Von der Unmöglichkeit zur Motivation in der Schule
Der Begriff der Motivation ist durch den inflationären Gebrauch und die weitgehend akzeptierte Selbstverständlichkeit als Voraussetzung für Lernprozesse zu einer Leerformel verkommen, wobei diese häufig auch als Erklärung bzw. Ausrede für mangelnden Lehr- und Lernerfolg herhalten muss. Schon Grell & Grell (1979) hielten die als Allheilmittel propagierten Motivationstheorien für unbrauchbar bzw. unter Umständen sogar für schädlich. Die bekannte Unterscheidung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation führte zu dem Aberglauben, dass man Motivationszustände bei SchülerInnen entweder von außen anschalten kann oder dass sie der einzelne Schüler von sich aus innerlich anschaltet. Aus Metaanalysen über die Effekte der Motivation auf das Lernen bzw. das Lernergebnis weiß man (Schiefele & Schreyer 1994), dass intrinsische Lernmotivation etwa ein Fünftel der Varianz des tiefergehenden Lernens aufklärt, extrinsische Lernmotivation hingegen nur ein Zwanzigstel.
Es wird in den entwickelten Modellen selten berücksichtigt, dass Motive ein konkretes Ziel haben müssen, welches der richtungsgebende, leitende und antreibende Hintergrund des Lernens sein muss. Solche Ziele sind in der Regel aber so unterschiedlich, sodass kaum zwei SchülerInnen einer Klasse darin übereinstimmen. Die sich auf Grund praktischer Erfahrung und einschlägiger Forschung immer mehr durchsetzende resignative Erkenntnis, dass man andere Menschen nicht motivieren kann, sondern jeder Mensch nur sich selbst motiviere, führte teilweise dazu, dass sich kein Lehrer mehr dafür verantwortlich fühlt, denn Schüler können sich wie alle anderen Menschen auch entweder selbst motivieren - oder es eben bleiben lassen.
Vermutlich war die Betonung der Eigenmotivation auch das Ergebnis der Beobachtung, dass in einer Welt, in der eigenständiges Arbeiten und Lernen, Selbstverantwortung, Koorperations- und Kommunikationsfähigkeit gefragt sind, die bloße Vermittlung kurzlebigen Faktenwissens durch traditionellen Unterricht sowohl für LehrerInnen als auch SchülerInnen mit der Zeit immer unbefriedigender geworden ist. Verglichen mit dem Ideal eines vom Lerner selbst gesteuerten Lernprozesses schneidet der Unterricht in der Schule und auch in den meisten anderen traditionellen Bildungsinstitutionen enttäuschend ab, da schon allein auf Grund der Organisation kein differenziertes, adaptives Lernen möglich ist. Vermutlich ist das Modell Schule für die heutigen Anforderungen an Bildungsinstitutionen prinzipiell so konstruiert, dass ein motiviertes gemeinsames Lernen nicht stattfinden kann. Die im Folgenden diskutierten Problemkreise beschäftigen sich daher weniger mit der Motivation selber, sondern vielmehr mit den Rahmenbedingungen, die sie m.E. letztlich im derzeitigen System Schule unmöglich machen.
Schon im Kleinkind- und Vorschulalter lassen sich große Unterschiede in der Zuwendung zu neuen Objekten und Ereignissen beobachten, in der Art und Ausdauer, mit der Kinder Dinge erforschen, sowie in der Freude, die sie dabei zum Ausdruck bringen (Berg & Sternberg 1985). Wenn man sich klar macht, dass Motive als Persönlichkeitsmerkmal betrachtet werden müssen und als richtunggebende, leitende und antreibende psychische Ursachen des Handelns ihren "Besitzer" befähigen sollen, durch die Wahrnehmung bestimmter Inhalte eine emotionale Erregung zu erleben und dadurch einen Impuls zu einer zuwendenden Handlung zu verspüren, dann wird nachvollziehbar, dass es letztlich um zutiefst persönliche Strukturen geht, die schon prinzipiell aber auch praktisch nicht in der Verfügungsgewalt eines Anderen stehen.
