betroffene, die in der Übergangsphase bewusst ihren Konsum ändern, und statt ihres Suchtmittels massenweise Wasser oder Kaffee zu sich nehmen, Süßigkeiten oder Vitamintabletten u.a. bis zum Erbrechen essen. Auch die zeitweise Isolation an einem fremden Ort oder der Umzug in eine völlig andere Nachbarschaft können befreiend wirken. Immer bleibt es jedoch wichtig, die eigenen psychischen und sozialen Ressourcen zu kennen und zu nutzen, auch wenn gerade das Soziale ein Problemfeld bleibt, denn etwa drei Viertel der Selbstheiler gaben an, dass sie während und nach ihrer Zeit der Abhängigkeit kaum Unterstützung erhalten hatten. Die Mehrzahl wollten erstens von Hilfe nichts wissen, auch wenn diese mit besten Absichten angeboten wurde, was auch daran liegen kann, dass Betroffene vermeiden wollen, unfreiwillige Zeugen eines Misserfolgs zu haben.

Eine französische Studie hat untersucht, ob Nikotinpflaster beim Rauchstopp von schwangeren Frauen einen Nutzen haben, wobei man rund 400 werdende Mütter, die mit dem Rauchen aufhören wollten, in diese Studie einbezog. Zu Studienbeginn waren sie in der in der 12. bis 20. Schwangerschaftswoche, wobei die werdenden Mütter neben Beratungsgesprächen Nikotinpflaster oder gleich aussehende Placebo-Pflaster erhielten, die kein Nikotin freisetzen. Regelmässig wurde auch kontrolliert, ob die Frauen einen Rückfall hatten, indem der Kohlenmonoxid-Gehalt in der Atemluft der Teilnehmerinnenüberprüft wurde. Nur 5,5 Prozent der Frauen, die Nikotinpflaster genutzt hatten, schafften es, mindestens bis zur Entbindung nicht mehr zu rauchen, während es in der Placebo-Gruppe 5,1 Prozent waren. Wie bei rauchenden Schwangeren zu erwarten war, lag das Geburtsgewicht der Babys mit 3065 beziehungsweise 3015 Gramm unter dem Durchschnitt, aber auch hier zeigte sich kein Vorteil durch die Nikotinpflaster gegenüber den Placebo-Pflastern. Offensichtlich ist die medizinische Beratung die Hauptmethode, um Schwangere beim Rauchstopp zu unterstützen.

Virtuelle Rauchentwöhnung: ANTARES

WissenschaftlerInnen der Universität Siegen entwickeln die Virtual Reality-Anwendung ANTARES, die RaucherInnen dabei unterstützen soll, ihre Sucht zu überwinden, wobei mithilfe einer Virtual Reality-Brille und einem Joystick RaucherInnen trainieren sollen, dem Drang zur Zigarette zu widerstehen. In dieser Therapie tauchen die ProbandInnen in eine virtuelle, künstliche Welt ein, wobei ihnen verschiedene Objekte vorgeführt werden, einerseits solche, die mit dem Rauchen verbunden sind, wie etwa ein Feuerzeug, ein Aschenbecher oder auch eine Zigarette, und andererseits solche, die nichts mit dem Rauchen zu tun haben, etwa eine Blume oder eine Zahnbürste. Mit dem Joystick müssen die RaucherInnen nun ähnlich wie bei einem Computerspiel die nikotinbezogenen Objekte von sich wegschieben und so optisch verkleinern, die übrigen Objekte dagegen zu sich heranziehen und so vergrößern. Man hofft, dass die Wirkung des Trainings durch die virtuelle Realität gesteigert werden kann, denn die emotionale Ebene wird dabei viel stärker angesprochen, als wenn man vor dem klassischen Desktop-Computer sitzt. Anders als viele herkömmliche Nikotintherapien zielt die neue Therapieform nicht nur auf das reflexive System im Menschen ab, sondern auf das impulsive, emotionale System. Es geht also nicht allein darum, sich anhand rationaler Argumente bewusst zu machen, warum es besser wäre, mit dem Rauchen aufzuhören. Die Teilnehmenden sollen darüber hinaus auch lernen, den Impuls, zu rauchen, besser zu kontrollieren, denn Menschen greifen plötzlich, ganz impulsiv zur Zigarette, wenn sie Stress oder Streit haben. Es handelt sich dabei um ein Verfahren, dass sich bei der Alkoholtherapie vereits bewährt hat: Approach-Avoidance-Training.

