Die Bedeutung des Berufs für Jugendliche und die Arbeitslosigkeit aus der Perspektive der Betroffenen
- Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen
- Daten zur Jugendarbeitslosigkeit
- Psychologische Problematik der Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen
- Folgen, Anpassungsstrategien und Bewältigungsformen der Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen
- Quellen und Literatur
Die zunehmende Tendenz jedes Einzelnen, das Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, führt nach Bergmann & Eder (1999) zum Abbau traditioneller Bindungen (z.B. an Glaubensgemeinschaften, Parteien) und zur Veränderung traditioneller Werte. Der Übergang lässt sich mit Begriffen wie "von einer Pflichtethik zu einer Entfaltungsethik" umschreiben. Selbstverwirklichung als Umsetzung eigener Interessen und Fähigkeiten wird zum Leitbild der persönlichen Entwicklung. Jeder einzelne ist persönlich verantwortlich für eine erfüllte Lebensgestaltung; Misserfolg und Scheitern gelten als Zeichen individueller Untüchtigkeit und weniger als Folge der Umstände.
Diese Individualisierung führt gleichzeitig zum Rückgang sozialer Kontrolle, und ist häufig aber auch mit jener neuen Isolierung verbunden, die aus der Auflösung traditioneller Bindungen resultiert. Als Gegentrends zeichnen sich zwar neue Formen der Vergemeinschaftung ab (Cliquen von Jugendlichen, WGs, Kleingruppen, Sekten u.ä.), allerdings sind diese aufgrund ihrer häufig unklaren Strukturen wenig geeignet, eine Unterstützungsfunktion bei der beruflichen Eingliederung zu leisten.
Aus dem Individualisierungsprozess resultiert der grundlegende Anspruch, dass Beruf grundsätzlich als ein Prozess der Selbstentfaltung aufgefasst wird und daher ein gewählter Beruf oder eine länger ausgeübte Tätigkeit hinsichtlich der Interessen und Fähigkeiten zur eigenen Person "passen" muss. Berufe werden also auch darauf hin geprüft, ob sie - manchmal auch unrealistischen - persönlichen Ansprüchen nach Selbstverwirklichung entsprechen; wo dies nicht der Fall ist, kommt es zu frühzeitigen Auflösungen von Arbeitsbeziehungen und in der Folge häufig auch zu Arbeitslosigkeit.
Für die aktuelle Jugendszene sind vor allem Hedonismus und Gegenwartsorientierung kennzeichnend, wobei die Tendenz besteht, Jugend nicht mehr als Moratorium und Übergangsphase zwischen Kindheit und Erwachsensein zu betrachten, die es möglichst schnell zu überwinden gilt, sondern als eine Lebensphase aufzufassen, in der es darum geht, "Spaß" zu haben, das Leben zu genießen, und wenig an die - ohnehin schwer vorhersehbare - Zukunft zu denken. Dies führt letztlich auch dazu, hohe und überhöhte Ansprüche an Arbeit und Arbeitsplatz zu stellen und sie bei Mängeln rasch als der eigenen Person nicht entsprechend einzustufen.
Daher verwundert es auch wenig, dass der Konsum von bestimmten Gütern und Dienstleistungen für viele Jugendliche ein wichtiger Kristallisationspunkt im Prozeß der Identitätsentwicklung ist und für Jugendliche die Funktion individueller Selbstdarstellung bekommt, also zum Ausdrucksmittel wird, mit dem die Zugehörigkeit zur Erwachsenenwelt und bestimmten Bezugsgruppen demonstriert werden kann. Das vorwiegend am jugendlichen Konsumenten orientierte Marketing in den Medien zielt zusätzlich darauf ab, eine materiell orientierte Welt zu zeichnen, die nur mit ausreichendem Einkommen erreichbar ist. So wird die Teilhabe am Leben in hohem Ausmaß durch die Verfügung über finanzielle Mittel definiert, sodass ein Ausschluss aus der Erwerbswelt auch als Ausschluss aus der "normalen" Lebenswelt bedeuten könnte.