Solche Persönlichkeitsmerkmale steuern die Wahrnehmung der Umwelt und beeinflussen das Lernen direkter als etwa die oft angesprochenen Kognitionsstile. Vorwiegend jüngere SchülerInnen sind noch am ehesten bereit, Sachverhalte so zu akzeptieren, wie sie ihnen präsentiert werden, also faktenorientiert zu arbeiten und einer Führung zu folgen, d.h., die Interaktion mit dem Lehrenden hat für sie eine so große Bedeutung, dass sich über diese Beziehung Interesse und Motivation aufbauen lassen. Ältere Kinder und Jugendliche neigen hingegen stärker zu eigener Organisation und Strukturierung, brauchen daher weniger Führung und sind insgesamt auch kaum an sozialer Interaktion orientiert. Allerdings ist nicht allein das Lebensalter die entscheidende Komponente sondern häufiger die individuelle Lerngeschichte, sodass man davon ausgehen kann, dass in vielen Klassen beide "Typen" vertreten sind.
Motiviertes Lernen hat - wie man aus der Kommunikationspsychologie weiß - mit Beziehungen zu tun und dass der Beziehungsaspekt der Sachebene stets übergeordnet ist, was nichts anderes bedeutet, dass es fast unmöglich ist, sachlich etwas zu transportieren wenn es nicht gelingt, sich in positiver Weise aufeinander zu beziehen. LehrerInnen sollten daher nie vergessen, dass Lernen auch und im Besonderen von der Person des Stoffvermittlers abhängig ist, also Sympathie eine wichtige Rolle spielt. Einem Lehrer, der einem Schüler unsympathisch ist, wird es auch durch vorbildliche Didaktik nicht gelingen, die Motivation eines Schülers zu wecken. Während es dem Grundschüler noch sehr wichtig ist, eine positive Beziehung zu seinem Lehrer zu haben, nimmt diese personale Komponente in der Folge rasch ab. Generell bildet sich in der ersten Schulzeit - aber auch schon davor im Kindergarten, in der Vorschulerziehung wie auch in anderen inzidentellen Lernumgebungen - im Sinne einer Prägung die erst später wirksame werdende generelle Lernbereitschaft heraus, wobei so früh Sympathie oder Antipathie gegen ein Fach, einen Stoffbereich oder einen ganzen Lebensbereich erlernt werden. Der Ärger über einen Lehrer oder über einen vielleicht zufälligen Misserfolg wird häufig auf das ganze Fach oder die Schule überhaupt übertragen, wobei die Abneigung auch dann noch aufrechterhalten wird, wenn der ursprüngliche Grund längst weggefallen ist.
Bei der Motivation in der Schule geht es vordringlich ohnehin weniger darum, allgemeine und spezifische Interessen mit deren relativ stabilen kognitiven, affektiven und konativen Komponenten zu beeinflussen oder zu aktualisieren, sondern zumindest für die Zeit des Unterrichts einen gewissen Status der Interessiertheit zu erreichen. Diese definiert sich als positive emotionale Befindlichkeit im Gegensatz zu wachsender Langeweile und genereller Abneigung. Fragt man SchülerInnen, unter welchen Bedingungen sie gerne und meist auch gut lernen, dann antworten sie häufig mit "bei interessanten Themen bzw. Stoffen" und verweisen auf die von ihnen in den Unterricht mitgebrachten allgemeinen bzw. spezifischen Interessen. Interessen werden im Laufe des Lebens erworben, sodass sie mit zunehmendem Alter in einer Kohorte von Gleichaltrigen notwendigerweise immer mehr divergieren. Sie hängen wie die oben angesprochene Grundmotivation eng mit der Lerngeschichte und individuellen Merkmalen der Person zusammen, sind ebenfalls Ausdruck einer entwickelten Persönlichkeit und können daher - wenn überhaupt - mit fortschreitendem Alter immer weniger und auch meist nur unter einer langfristigen Perspektive beeinflusst werden.