Überblick über Nikotinersatztherapien

Es ist schwierig, sich einen Überblick zur Wirkung von Nikotinersatztherapien wie Nikotinpflaster, Nikotinkaugummis, Nikotin-Lutschtabletten und Nikotin-Inhalatoren zu verschaffen, denn objektive Informationen sind nur schwer über das Internet auffindbar oder werden falsch dargestellt.

E-Zigaretten - "Dampfen"

Starke Raucher setzen aktuell häufig auf die E-Zigaretten. Die Gefahr bei E-Zigaretten ist nach Ansicht von Experten das tiefe und häufige Inhalieren eines Chemiecocktails, von dem niemand genau weiß, was darin enthalten ist. Zwar gibt es vereinzelt Hinweise, das selbst nikotinfreie E-Zigaretten einen positiven psychologischen Effekt bei der Rauchentwöhnung haben, allerdings ist die bisher vorliegende Datenbasis viel zu schmal für eine Empfehlung. Es wurde nachgewiesen, dass selbst in angeblich nikotinfreien Liquids Nikotin enthalten ist, wobei es durch zu heftiges Ziehen zu einer Überdosierung mit medizinischen Konsequenzen kommen kann. Bei Kaugummis und Pflastern ist die Gefahr einer Überdosierung eher gering, aber auch bei zu heftigem Kauen der Kaugummis kann es zu Übelkeit kommen, daher gilt, nur kurz ankauen und dann in der Backentasche ruhen lassen.

Nach einer neueren Untersuchung greifen etwa 18 Prozent der Menschen, die mit dem Rauchen aufhören wollen, zur E-Zigarette. Nach Ansicht von Experten ist diese Methode für die Rauchentwöhnung aber völlig ungeeignet, denn das Dampfen aktiviert das sucht Gedächtnis: Man zieht an der E-Zigarette, und inhaliert und bläst den Rauch aus, d.h., von seinen Rauchgewohnheiten kommt man dadurch in keinem Fall los.

2020 hat die Weltgesundheitsorganisation ihre Warnung vor E-Zigaretten noch einmal verschärft, denn E-Zigaretten sind ohne Zweifel gesundheitsschädlich und nicht sicher. In diesem Bericht zählt die Weltgesundheitsorganisation verschiedenste Gesundheitsrisiken für Raucher und Passivraucher auf, denn so kann der Dampf von E-Zigaretten Föten im Mutterleib und das Gehirn von Jugendlichen schädigen. Die Weltgesundheitsorganisation warnt unter anderem vor einem erhöhten Risiko von Herz- und Lungenkrankheiten, wobei die langfristigen Folgen von E-Zigaretten aber noch gar nicht bewertet werden können. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation gibt es zudem keine ausreichenden Beweise für die Behauptung, dass E-Zigaretten dabei helfen, mit dem Rauchen aufhören. Es gibt auch kaum Anzeichen dafür, dass E-Zigaretten Jugendliche vor noch schädlicheren Produkten bewahren, denn Jugendliche, die E-Zigaretten rauchen, werden mit höherer Wahrscheinlichkeit auch zu konventionellen Zigaretten greifen.