Hinzu kommt, dass die Verschulung der Jugendphase die Lebensarbeitszeit ohnehin verkürzt und die finanzielle Abhängigkeit von den Eltern verlängert, sodass sich allein dadurch der Druck auf den Jugendlichen erhöht. Auch überzogene Leistungserwartungen der Eltern stellen besondere Ausgangsrisiken für das Auftreten von Stresssymptomen bei Jugendlichen dar und bergen ein besonderes Konfliktpotential innerhalb der Familien. Manche Jugendliche fühlen sich etwa aufgrund einer falschen Scul- oder Ausbildungswahl einer ständigen Überforderung ausgesetzt und befinden sich daher im Dauerkonflikt mit ihren Eltern.
Da dieser erste Übergang in das Beschäftigungssystem und damit der Erwerb einer wesentlichen Teilrolle innerhalb des Erwachsenenstatus häufig strukturell erschwert ist, liegen darin erhebliche Risiken und Belastungen für die Jugendlichen. Selbst hochwertige schulische Abschlüsse bieten heute keine Garantie für den Zugang zum Erwerbsleben, vielmehr bedeuten sie für den Einzelnen manchmal von Beginn an Konkurrenz und Leistungsdruck. Schon vor Verlassen der Schule erleben viele Schüler bei der Bewerbung um Lehrstellen, dass ein wenig zufriedenstellendes Hauptschulabschlusszeugnis nur geringe Verwertungschancen am Arbeitsplatz findet. Vorstellungen, daß ein Beruf Spaß machen und den eigenen Fähigkeiten entsprechen sollen werden dann nur langsam verworfen, sodass es bald ausschliesslich darum geht, überhaupt in das System der Erwerbsarbeit aufgenommen zu werden. Die von Jugendlichen geäußerten Wünsche nach einer interessante Tätigkeit (75%) und möglichst gutem Verdienst (66%) müssen dabei realistischerweise zurückgeschraubt werden. Hinzu kommt, dass solche Jugendliche von potentiellen Arbeitgebern selbst für ihre Lage verantwortlich gemacht und aufgrund ihrer mangelnden "employability" immer mehr vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt werden (vgl. Kremer 2001).
Weibliche Rollenmodelle im Umbruch
Für weibliche Jugendliche ist es bekanntlich oft schwierig, aus ihrer Umwelt auszubrechen, denn die Lebensstilebene ist stark mit der Bildungsebene verbunden, wobei es soziale Regeln es in jedem Milieu gibt, wobei wohl die Berufstätigkeit sowie die leistungsorientierte Bezahlung eine wichtige Rolle spielen.
Nach aktuellen Studien gibt es kein für alle Frauen verbindliches Geschlechterkonzept. Vor allem Mädchen und junge Frauen können sich heute weder mit dem klassischen Emanzipationsbegriff identifizieren noch mit einer typischen Fraurolle bzw. wollen sich auch nicht auf eine Rolle allein festlegen lassen. Allerdings gibt es einen Pool an Rollenmodellen, an denen sie sich je nach Bildungsniveau und Lebensstil orientieren. Grob lassen sich drei Modelle unterscheiden:
- Mädchen und junge Frauen aus bildungsfernen Schichten, die eher traditionell leben wollen und dies auch äußerlich zeigen. Die Frau stets adrett, feminin oder auch sexy, der Mann stählt seinen Körper im Fitnessstudio. Im Alltag bleibt die Frau dann beim Kind zu Hause – die Grenzen zwischen männlich und weiblich sind klar definiert.
- Die bürgerliche Oberschicht folgt einem modernisierten traditionellen Bild, d.h., die berufstätige Frau bringt Kinder und Arbeit unter einen Hut. Vor allem auf Beziehungsebene und im Privatleben ist sie für das zuständig, was der Mann nicht abdeckt.
- In bildungsnahen, linksliberalen Mittelschichten, in denen Frauen selbstbestimmt und aktiv ihr Leben bestimmen, herrscht ein androgynes Rollenkonzept vor, in dem die Grenzen zwischen männlich und weiblich zerfließen und junge Frauen sich die gleichen Handlungsräume erschließen wie Männer.
