[werner.stangl]s arbeitsblätter 

Interessen: Die persönlichkeitsbasierten Interessensorientierungen nach John L. Holland

Persönliche Vorlieben und Interessen stehen in enger Beziehung zur Persönlichkeit eines Menschen und bringen den engen Zusammenhang von kognitiver Differenzierung und emotionaler Bewertung zum Ausdruck. Zwar hat die Frage nach der Bedeutsamkeit von Interessen - meist im Zusammenhang mit der Motivationsforschung - in der Psychologie eine lange Tradition, doch wurde diesem Aspekt eher wenig Beachtung geschenkt und mehr Gewicht auf die Untersuchung von Tätigkeiten gelegt. Nach John L. Holland (1973, 1985) gibt es in unserem Kulturkreis sechs allgemeine persönlichkeitsbasierte Interessensorientierungen:

Diese sechs Orientierungen stehen zueinander in einer hexagonalen Beziehung (siehe rechts), wobei die Zahlen das Ausmaß des Zusammenhanges zwischen den einzelnen Faktoren bezeichnen.

Auf diesem Modell von Holland basiert der "Situative Interessen Test (SIT)", ein differentieller Test zur Bestimmung von Interessen etwa ab dem 10. Lebensjahr. Er kann in der Berufs- und Freizeitberatung eingesetzt werden. Aufgrund dieser Orientierung kann er auch ergänzend bei der Abklärung allgemeiner Interessen verwendet werden. Ursprünglich als Papier-Bleistift-Verfahren mit direkter Auswertung durch SchülerInnen und StudentInnen konzipiert, kann der SIT in der Online-Version durch die digitalisierte Form nach der Testdurchführung sofort ausgewertet werden.

Zwei weitere bekannte Tests zur Messung dieser Persönlichkeitsorientierung sind der Allgemeiner Interessen-Struktur-Test und der Freizeit-Interessen-Test.

Holland, J.L. (1973). Making vocational choices: A theory of careers. Englewood Cliffs, N.J.: Prentice-Hall.
Holland, J. L. (1985). Making vocational choices. A theory of vocational personalities and work environments. Englewood-Cliffs, NJ: Prentice-Hall.

Machen Sie den Situativen Interessen Test

Interessen und Schullaufbahn

Eder & Reiter (2002) haben im Rahmen der  "PISA Plus 2000"-Studien untersucht, inwieweit es für den Erfolg in der Schule von Bedeutung ist, ob sich SchülerInnen in der "richtigen" Schule befinden, denn dafür spielen neben Fähigkeiten auch die individuellen Interessen eine wichtige Rolle. Die Autoren untersuchten die Kongruenz zwischen SchülerInnen und gewählter Schule und ihre Auswirkung.

Ausgangspunkt ihrer Überlegungen war der anhaltende Trend zur Individualisierung, wonach die Wahl einer Schule oder eines Schulzweiges auch unter dem Aspekt der Selbstverwirklichung gesehen werden muss: "In wie weit erlaubt die gewählte Laufbahn die Realisierung von Fähigkeiten und Interessen". Die Folgewirkungen einer solchen "Kongruenz" zwischen Person und gewählter Umwelt sind bis jetzt vor allem im betrieblichen Bereich untersucht worden: Erfolg, Zufriedenheit und Stabilität in der gewählten beruflichen Laufbahn sind nicht zuletzt Folge der Interessenkongruenz zwischen Person und Beruf (Bergmann 2002). Auch für den Schulbereich wurde gezeigt, dass Leistung, Zufriedenheit mit der Schule und Laufbahnstabilität signifikant mit der Passung zwischen Person und Schule zusammenhängen (Eder 1988). Die Zusammenhänge sind allerdings in der Regel nicht hoch, weil für die Bewältigung der Schule stärker die Fähigkeiten als die Interessen ausschlaggebend sind.