Finanzieller Anreiz zur Rauchentwöhnung

In einer Untersuchung wurden die rauchenden Angestellten der US-Apothekenkette CVS nach dem Zufallsprinzip zwei Gruppen zugeteilt: Der einen bot man 800 Dollar, wenn diese für mindestens ein Jahr mit dem Rauchen aufhören, die andere Gruppe musste ein Pfand von 150 Dollar hinterlegen. Sollten die Teilnehmer der zweiten Gruppe erfolgreich sein, dann bekamen sie nicht nur ihr Geld zurück sondern noch 650 Dollar zusätzlich. Dabei waren aber nur 15,7 Prozent der Pfand-Gruppe bereit, an der Studie teilzunehmen, während jene, die man mit einem Bonus lockte zu 90 Prozent zusagten. Die Ergebnisse zeigten, dass das Pfand wirksamer war, denn in der Pfand-Gruppe waren nach einem Jahr noch mehr als die Hälfte Nichtraucher, während bei denr anderen nur 17 Prozent durchhielten. Menschen mögen es weit weniger 150 Dollar zu verlieren, als diese zu gewinnen. Insgesamt waren waber beide Interventionen wirksamer als die Standardtherapien mit Nikotinpflastern oder –kaugummis (Halpern et al., 2015).

Kurioses: Das Rauchen mit der Farbe der Packungen vermiesen

Die Australische Regierung hat das Forschungsinstitut GfK damit beauftrage, die hässlichste Farbe der Welt zu suchen, und wird mit dem Pantone-Ton 448 C, auch Opaque Couché genannt, fündig. Die hässlichste Farbe der Welt sollte den Australiern die Lust aufs Rauchen vermiesen, wobei schon der Anblick der Farbe, die an Matsch, Dreck oder gar Tod erinnert, wirkt abstoßend und überträgt die Assoziation der Verpackung auch auf Zigaretten. Dieses grünliche Grau-Braun hatten die Meinungsforscher mit sieben Studien und Tests an über eintausend Rauchern entwickelt. Auch Großbritannien, Irland und Frankreich wollen bei der Gestaltung der Zigarettenverpackungen diese Farbe wählen.

Dieses Thema kann in einem speziellen Forum der Arbeitsblätter diskutiert werden: Wie hört man mit dem Rauchen auf?

Literatur

Chapman, S. & MacKenzie, R. (2010). The Global Research Neglect of Unassisted Smoking Cessation: Causes and Consequences. PLoS Med 7(2): e1000216. doi:10.1371/journal.pmed.1000216

Chua, H.F., Polk, T., Welsh, R., Liberzon I. & Strecher, V. (2009). Neural responses to elements of a web-based smoking cessation program. Studies in Health Technology and Informatics, 144 , 174-178.

Klingemann, H. (2017). Sucht - Selbstheilung ist möglich. Lengerich: Pabst.

Ochsner, S., Luszczynska, A., Stadler, G., Knoll, N., Hornung, R., & Scholz, U. (in press). The interplay of received social support and self-regulatory factors in smoking cessation. Psychology & Health.

Park, Alice (2012). Nicotine Gum and Patch Don’t Help Smokers Quit Long Term
WWW: http://healthland.time.com/2012/01/09/nicotine-gum-and-patch-dont-help-smokers-quit-long-term/ (12-01-10)

Scholz, U., Berli, C., Goldammer, P., Lüscher, J., Hornung, R., & Knoll, N. (in press). Social control and smoking: Examining the moderating effects of different dimensions of relationship quality. Families, Systems, & Health. DOI: 10.1037/a0033063

Scott D. Halpern, M.D., Ph.D., Benjamin French, Ph.D., Dylan S. Small, Ph.D., Kathryn Saulsgiver, Ph.D., Michael O. Harhay, M.P.H., Janet Audrain-McGovern, Ph.D., George Loewenstein, Ph.D., Troyen A. Brennan, M.D., J.D., David A. Asch, M.D., M.B.A., & Kevin G. Volpp, M.D., Ph.D. (2015). Randomized Trial of Four Financial-Incentive Programs for Smoking Cessation. New England Journal of Medicine.
WWW: http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1414293#t=article (15-05-22)

Stead LF, Perera R, Bullen C, Mant D, Hartmann-Boyce J, Cahill K, Lancaster T. (2012). Nicotine replacement therapy for smoking cessation. Cochrane Database of Systematic Reviews, 11, Art. No.: CD000146. DOI: 10.1002/14651858.CD000146.pub4.



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