Die meisten Modelle der Motivation gehen vom für den Schulalltag wohl eher unrealistischen Szenario des Einzellerners aus. Es wird dabei übersehen, dass einer Handlung - also auch dem Lernen - selten ein einzelnes Motiv vorangeht, sondern meist ein Motivbündel, das Wahlmöglichkeiten bietet und deren mögliche Folgen erwägt. Theoretisch richtet sich das Handeln zwar immer nach dem stärkeren Motiv, allerdings können spezielle aktuelle bzw. situative Komponenten dazu führen, dass auch schwächere Motive das Handeln bestimmen. So ist es wohl illusorisch, bei fünfundzwanzig oder mehr pubertierenden Jugendlichen ein gemeinsames konzentriertes Interesse für das Lesen von Goethes "Wahlverwandtschaften" zu erwarten.
Bei der Betrachtung von Motiven und Motivation muss schließlich auch beachtet werden, dass diese keineswegs stabil sind, sondern kurzfristigen Schwankungen und langfristigen Entwicklungen unterworfen sind. Relevant sind im Unterricht vorwiegend soziogene oder sekundäre Motive, die im Laufe der Lerngeschichte eines Individuums erst gelernt wurden bzw. erworben werden mussten, wobei für deren individualspezifische Ausprägung besonders die Einflüsse während der ersten Lebensjahre entscheidend waren. LehrerInnen in höheren Schulstufen treffen daher in der Regel meist auf relativ verfestigte und im Kontext "normalen Unterrichts" weitgehend unbeeinflussbare Motivationsmuster. Viele solcher Motive wurden darüber hinaus auch durch die jeweilige aktuelle Peerkultur sozialisiert und der rasche kulturelle Wandel - beschleunigt durch die neuen Medien - bewirkt das Hervorbringen immer neuer Motive, sodass sich auch hinsichtlich der Generationenkluft zwischen LehrerInnen und SchülerInnen oft unübersteigbare Differenzen ergeben, auch wenn in manchen Fällen das Lebensalter kaum mehr als ein Jahrzehnt differiert.
Der wohl gravierendste "Fehler" in der Diskussion um die Motivation ist vermutlich aber jener der Fixierung auf spezielle Motivationstheorien, die eine mehr oder minder isolierte Betrachtung dieses Faktors vornehmen und dabei übersehen, dass Motivation im jeweils konkreten Fall nur in Zusammenhang mit Theorien über die Signalverarbeitung, Wahrnehmung, Speicherung und Lernen - um nur einige zu nennen - zu betrachten ist. Insbesondere Modelle der Verarbeitung der Kognitionen im menschlichen Gehirn sind hier von großer Bedeutung.