Quelle: OÖN vom 3. Februar 2012
Bedingungsfaktoren mißlingender Berufseinmündung
Die generelle Arbeitslosigkeit in einer Gesellschaft wirkt sich allein dadurch auf Jugendliche aus, dass die Jugendphase als Phase der biografischen Vorbereitung auf diese Gesellschaft zum Problem wird. Arbeitslosigkeit ist bei manchen benachteiligten Gruppen eine prägende Generationenerfahrung. Die Ergebnisser verschiedener Untersuchungen lassen sich zu folgenden Bedingungsfaktoren zusammenfassen (vgl. Bernath, Wirthenson & Löhrer 1989, Dooley & Prause 1995, Kühnlein & Paul-Kohlhoff 1991, Jung 1992, Tokar, Fischer & Subich 1998).
- Familiäre Einflüsse: benachteiligte Jugendliche kommen häufiger aus unvollständigen Familien, ihre Eltern haben häufiger keine abgeschlossene Berufsausbildung (niedriger sozioökonomischer Status), in der Familie wird wenig über die Berufswahl gesprochen
- Bildungsbedingte Einfüsse: unterdurchschnittliche Schulabschlüsse (insbesondere Sonderschüler und Hauptschüler ohne Abschluß); negative Schulerfahrungen (Prüfungsversagen, schlechte Schulleistungen, Klassenwiederholungen) und damit zusammenhängende ungünstige Arbeitshaltungen (passiv, wenig ehrgeizig) und Lernmotivation.
- Personale Einflüsse: geringe Leistungsfähigkeit (Schulfähigkeiten), ungünstiges Selbstbild hinsichtlich (schulischer) Arbeitshaltungen und (schulischer) Leistungsfähigkeit sowie ein geringes Selbstwertgefühl und geringe psychische Stabilität.
- Ethnische Einflüsse: Ausländer haben mehr Schwierigkeiten einen Ausbildungsplatz zu erhalten, sind häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen und arbeiten vermehrt in Bereichen unterer Lohngruppen
- Geschlechtseinflüsse: Weibliche Jugendliche haben - wegen der Konzentration auf relativ wenige frauentypische' Berufe - größere Schwierigkeiten bei der Suche eines Ausbildungsplatzes. Es stehen ihnen faktisch nicht so viele Ausbildungsberufe offen, sie bekommen durchschnittlich weniger bezahlt und haben de facto geringere Aufstiegsmöglichkeiten.
- Regionale Einflüsse: In verschiedenen Ländern gibt es wirtschaftliche Krisenregionen", in denen die Aussichten auf einen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz deutlich reduziert sind.
Quelle:
Bergmann Christian & Eder, Ferdinand (1999).
Problemgruppen beim Übergang von der Schule in den
Beruf. Rohbericht zu einem Forschungsprojekt. Johannes
Kepler Universität Linz.
Literatur:
Bernath, W., Wirthenson, M. & Löhrer, E. (1989).
Jugendliche auf ihrem Weg ins Berufsleben. Bern: Haupt.
Dooley, D. & Prause, J.A. (1995). Effect of unemployment
on school-leavers self-esteem. Journal of Occupational and
Organisational Psychology, 68, 177-192.
Kühnlein, G. & Paul-Kohlhoff, A. (1991). Wandel der
Berufsausbildung: Die Entstehung neuer sozialer
Benachteiligungen. In D. Brock, B. Hantsche, G.
Kühlein, H. Meulemann, & K. Schober (Hrsg.),
Übergänge in den Beruf. Zwischenbilanz und
Forschungsstand (S. 92-99). München: Verlag Deutsches
Jugendinstitut.
Jung, W.J. (1992). Berufswahl benachteiligter Jugendlicher.
In Bundesanstalt für Arbeit (Hrsg.), Handbuch der
Berufswahlvorbereitung (S. 138-146). Mannheim: Medialog.
Tokar, D.M., Fischer, A.R. & Subich, L.M. (1998).
Personality and Vocational Behavior: A Selective Review of
the Literature, 1993-1997. Journal of Vocational Behaviour,
53, 115-153.
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