Ätiologien der Sucht
Der meist auch als Stigmatisierung beschriebene Prozeß der Sucht läßt sich sowohl aus individueller als auch aus gesellschaftlicher Sicht als pathologische Form der Beziehungen eines Individuums zu seiner Umwelt begreifen. Viele Suchtkranke besitzen nur eingeschränkten Zugang zu ihrer Emotionalität. Vor allem die isolierte, nur schwer kommunizierbare sozio-emotionale Situation des Süchtigen erzeugt in Verbindung mit der Ablehnung süchtigen Verhaltens durch die Gesellschaft den Leidensdruck der Sucht.
Die individuelle Ausprägung einer Sucht verläuft meist schleichend, d.h. anfänglicher Konsum führte über Gewöhnung zur Abhängigkeit und kann in völligem Zerfall der Persönlichkeit enden.
Genetische Ursachen
Viele Untersuchungen, u.a. an eineiigen Zwillingen und Adoptivkindern, legen nahe, daß eine Disposition zu süchtigem Verhalten mit näher zu bestimmender Wahrscheinlichkeit vererbbar ist. Es wird aber auch darauf hingewiesen, daß jede Disposition auf entsprechende Umweltbedingungen angewiesen ist, um sich zu äußern.
Außerdem konnte bisher nicht der Nachweis spezieller "Suchtgene" erbracht werden - wahrscheinlicher ist, daß ein Zusammenspiel mehrerer Gene möglicherweise eine Disposition zur Sucht erzeugt.
Psychoanalytische Theorien
Psychoanalytische Theorien gehen davon aus, daß die Grundlage zu süchtigem Verhalten in der präödipalen Phase des Menschen gelegt wird. In dieser Phase ist das Kind völlig von der Mutter abhängig, seine Lebensbedürfnisse werden allein von der Mutter befriedigt. Ausgehend von der Geburt befindet sich der Säugling zunächst in einem Zustand totaler Symbiose mit der Mutter, die er als solche noch gar nicht wahrnimmt. Erst allmählich entwickelt er atavistische Vorstellungen seiner Umwelt, zunächst der mütterlichen Brust. Mit zunehmender Wahrnehmungsfähigkeit und steigenden Bedürfnissen entwickelt er differenziertere Vorstellungen seiner Umwelt und nimmt schließlich die Mutter, dann auch eigene Körperorgane als Objekte wahr, die sogenannten Objektrepräsentanzen bilden sich. In der weiteren Entwicklung verdichten sich diese schließlich zu einer Selbstrepräsentanz, d.h., das Kleinkind entwickelt eine Vorstellung von sich selbst.
Treten in dieser Entwicklung tiefgreifende Störungen in Form von Nahrungsentzug oder Versagung anderer elementarer Bedürfnisse auf, kommt es zum Trauma, das sich letztlich beinahe unwiderruflich durch das gesamte zukünftige Leben der betreffenden Person zieht und sich in gestörten Umweltbeziehungen manifestiert, z.B. stark gesteigerter Furchtsamkeit, Reizbarkeit, Mißtrauen, Aggressivität etc..
Die einzige Möglichkeit des Betreffenden, diese ihn angehenden Affekte unter Kontrolle zu bringen, liegt darin, sich mit Drogen oder neurotischem Verhalten zu betäuben bzw. in die Phantasie zu flüchten. Ein suchtkranker Mensch ist nach dieser Auffassung daher auf der oralen Stufe stehengeblieben, sodaß das Suchtmittel zum Ersatzobjekt für entgangene Zuwendung und Liebe wird. Der suchtgefährdete oder suchtkranke Mensch leidet an Ich-Schwäche und einer Störung des Über-Ich, und bedarf der Wirkung der Droge, um mit Gefühlen wie Angst, Feindseligkeit, Minderwertigkeit und Depression fertig zu werden.
Lerntheorien
Laut Lerntheorien wird süchtiges Verhalten durch bestimmte Schlüsselsituationen ausgelöst und durch Wiederholung erworben. Schlüsselsituationen sind dabei vor allem die Beobachtung des Verhaltens von Vorbildern und Modellen und deren Nachahmung, wie z.B. der rauchenden Eltern, drogenkonsumierenden Gleichaltrigen, Werbung etc. Wird aus dem nachahmenden Verhalten Genuß gezogen, spricht einiges dafür, daß es in ähnlichen Situationen wiederholt wird. Der Gebrauch kann allmählich zur Gewöhnung und schließlich zur Abhängigkeit führen. Sucht ist die Fixierung auf ein Verhaltensmuster und damit Ausdruck unbefriedigter elementarerer materieller und psychosozialer Lebensbedürfnisse. Der Einstieg in den Suchtmittelkonsum erfolgt daher auch häufig durch Imitation eines Vorbildes, und zwar oft ohne ein originäres Konsumverlangen. Die lustvollen Zustände wirken in der Folge konsumverstärkend und lösen neuerlichen Konsum aus, wobei die durch Drogen erzeugte angenehme Stimmung zusätzlich als Verstärker wirkt. Die Begleitumstände des Konsums - etwa soziale Kontakte oder die Umgebung - können ebenfalls verstärkend wirken oder sogar ins Zentrum des Konsumerlebnisses rücken.
Bedeutung kommt den Lerntheorien außer beim Vorbildlernen vor allem im Zusammenhang mit dem Erziehungsstil der Eltern zu, der als Ursache für süchtiges Verhalten der Heranwachsenden diskutiert wird, wenn Eltern die Bedürfnisse ihrer Kinder nach Liebe und Zuwendung mit materieller Zuwendung beantworten, z.B. Süßigkeiten, und damit eine Verschiebung in der Bedürfnisstruktur hervorrufen. Auch eine Gefährdung durch fehlerhafte Erziehungsstile wird in der Literatur genannt, wobei besonders rigide Haltungen, Überliberalität oder Laissez-faire, Overprotection oder Anomiedruck betrachtet werden. Des weiteren sind die massive Verführung zu Suchtmittelkonsum durch Leitbilder und die offene Werbung für Suchtmittel eine Basis für eine lerntheoretische Erklärungsmöglichkeiten der Suchtentstehung.
In der psychologisch orientierten Suchtforschung vertritt man in neuerer Zeit immer mehr die Ansicht, dass Sucht vor allem eine Lern- und Gedächtnisstörung des Gehirns ist. Wenn Menschen Alkohol oder auch andere Drogen konsumieren, lernt nämlich auch das Unterbewusstsein, immer mehr der Droge zu fordern und Erinnerungen und Gewohnheiten rund um das Thema Drogen oder Alkohol zu speichern, d.h., der Alkoholkonsum wird unbewusst mit angenehmen Erfahrungen verknüpft, etwa in eine Bar zu gehen, Freunde zu treffen, gut zu essen oder auch Musik zu hören. Diese angenehmen Erinnerungen werden dadurch verstärkt, dass Alkohol auch die Freisetzung des Botenstoffs Dopamin im Gehirn auslöst, der üblicherweise als Glückshormon bezeichnet wird, aber auch ein das Lernen unterstützendes Hormon darstellt, denn es stärkt diejenigen Synapsen, die aktiv werden, wenn Dopamin freigesetzt wird. Auch Drogen fördern nach neueren Untersuchungen einen den Prozess der neuronalen Plastizität und kapert das auf Dopamin reagierende System im Gehirn bzw. geben einen Impuls, das aktuelle Erleben abzuspeichern, sodass das, was man im Augenblick macht, erstrebenswert wird und es deshalb auch wert ist, wiederholt zu werden, also etwa, Alkohol zu trinken oder ein anderes Suchtmittel zu konsumieren. Je häufiger angenehme Erlebnisse im Zusammenspiel mit Alkoholgenuss stattfinden, desto mehr Dopamin wird freigesetzt, desto stärker werden die entsprechenden Synapsen ausgebildet und desto mehr wünscht man sich, diese Erfahrungen, die um den Drogenkonsum kreisen,zu wiederholen, also der bekannte Teufelskreis der Sucht in Gang gesetzt wird. Dieses Lernen erklärt übrigens auch das Faktum, dass die bloße Reduktion einer Droge beim Versuch, von dieser loszukommen, völlig wirkungslos ist, da ja jeder wenn auch verminderte Suchtmittelkonsum wieder als Belohnung wirkt.
Sozialpsychologische Theorien
Sozialpsychologische Theorien betonen vor allem die Einflüsse der Umgebung auf die Ausprägung süchtigen Verhaltens. Viele Faktoren wurden auf ihre Wirksamkeit bzgl. einer Suchtentwicklung untersucht, z.B. häusliches Milieu, sozioökonomische Bedingungen, Sozialisation, Schichtzugehörigkeit, Schulleistungen, Zukunftsperspektiven, gesellschaftliche Strukturen etc. Weitgehende Übereinstimmung scheint in der Bedeutung folgender Faktoren zu bestehen:
- Persönlichkeitsmerkmale, vor allem Depressivität wird durchgehend genannt - siehe dazu den Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Substanzkonsum bei Jugendlichen
- Vulnerabilitätsmerkmale der Herkunftsfamilien, u.a. rigide Werthaltungen und Rollenverteilungen, aber auch diffuse interne Grenzen bei gleichzeitiger Abschottung von der Umwelt
- Peer Group, denn der erste Suchtmittelkonsum vollzieht sich in der Regel nicht isoliert, sondern innerhalb einer dieser
- gesellschaftliche Struktur mit einseitigen Normierungs- und Wertsetzungsprozessen, z.B die Divergenz von Leistungs- und Konsumorientierung.
Die Prävalenz dieser Faktoren für ein späteres Suchtverhalten ist aber je nach Person verschieden und und verhält sich nicht additiv, d.h. es kommt nicht darauf an, wieviele Faktoren in einer Person zusammentreffen, sondern in welcher Konstellation.
Soziologische Theorien
Aus soziologischer Perspektive wird die allgemeine Schwierigkeiten des Einzelnen, sich in einer bürokratisierten und hochtechnisierten Gesellschaft zurechtzufinden, verbunden mit seelischen Belastungen, die sich aus gesellschaftlichen und sozialen Orientierungsproblemen ergeben, für die Suchtentstehung verantwortlich gemacht. Schwierigkeiten oder Unfähigkeit, selbstverständlich erscheinende Verhaltensweisen und Gewohnheiten der Gesellschaft zu verarbeiten und auch nach ihnen zu leben, mangelnde Zukunftsperspektiven vor allem im Arbeits- und Ausbildungsbereich, gesellschaftliche Veränderungen und diesbezügliche Konflikte oder eine wachsende Opposition gegen Werte und Normen der "Gesellschaft" können ebenfalls als Auslöser betrachtet werden.
Als Anomiedruck äußert sich der Zustand mangelnder individueller Anpassung an neue soziale Tatbestände besonders in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche durch Fehlen entsprechender sozialer Normen, sodaß es zu einer Destabilisierung der sozialen Beziehungen sowie der spürbaren Zunahme abweichenden Verhaltens kommen kann.
Biologisch-phylogenetische Theorien
Neuere medizinische Forschungsergebnisse gehen davon aus, daß manche Menschen wegen der Störung ihres eigenen Opioidhaushaltes den Konsum von Opiaten als besonders befriedigend erleben und deshalb besonders anfällig sind, daher ist dieses Erklärungsmodell vor allem auf die Abhängigkeit von Opiaten anwendbar. Demnach wäre Sucht eine Krankheit des menschlichen Stoffwechselsystems.
Biologische Theorien zur Suchtgenese machen das mesolimbische System des Gehirns als Sitz des süchtigen Verlangens aus. Dieses System besitzt enge Verbindungen zum Lustempfinden und wird auch als körpereigenes Belohnungssystem apostrophiert.
Es befindet sich in dieser Form außer beim Menschen auch bei anderen höheren Wirbeltieren. So entwickeln auch Ratten und Mäuse in Versuchsanordnungen eine Alkohol- bzw. Opiatsucht, d.h. sie ziehen Alkohol- bzw. Opiatlösungen normalem Trinkwasser vor und behalten dieses Verhalten auch nach einer zwangsweisen Abstinenz von mehreren Monaten bei.
Alle Phasen der Sucht - von Rausch bis zum Rückfall, von "Kick" bis "Craving" spielen sich daher im gleichen kleinen Hirnareal ab, dem Nucleus Accumbens, dem Belohnungssystem, das lebenswichtige Vorgänge wie Essen, Trinken und Sex mit einem Lustgefühl verbindet. Dazu schütten die Nervenzellen Botenstoffe, vor allem Dopamin aus. Sämtliche Drogen jedoch stören den Mechanismus dergestalt, dass mehr freies Dopamin übrigbleibt.