Während die meisten Motivationstheorien überhaupt keine theorieüberschreitenden Annahmen machen, sind einige der Eimertheorie des Denkens (Popper 1979) verhaftet, nach der unser Gehirn wie ein Eimer sukzessive durch unsere Sinnesorgane mit Wissen gefüllt wird. Dieser Ansatz ist aber nicht in der Lage zu erklären, wie Kognitionen mit Bedeutung, Sinn, Bewertungen, Interessen usw. versehen werden, also jenen Faktoren, die in hohem Ausmaß dem zugeordnet werden, was mit Motivation eigentlich gemeint ist. Folgt man hingegen der Scheinwerfertheorie des Denkens, dann wird Wissen aktiv in Form von zunächst ungeprüften Vermutungen konstruiert, die ein Lernender vorab entwickelt. Nicht der beobachtbare Input, also der Unterricht, ist die Quelle von Lernen und Wissen, sondern der aktive Auswahlprozess des Lernenden, aus seinen ad hoc konstruierten Vermutungen die "brauchbarste" zu verwenden. Lernen geht also von Erwartungen aus, die einer Bestätigung bedürfen. Solange Erwartungen mit den sensorischen Bestätigungen übereinstimmen, kann ein bestehendes Hypothesengebäude aufrecht erhalten bleiben. Es geht beim motivierten Lernen nicht nur um die kognitive Aktivität des Lernenden, sondern vor allem auch um die sinnstiftenden Zusammenhänge, die nur vom Lernenden selber zu leisten sind, denn unser Nervensystem liefert vorab keine Information über die Bedeutung, sondern erst das Gehirn der Lernenden erzeugt "Sinn". Lernen ist daher vereinfacht formuliert nicht die Aufnahme von Wissen, sondern die aktive Verknüpfung von Bedeutungen mit Inhalten. Motiviertheit ist nach dieser Hypothese die Bereitschaft, diese Verknüpfungen zu generieren, geht also über die bloße Aufmerksamkeit oder Konzentration auf den Lehrenden oder den Stoff weit hinaus.
Nicht unerwähnt bleiben sollen auch jene Einstellungen, die innerhalb der Gesamtbevölkerung oder auch nur in Teilen gegenüber dem Schulsystem bzw. den Bildungsinstitutionen bestehen, da diese den Grundton vorgeben, durch den die konkrete individuelle Einstellung mitgefärbt wird. Man kann sich ausmalen, welche Auswirkungen etwa die jüngste Diskussion um die PISA-Studie im Hinblick auf eine positive Gestimmtheit gegenüber der Institution Schule hat.
Aber auch die Stellung eines Schülers innerhalb der Schulklasse wirkt sich aus, etwa das Hänseln oder Bedrohen durch MitschülerInnen wird dazu führen, dass das Interesse am aktuellen Unterricht in den Hintergrund tritt. Mobbing ist ein Phänomen, das auch in den Schulklassen endlich mehr beachtet wird. Bessoth (1989, S. 17f) resümiert zahlreiche Befunde zum Schul- und Klassenklima und betont, dass jede Veränderung des Arbeitsklimas die Zufriedenheit in der Schule bzw. der Klasse und somit auch die Motivation beeinflusst._
Die Wirksamkeit von Motiven ergibt sich auch aus ihrer sozialen Werthaftigkeit, wobei nicht objektive sondern allein subjektive Sachverhalte die von einer Person wahrgenommenen Anreize sind, die letztlich handlungswirksam werden. Ein Motiv kann schließlich nur in dem Ausmaß verhaltenswirksam werden, wie es durch situative Anreize angeregt wird. Andererseits kann auch ein Anreiz nur in dem Ausmaß verhaltenswirksam werden, wenn er auf die entsprechenden Wertungsdispositionen im Individuum trifft. Erlebt sich ein Schüler als abgelehnt oder in einer Randposition, dann wird das massive Auswirkungen auf seine motivationale Befindlichkeit haben, wobei es auch davon abhängt, wie bedeutsam er das schulische Umfeld im gesamten sozialen Kontext erlebt.
Motivation hängt auch von der aktuellen Aktiviertheit, Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit ab, sodass diese in einer ersten Stunde wohl anders sein wird als in der fünften oder sechsten. Signalisiert der Lehrer Verständnis für SchülerInnen, kann ein Gefühl des Verstandenwerdens durchaus die Basis einer inneren Bereitschaft bilden, das Interesse zumindest partiell auf den Stoff zu richten. Die bekannten Todsünden sind etwa Signale der LehrerInnen, dass sie selber den vorgetragenen Stoff für nicht wichtig halten, bzw. die explizit oder implizit geäußerte Hypothese, dass in dieser sechsten Unterrichtseinheit ohnehin nichts mehr in die Köpfe der SchülerInnen hineingehen werde.
