[werner.stangl]s arbeitsblätter 

Experimentelle Dilemmaspiele *)

Theoretischer Hintergrund

In der Sozialpsychologie werden Dilemmata in Form von experimentellen Nichtnullsummenspielen wie dem bekannten Gefangenendilemma etwa seit Mitte des 20. Jahrhunderts verwendet. Mit ihnen werden soziale Konfliktsituationen modellhaft nachgestellt, um Erkenntnisse über das Kooperations- und Entscheidungsverhalten zu gewinnen.

Um eine Weiterentwicklung einfacher sozialer Dilemmasituationen handelt es sich bei den sogenannte Allmende-Klemme-Spielen, welche durch die Nutzung eines Gemeinguts (Allmende) durch mehrere Spielteilnehmer und während einer größeren Anzahl von Spielzügen gekennzeichnet sind. Die Situation der Allmende-Klemme ist charakterisiert durch:

Allmende-Klemme-Spiele - auch "Tragedy of the Commons" genannt - beinhalten häufig eine ökologische Komponente, weshalb sie auch im Bereich der Umweltpsychologie eingesetzt werden.

Die Grundform läßt sich an einem experimentellen Beispiel gut erläutern:

Jede von vier Versuchspersonen erhalten ein Kapital von 10 Dollar und können diesen Betrag teilweise oder vollständig in einen Gemeinschaftstopf investieren, dessen Inhalt hierauf vom Spielleiter verdoppelt wird. Sie haben aber auch die Möglichkeit, das Geld für sich zu behalten und nur auf die Einzahlungen der Mitspieler zu hoffen, an deren Rendite sie ja automatisch beteiligt wären. Das Dilemma des Spiels liegt in seinen verlockenden Angeboten für den ganz persönlichen Egoismus, denn wenn ich selbst einen Dollar investiere, muß ich zunächst damit rechnen, nur 50 Cents zurückzubekommen, weil der Spielleiter meinen Einsatz zwar verdoppelt, aber dann wieder durch vier teilt. Gewinne kann man also nur dann erzielen, wenn meine Mitspieler entsprechend hohe Beträge investieren. Im Idealfall hieße das: Falls alle ihre 10 Dollar in den Gemeinschaftstopf werfen, bekommen alle den doppelten Einsatz wieder heraus. Es wäre aber raffinierter, den eigenen Anteil möglichst klein zu halten, und darauf zu vertrauen, daß die anderen weniger egoistisch denken und so doch vielleicht ein zählbarer Gewinn abfällt.

In der Regel werden solche Spiele in mehreren Runden gespielt, wobei die Kooperationswilligkeit der Beteiligten in den ersten Spielrunden zwar erstaunlich hoch ist, dann aber mehr oder weniger dramatisch nachläßt, so daß die Versuche schließlich regelmäßig in allgemeinen Verlustgeschäften enden. Mit dem Vertrauen in die Mitspieler reduziert sich naturgemäß die Investitionsbereitschaft, und am Ende gibt es für jeden eingezahlten Euro dann tatsächlich nur noch 50 Cent retour.

Nullsummenspiele
sind ein Begriff aus der mathematischen Spieltheorie und bezeichnen übertragen auf die Sozialwissenschaften (z.B. politische Strategien, Ökonomie) eine Vereinbarung, bei der sich die Interessen des einen Partners in dem Maße durchsetzen, wie die des anderen nicht verwirklicht werden, sodaß sich die Interessen in der Summe letztlich aufheben, also in Summe null ergeben.

Beispiel für eine Nichtnullsummensituation

Benjamin und Werner stehen vor der Entscheidung, fernzusehen oder Karten zu spielen. Gemeinsames Fernsehen macht beiden Spaß; gemeinsames Kartenspiel auch, aber vielleicht etwas weniger, man kann sich auch trennen, so daß einer der beiden fernsieht, was allein weniger Spaß macht, während der andere eine Patience legt, was als langweilig empfunden wird. A und B werden also fernsehen.

Hypothesen

Aus Ergebnissen einer Computersimulationsstudie, der die folgende Spielsituation zugrunde lag, wurde die Hypothesen entwickelt, daß in Allmende-Klemme-Spielen die Ausnutzung eines Gemeinguts durch bestimmte Strategien, die von einem der Spieler angewendet werden, der Gewinn für alle Spielteilnehmer optimiert werden kann.

Versuchspersonen

Insgesamt nahmen an dieser Untersuchung 109 Studenten teil. Studierende der Fächer Psychologie, Mathematik und Biologie durften nicht als Versuchspersonen teilnehmen Die Versuchspersonen durften einander nicht bekannt sein.

Im Folgenden werden hier nur zwei Varianten des Spiels ausgeführt an denen in je acht Versuchsgruppen zwei Versuchspersonen sowie ein instruierter Mitspieler, der ohne Wissen der naiven Versuchspersonen nach einer festgelegten Strategie spielte, teilnahmen. Als Kontrollgruppen dienten zwei Versuchsreihen aus je acht Gruppen, die ausschließlich aus naiven Versuchspersonen bestehen.