Das limbische System ist in evolutionärer Betrachtung sehr alt und steht mit Regionen wie dem Thalamus und dem Cortex in enger Verbindung. Seine wichtigsten Teile sind Hippocampus und Amygdala, durch diese werden alle aus der Umwelt eintreffenden Informationen affektiv gefärbt und bewertet, wodurch ihm auch eine relativ zentrale Stellung im Nervensystem zukommt. Sucht kann etwa als Aspekt des phylogenetisch wichtigen Forscher- und Entdeckerdrangs des Menschenbetrachtet werden. In der Jäger- und Sammlergesellschaft war die Fähigkeit des Menschen, sich ganz auf die Nahrungssuche mit dazugehörigem Lebenskampf - z.B. gegen starke Tiere - zu konzentrieren, überlebenswichtig, und daß in Verbindung mit der Befriedigung, die im Falle des Erfolgs daraus resultierte, diese Menschen durchaus als süchtig nach den Tätigkeiten des Sammelns und Jagens bezeichnet werden konnten. Auf diese Weise habe sich die Veranlagung bis heute vererbt, nur daß die Kultur keine Gelegenheit zu solchen Situationen und der daraus resultierenden Befriedigung biete, weshalb sie auf andere Weise gesucht würden. Süchtiges Verhalten sei Ausdruck dieses ursprünglich arterhaltenden Drangs nach Grenzüberschreitung, Erfahrung, Selbstwirksamkeit, letztlich nach Erkenntnis - augenfälligster Ausdruck dafür der Boom der Extremsportarten.
Konrad Lorenz spricht vom "Wärmetod des Gefühls" in der Zivilisation: der moderne Mensch ist es nicht mehr gewohnt, Spannungen auszuhalten - muß er es doch, gelingt dies oftmals nur mit Hilfe von Drogen. Insbesondere die Aggressionsenergie bildet sich ständig neu nach und drängt nach Abfuhr. Die neuzeitliche Zivilisation bietet aber kaum sinnvolle Entladungsmöglichkeiten, sodaß in der Folge beim Menschen Störungen in der physischen wie auch psychischen Gesundheit entstünden.
Für Neurobiologen ist das Gehirn das Reaktionsorgan auf Veränderung, z.B. muß es mit Stress fertig werden. Das Gehirn strebt nun danach, aus dem dadurch entstandenen asynchronen Zustand wieder in einen synchronen zu gelangen. Dazu gibt es vier Möglichkeiten:
- Drogen wie MDMA (Ecstasy, XTC), die den Botenstoff Serotonin ausschütten und damit chemisch wirken,
- Rhythmen wie Gehen oder "Rosenkranzbeten, das mantrische Aufsagen von immer Gleichem",
- Entspannung, wie sie in asiatischer Meditation bewirkt wird, und
- die Bewältigung des Stress auslösenden Faktors.
Mythologisch-existentielle Theorien
Diese Theorien rekurrieren auf den Zusammenhang von Sucht und Suchen, wobei die etymologische Verwandtschaft eher zwischen Sucht und Siechen liegt, was aber wiederum auf Suchen im Sinne einer Entwicklung verweist. Sucht hat aber etymologisch nichts mit Suchen zu tun.
Sucht wird in mythologisch-existentiellen Theorien beschrieben als Suche nach sich selbst, nach dem Sinn des Lebens, nach Wiedergeburt, aber auch nach dem Tod. Betont wird die Nähe dieser Suchprozesse zu Initiationsriten, mit denen bei vielen Völkern - in den technisierten Ländern in rudimentärer Form - die Jugendlichen in die Gesellschaft eingeführt bzw. in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen werden.
Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Substanzkonsum bei Jugendlichen
Petermann & Roth (2003, Universität Leipzig) gingen den Fragen nach, ob ein spezifischer Persönlichkeitstyp Jugendlicher mit dem Substanzkonsum im Zusammenhang steht und ob die typologische Betrachtungsweise diesbezüglich Vorteile gegenüber dem variablenorientierten Ansatz aufweist.
Die empirische Basis bildete eine Stichprobe von 1236 Jugendlichen im Alter von 14-16 Jahren. Die Bestimmung der Persönlichkeitstypen erfolgte auf der Basis der "big five" unter Verwendung clusteranalytischer Methoden. Dazu wurden hierarchische und nichthierarchische Verfahren kombiniert und die Clusterlösungen doppelt kreuzvalidiert. Die Angehörigen zweier Cluster konnten durch die entsprechende Ausprägung der "big five" Merkmale und durch Korrelate (internalisierende bzw. externalisierende Symptombelastung) als protektiver (niedriger Neurotizismus, hohe Extraversion, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit) bzw. vulnerabler Persönlichkeitstyp charakterisiert werden.