Emotionen spielen bei Motiven eine wichtige Rolle, denn diese haben ein meist unbewusst bewertendes zentralnervöses Korrelat. Menschen neigen daher dazu, jene Handlungen zu wiederholen, bei denen sie Lust empfunden hatten, und solche Aktivitäten zu vermeiden, bei denen in der Vergangenheit Unlust aufgetreten war. Hier ist z.B. die an unseren Schulen - insbesondere in der Grundstufe - vorherrschende Fehlerorientierung (nicht das Ausmaß der Leistung wird belohnt, sondern das "weniger Fehler machen") einer jener Faktoren, die eine generalisierte negative Einstellung zu Leistung und somit fehlende Lernmotivation befördern, da die Angst, Fehler zu machen, schon am Beginn des Lernprozesses positive Gefühle verhindert und jegliche an einem Leistungszuwachs orientierte positive Motivation reduziert bzw. diese durch eine Motivation der Strafvermeidung ersetzt.
Ein grundsätzliches Merkmal der Lernmotivation ist die für jeden leicht nachvollziehbare Tatsache, dass man sich am ehesten für solche Dinge interessiert, von denen man schon etwas weiß. Aus der Gedächtnisforschung ist des Weiteren bekannt, dass man jene Inhalte am leichtesten erlernen kann, für die in unserem Gehirn bereits Ankerpunkte vorhanden sind, also ein mehr oder minder ausgeprägtes Vorwissen besteht. Da Motive wie Interessen meist auf Klassen von Tätigkeiten oder Objekten bezogen sind, wirken sie daher immer auch als Filter bezüglich jener Klassen von Tätigkeiten, auf die man sich einlassen oder die man besser meiden sollte. Wenn ein Lehrer vermittels der Neuigkeit eines Lehrstoffes zwar prinzipiell auf Neugier bei den SchülerInnen hoffen kann, so trifft er häufig auf Gedächtnisstrukturen, die dafür wenig vorbereitet sind, sodass ein Teufelskreis in Gang gesetzt wird: Der Stoff ist neu - der Schüler ist prinzipiell neugierig - der Schüler versteht den Stoff wenig bis gar nicht - der Schüler verliert allmählich das Interesse - der Schüler lernt wenig bis gar nichts, außer einer Bestätigung möglicher früherer negativer Lernerfahrungen.
Vom Lehrer gegebene Hinweise auf den durch den Unterricht zu erreichenden Erkenntnisgewinn und mögliche positive Folgen des Unterrichts für die Zukunft, die in der Standardliteratur häufig als Motivatoren genannt werden, mögen in seltenen Einzelfällen zutreffen, aber der Hinweis darauf, dass ein Schüler den Stoff irgendwann einmal in seinem Leben brauchen können wird, führt wohl nur zu einer Erhöhung der Motivation in nicht nachweisbarer Intensität. Motivierend hingegen sind Hinweise auf die Art und Weise, wie ein Stoff leichter gelernt werden kann, denn diese beziehen sich auf die aktuelle Lage des Schülers und machen eine Erhöhung der Motivation wahrscheinlicher. Neuere Interventionsprogramme versuchen daher, SchülerInnen zu einer Optimierung ihres Lernverhaltens und zu einer Reflexion ihrer Person anzuregen, wobei als Ziel die Selbstverantwortlichkeit im Vordergrund steht.