Aufbau

Beim Fischereispiel handelt es sich um ein Simulationsspiel, bei dem mehrere Spielteilnehmer in insgesamt 14 Durchgängen einen Fischteich als fiktives Gemeingut nutzen/befischen. Die Versuchspersonen legen in bei jedem Durchgang die Fischfangquoten gleichzeitig fest. Kommunikation ist erst im letzten Durchgang möglich. In der allgemeinen Instruktion wird als Zielsetzung die Maximierung des individuellen Gewinns angegeben.

Eine entsprechende individuelle Gewinnmaximierung ist langfristig und für jeden einzelnen nur dann möglich, wenn der Fischbestand auf einem Niveau gehalten wird, das einen möglichst optimalen Zuwachs gewährleistet. Der Zusammenhang zwischen der Fischmenge am Ende einer Fangsaison und der Fischmenge am Beginn der nächsten Fischsaison ist präexperimentell funktional festgelegt.

Die Versuchspersonen haben erst während des Spielverlaufs die Möglichkeit zu erkennen, wie Fischbestand und Fischvermehrung zusammenhängen, und in welcher Konfliktsituation sie sich befinden. Wenn insgesamt zuviel abgefischt wird, sind die Ertragsmöglichkeiten in den nachfolgenden Durchgängen stark reduziert, bei drastischer Überfischung ist sogar der ganze Fischbestand gefährdet. Die Vermehrung des Fischbestandes ist im Bereich von 100 t optimal. Die Strategien der instruierten Mitspieler lassen sich wie folgt beschreiben:

Ablauf

Vor dem Versuch werden erfolgt ein Hinweis an die Versuchspersonen das während des Versuches keine Kommunikation erlaubt ist. Daraufhin werden die Versuchspersonen durch eine Rahmengeschichte (Fischereiwesen an Voralpensee), die vom Versuchsleiter vorgelesen wird auf das nachfolgende Spiel eingestimmt. Daraufhin werden die eigentlichen Instruktionen vom Spielleiter verteilt und vorgelesen.

Auf den danach ausgeteilten Formblättern sind zur Illustration zwei Beispieljahre angegeben.

Die erste Spielrunde wird gemeinsam durchgeführt, während ihr sollen Fragen der Vp beantwortet werden. Im Laufe des ersten Jahres wird darauf hingewiesen, daß

Danach werden die restlichen neun Jahre durchgeführt. Bei Auftreten der Frage nach der Gesamtzahl der Durchgänge weist der Versuchsleiter darauf hin, daß die Anzahl der Durchgänge festgelegt ist und 15 nicht übersteigt, aber aus Gründen des Spielablaufs die genaue Anzahl nicht bekannt gegeben werden kann.

Zu Beginn des Spiels (Spielphase 1) beträgt die fiktive Fischmenge 140 t. Nach sieben Spieldurchgängen (Spielphase 2) wird in allen Gruppen mit einem Fischbestand von 71 t weitergespielt.

Den Versuchspersonen wird nach dem Spiel der jeweilige fiktive Fischertrag nach einem vor Spielbeginn bekannt gegebenen Umrechnungsschlüssel (eine Tonne = 0,15 DM) ausbezahlt.

Variablen

Unabhängige Variable ist die vom instruierten Mitspieler gespielte Strategie.

Ergebnisse

Die angegebenen Werte sind die Gesamterträge aller Spieler plus Restfischbestand nach der letzten Runde.

Erfolg in der

Spielphase 1 Spielphase 2

Modell-Strategie-Gruppen

408,4 296,0

Vergeltungsstrategiegruppen

342,9 180,5

Mittelwert Kontrollgruppen

377,9 188,2

Simulationsspiel Fischereikonflikt Zum Thema Experiment in der Psychologie siehe auch Werner Stangl: Test und Experiment in der Psychologie

Simulationsspiele lassen sich relativ leicht varieren. Dieser Versuch wurde in parallel in einigen Variationen durchgeführt. So wurden Gruppen mit unterschiedlichen Spielerzahlen ohne instruierte Mitspieler, denen teilweise zu bestimmten Zeitpunkten Diskussionen erlaubt wurden oder vorher Einblick in die ökologischen Zusammenhänge gegeben wurde getestet.

Kritik des Experiments und weitere Entwicklung des Paradigmas?

Siehe auch: Kann man Moral denn mit Magnetresonanz messen?

Literatur

Spada, Hans & Opwis, Klaus (1985). Ökologisches Handeln im Konflikt: Die Allmende-Klemme. In P. Day, U. Fuhrer & U. Laucken (Hrsg.), Umwelt und Handeln (S. 63-85). Tübingen: Attempto.

 
Quelle: Diese Seite entstand unter Verwendung von http://www.uni-kassel.de/fb3/psych/vv/ss95/exp/dilemma.html (00-10-18)



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