Bei Jugendlichen, die dem protektiven Persönlichkeitstyp zugeordnet wurden ließ sich ein signifikant geringerer Konsum der Substanzen Tabak, Alkohol und Marihuana feststellen. Der Vergleich zwischen dem typologischen und dem variablenorientierten Ansatz der Persönlichkeitsklassifikation bezüglich des Substanzkonsums Jugendlicher erfolgte durch den Einbezug der Variablen Sensation Seeking. Es konnte gezeigt werden, dass der in der Literatur belegte Zusammenhang von Sensation Seeking mit dem Substanzkonsum zwar existiert, durch die Berücksichtigung von Persönlichkeitstypen aber deutlich relativiert wird.
Sucht und Gehirn
In PET-Studien stellte sich heraus, daß der Kokainmissbrauch zu gravierenden Veränderungen des Dopamin-Systems führt. Diese Veränderungen wirken sich auch hemmend auf Gehirnzentren aus, die der Kontrolle impulsiven bzw. sich wiederholenden Verhaltens dienen. Diese Erkenntnisse führten zu der Hypothese, dass neurochemische Veränderungen des Gehirns zur Erklärung des Kontrollverlusts und des Rückfalls von Abhängigen beitragen könnten.
PET wurde auch eingesetzt, um die Auswirkungen des Zigarettenrauchens auf das Enzym Monoaminoxidase (MAO) zu untersuchen. Dieses Enzym baut Neurotransmitter wie zum Beispiel das Dopamin ab. Es existiert in zwei Varianten: MAO A und MAO B. Es konnte nachgewiesen werden, daß der Zigarettenrauch das Vorkommen von MAO B in Gehirnen von Rauchern im Vergleich zu Nicht- und ehemaligen Rauchern um 40 % vermindert. MAO A wird bei Rauchern um 28 %, verglichen mit Nichtrauchern, reduziert. Tabakrauch führt also zu einer gesteigerten Dopamin-Aktivität bei Rauchern. Depressive und Drogenabhängige bzw. Alkoholiker sind häufiger Raucher als Menschen ohne diese Störungen. Bedenkt man die Auswirkungen des Dopamins auf das Belohnungssystem im Gehirn, so könnte die Verminderung der Monoaminoxidase zur Erklärung dieses Sachverhalts beitragen.
Drogenbezogene Reize (Spritzen, Drogenszene, Kneipen, Saufkumpane) rufen bei Abhängigen oft unmittelbar extremen Drogenhunger (z. B. "Schussgeilheit") hervor. Forscher des amerikanischen Institutes of Drug Abuse (NIDA) konnten mit PET buchstäblich "sehen", wie sich diese Umweltreize auf das süchtige Gehirn auswirken. Anders als nicht-abhängige Kontrollpersonen, reagierten abhängige Kokaingebraucher auf kokainbezogene, nicht aber auf neutrale Reize mit verstärkter Aktivität in drei Gehirnarealen, die mit Aspekten des Gedächtnisses und des Lernens verbunden sind (dorsolateraler präfrontaler Kortex, Mandelkern und Cerebellum).
Offenbar entwickelt sich mit fortschreitendem Suchtprozess ein neuronales Netzwerk in den genannten Hirnregionen. Dieses Nervennetz integriert emotionale und kognitive Aspekte drogenbezogener Gedächtnisinhalte und löst bei entsprechenden Umweltreizen Drogenhunger ("craving") aus. Damit wurde auch eine objektive Methode zur Überprüfung des Therapieerfolgs entdeckt. Unabhängig von den subjektiven Einschätzungen des Betroffenen kann nun nämlich mit PET überprüft werden, wie stark das Gehirn bei drogenbezogenen Reizen mit den neurophysiologischen Entsprechungen des Drogenhungers reagiert.
PET-Studien zur Auswirkung der Entgiftung auf das Gehirn zeigten, dass sich zum Beispiel die bei chronischen Alkoholikern typischen Hirnstoffwechselstörungen während der ersten 16 bis 30 Tage nach Beginn des Entzugs deutlich zurückbildeten. Weitere PET-Studien ergaben, dass die Gehirne von Alkoholikern und Kokainsüchtigen erheblich weniger Rezeptoren für den Neurotransmitter Dopamin aufweisen. Dieser Mangel an Rezeptoren könnte also als ein Anzeichen betrachtet werden, das auf eine besondere Anfälligkeit für Suchterkrankungen hindeutet.
Quelle: http://www.herz-hirn-und-hand.de/psycho/drogen-report/drogen-gehirn.htm (05-08-11)
Quellen
Knopf, Walter (2000). Suchtprävention in der Schule.
WWW: http://home.t-online.de/home/walterknopf/dipl.html (01-11-23)
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