Da jeder Mensch grundsätzlich den Wunsch hat, ein gewisses Ausmaß an Kontrolle über seine Umgebung auszuüben, einschließlich des Verhaltens seiner Mitmenschen, wird das Gegenteil in der Regel als Hilflosigkeit erlebt. Bezogen auf den Unterricht kann ein gewisses Ausmaß an Kontrolle wohl nur durch Mitbestimmung gewährleistet werden, das SchülerInnen bei der Unterrichtsorganisation eingeräumt wird. Viele SchülerInnen langweilen sich in der Schule und ziehen andere Aktivitäten dem Lernen und der Konzentration auf ihre Aufgaben vor, da sie die aufgetragenen Arbeiten als ichfremd empfinden. Im Konzept der Eigenverursachung geht DeCharms (1973, 1979) davon aus, dass es für den Menschen von zentraler Bedeutung ist, wenn er erleben kann, dass sein Handeln eine entsprechende Wirkung in der Umwelt zur Folge hat. Allerdings kann "verordnete" Partizipation auch das Gegenteil erreichen, was sich an der bei vielen SchülerInnen auf Grund der geringen Einflussmöglichkeiten unbeliebten Unterrichtsform des Gruppenpuzzle zeigen lässt.
Auch die Übermotivation (Lepper et al. 1982) - also die zusätzliche äußere Belohnung bei der Durchführung einer Aufgabe - kann die intrinsische Motivation von Schülern unterlaufen, da es bei jeder Motivation darauf ankommt, wie die Belohnung für eine Leistung wahrgenommen wird. Interessierte wie Hochbegabte, die sich in der Regel durch hohe intrinsische Motivation auszeichnen, werden durch externe Verstärker eher gebremst als gefördert.
Die Intensität eines Motivs in einem konkreten Unterrichtsgegenstand schließlich erfordert über die Grundmotivation zur Konzentration und Aufmerksamkeit hinaus ein Mindestmaß an erwartetem Erfolg, den diese zeitigen werden. Zwar mag objektiv betrachtet eine erhebliche Ehrgeiz-Grundmotivation im Hinblick auf den subjektiven Wert eines Nobelpreises sehr hoch sein, dennoch wird die Motivation, nach ihm zu streben, bei den meisten Menschen sehr gering sein, da die Erfolgsaussichten realistischerweise als verschwindend klein eingestuft werden. Umgekehrt können die Erfolgsaussichten beim Auswendiglernen der Seiten 45 bis 50 des Linzer Telefonbuchs durchaus hoch einzustufen sein, dennoch wird man kaum motiviert sein, das konkret zu versuchen, weil der subjektive Wert nahezu bei Null liegt, es sei denn, man interessiert sich für die Teilnahme an "Wetten, dass"".
Das in letzter Zeit im Hinblick auf das Ausmaß der Motivation prinzipiell als förderlich angesehene Konzept des Edutainment ist zumindest kritisch zu beobachten, denn dieses führt zunächst nur zu einer Vergrößerung der Masse an Informationen, die möglicherweise auch zu einer kurzfristigen Erhöhung des Interesses führen kann, jedoch nur so lange, wie diese Masse mühelos bewältigt werden kann. In vielen Bereichen schöpft diese Motivation ihre Energie vorwiegend aus der Neuigkeit des Mediums, die im laufenden Tagesgeschäft immer mehr abnehmen wird. Viel versprechender sind jene Bereich multimedialer, interaktiver Lerntechnologien, bei denen SchülerInnen selbstständig, aktiv und selbst explorierend mit Informationen umgehen müssen, wie es beispielsweise bei Tutorensystemen der Fall ist. Hier könnte Multimedia auch zu einer qualitativ neuen Entwicklung der Lernumwelt führen. Voraussetzung hierfür ist aber ein Lernsystem, das SchülerInnen frei erforschen können und das Sammeln eigener Erfahrungen ermöglicht. Dann wird in einer solchen Lernumwelt möglicherweise nicht nur besser gelernt, sondern die Lernenden werden auch zum generalisierenden Umstrukturieren angeregt, sodass sie später Probleme lösen können, die nicht explizit Gegenstand des Unterrichts gewesen sind - was ja in irgendeiner Form als oberstes Ziel hinter dem System Schule stehen mag.
Verwendete Literatur
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Erschienen 2003: Schulmagazin 5-10. Impulse für kreativen Unterricht. 71. Jg., Heft 1, S. 9-12.
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