Auf Basis der Kongruenz des Holland-Modells bzw. mit Hilfe des Zener-Schnuelle-Index (Bergmann & Eder 1999, S. 29) wurde die Kongruenz zwischen Person und Schule berechnet werden. Der ZSI (Zener-Schnuelle-Index) ist ein bewährtes Maß für die Ähnlichkeit zwischen zwei Holland-Codes. Er kann Werte zwischen 0 und 6 annehmen, wobei 6 dann vergeben wird, wenn Person und Umwelt identische Codes haben, der Wert 0, wenn zwischen den beiden Codes kein einziger Buchstabe übereinstimmt. Es zeigte sich eine hohe Kongruenz in den Lehranstalten für Kindergartenpädagogik, den gewerblich-technischen Berufsschulen, mittleren und höheren Schulen für wirtschaftliche und soziale Berufe sowie in den Höheren Schulen für land- und forstwirtschaftliche Berufe. Auch die Oberstufenrealgymnasien und die Höheren technisch-gewerblichen. Schulen weisen noch relativ gute Kongruenzwerte auf. Am unteren Ende liegen die kaufmännischen und technisch-gewerblichen Fachschulen, die offenbar ein Sammelbecken für SchülerInnen mit unterschiedlichsten Interessen darstellen, die insgesamt wenig zum besuchten Schultyp passen. Ebenso im unteren Bereich liegen die Langformen der AHS, die auf Grund der Zuweisung der SchülerInnen zu einem Zeitpunkt, zu dem ihre Interessen noch nicht entwickelt sind, notwendigerweise sehr heterogen und damit wenig kongruent sind.

Bezüglich der Kongruenz zwischen Person und Schule zeigte sich prinzipiell ein positiveres Befinden in der Schule, eine bessere Bewältigung des Unterrichts und auch eine höhere Bereitschaft zur Wiederwahl der Schule, auch wenn die Zusammenhänge nicht ganz die erwartete Höhe erreichten. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist aber nach Aussage der Autoren zu berücksichtigen, dass die verwendeten Leistungsmaße sich nicht auf die spezifischen Schwerpunkte der einzelnen Schulen beziehen - wo höhere Zusammenhänge mit der Interessenkongruenz zu erwarten wären - sondern allgemeine schulische Kompetenzen erfassen, die weitgehend interessenunspezifisch sind. Insgesamt ergab sich aber Hinweise, dass hohe Kongruenz zu einer besseren Bewältigung der Schule im Befindens- und Leistungsbereich beiträgt, die darauf verweisen, dass z.B. die frühe Auslese durch die Entscheidung für die Langform der AHS zur Folge hat, dass Interessenkongruenz nicht entwickelt werden kann.

Quelle:
Eder, Ferdinand & Reiter, Claudia (2002). Interessen und Schullaufbahn. In C. Wallner-Paschon & G. Haider (Hrsg.), PISA Plus 2000. Thematische Analysen nationaler Projekte (S. 111-116). Innsbruck: StudienVerlag.

Literatur:
Bergmann, Christian (2002). Berufswahl. In H. Schuler (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie, Band D/III/3: Organisationspsychologie I. Göttingen: Hogrefe.
Bergmann, Christian & Eder, Ferdinand (1999) Allgemeiner-Interessen-Struktur-Test, 2., veränderte Auflage. Weinheim: Beltz Verlag.
Eder, Ferdinand (1988). Die Auswirkungen von Person-Umwelt-Kongruenz bei Schülern: Eine Überprüfung des Modells von J. L. Holland. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 2 (4), 259-270.

Christian Bergmann & Ferdinand Eder: Allgemeiner Interessen-Struktur-Test/Umwelt-Struktur-Test (AIST/UST)

Werner Stangl: Der Freizeit-Interessen-Test (FIT)

Quellen & Literatur



inhalt :::: nachricht :::: news :::: impressum :::: datenschutz :::: autor :::: copyright :::: zitieren ::::


navigation: