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Motivationstypen und Unterricht

Jeder Mensch befindet sich im steten Austausch mit ihrer Umwelt, wobei daraus resultierende Handlungen unter andrem durch Emotionen bestimmt werden und somit den Motivationsprozess begleiten. Das Projekt SELF ging der Frage nach, welche Zusammenhänge zwischen sozio-emotionalen Faktoren und Lernprozessen im schulischen Kontext haben. Primäres Ziel war die Erstellung einer Schüler-Typologie, die Aufschluss über die mögliche unterschiedliche Bedeutung sozio-emotionaler Faktoren im schulischen Lernprozess geben soll, denn die Ermittlung von sozialen und emotionalen Faktoren, die die Motivation und das Lernen beeinflussen, sowie die Klärung der neuronalen Grundlagen der Interaktion von kognitiven und emotionalen Lernprozessen können zu wirksamen Fördermaßnahmen führen, sowohl auf Ebene der individuellen Förderung der SchülerInnen als auch im Rahmen der Lehrerbildung.

Unter Berücksichtigung der Bedeutung sozialer Beziehungen für den individuellen Motivationsprozess wurden sowohl in der quantitativen Fragebogenstudie als auch in den qualitativen Interviews vier Motivationstypen identifiziert, die deutlich zeigen, dass interindividuelle Unterschiede in der Wahrnehmung von Peers und LehrernInnen für den Motivationsprozess von SchülernInnen existieren. Folgende unterschiedliche Lern- und Motivationstypen wurden dabei identifiziert:

Der Peer-abhängige Motivationstyp

Peer-abhängige Motivationstypen, deren Motivation stark von Klassenkameraden und Freunden beeinflusst wird. Dem Peer-abhängigen Motivationstypen wurden drei thematische Einheiten zugeordnet: „Peer-Feedback“, „Kooperation“ und „Wettbewerb“. Diese Einheiten sind nicht als separate Konstrukte zu verstehen, sondern vielmehr als interdependente Einflussgrößen. Der Wunsch nach Peer-Feedback in Form von Anerkennung und Zugehörigkeit wird sowohl in Form von Wettbewerb mit relevanten Mitschülern (z.B. Freund oder Freundin), als auch in Form von gegenseitiger Kooperation deutlich. Die SchülerInnen, die diesem Motivationstypen angehören, erkennen, dass sie als EinzelkämpferInnen im Schulalltag nicht bestehen könnten. Sie benötigen die Referenz zu ihren Peers, um motiviert zu sein und somit gute schulische Leistungen zu erbringen bzw. diese zu steigern. Insgesamt sind positive Peerbeziehungen und deren Qualität gerade in der Phase des Umbruchs von später Kindheit zur frühen Adoleszenz sowohl für Jungen als auch für Mädchen von großer Bedeutung und können auch zum Bedingungsfaktor schulischer Motivation werden.


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Der Lehrer-abhängige Motivationstyp

Lehrer-abhängige Motivationstypen, bei denen die Lehrenden einen starken Einfluss haben. Die Motivation des Lehrer-abhängigen Motivationstyps basiert insbesondere auf den drei thematischen Einheiten „Lehrer-Feedback“, „emotionale Bindung“ und „Lehrkompetenz“, welche wiederum durch ihre Interdependenz bestimmt werden. SchülerInnen des Lehrer-abhängigen Motivationstyps wünschen sich von LehrerInnen Feedback über ihre Leistungen und ihre Leistungsentwicklung, was gleichzeitig eine Rückmeldung zu ihrer Person beinhaltet. In den Interviewsequenzen wurde deutlich, dass SchülerInnen den Wunsch nach einer integren Lehrperson hegen, die ein gutes Gleichgewicht zwischen Lehrer-Rolle (Lehrkompetenz, Lehrer-Feedback) und Lehrer-Sein (emotionale Bindung) gefunden hat. Die Unterrichtsinhalte treten dabei in den Hintergrund, da die Motivation und das Interesse für das Fach vonseiten der SchülerInnen sehr stark vom Lehrer bzw. von der Lehrerin und seiner bzw. ihrer Person geprägt sind.

Der Peer-&Lehrer-abhängige Motivationstyp

Peer- und Lehrer-abhängige Motivationstypen, für die sowohl die Qualität der schulischen Beziehungen zu Lehrern und Klassenkameraden entscheidend ist, also das Klassenklima insgesamt. Was die SchülerInnen des Peer&Lehrer-abhängigen Motivationstypen von SchülerInnen des Peer-abhängigen bzw. Lehrer-abhängigen Motivationstypen unterscheidet, ist ein starkes übergeordnetes Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit. Das geht mit den Ergebnissen von Deci und Ryan im Rahmen ihrer Selbstbestimmungstheorie einher, da die soziale Eingebundenheit als eines der drei psychologischen Grundbedürfnisse (neben Autonomie und Kompetenzerleben) definiert wird. Die Motivation dieser SchülerInnen ist folglich mit dem Wunsch verbunden, in den schulischen Kontext eingebunden zu sein und sowohl von ihren Peers als auch von ihren Lehrernnnen anerkannt zu werden.

Der Peer-&Lehrer-unabhängige Motivationstyp

Peer- und Lehrer-unabhängigen Motivationstypen, bei denen weder der Klassenverband noch die Lehrenden eine Rolle für die Motivation spielen. wobei diese am wenigsten in das traditionelle Schulsystem passen. Während SchülerInnen der ersten drei beschriebenen Motivationstypen angaben, dass ihre Motivation von sozialen Beziehungen zu Peers und/oder Lehrernnnen bestimmt wird, gewinnen SchülerInnen des Peer&Lehrer-unabhängigen Motivationstyps ihre Motivation aus der eigenen Person oder externalen, außerschulischen Belohnungen. Diese SchülerInnen grenzen sich in ihrem Motivationsprozess deutlich von ihren Peers und den Lehrernnnen ab und sehen diese nicht zwingend als notwendigen Teil ihres eigenen Lernprozesses an. Für einige SchülerInnen dieser Gruppe ist ein ausschlaggebender Motivationsfaktor die externe Belohnung, die kurzfristig in Form von Geldgeschenken, z.B. aus der Familie oder anderen Privilegien erfolgt. Langfristig nennen viele SchülerInnen dieses Motivationstyps die Aussicht auf eine gut bezahlte Arbeit als Motivation gute Schulleistungen zu erbringen. Dieser unabhängige Motivationstyp vereint demnach sowohl Bedürfnisse der SchülerInnen, die aus sich selbst heraus (intrinsisch) motiviert sind, als auch SchülerInnen, die durch externe Belohnung (extrinsisch) motiviert sind. Beiden ist gemeinsam, dass der Lern-und Motivationsprozess unabhängig von Beziehungen zu Peers und Lehrernnnen gestaltet wird.

Diese Motivationstypologie zeigt, dass sich SchülerInnen deutlich in Bezug auf ihre sozio-motivationalen Lernprozesse unterscheiden, sodass sich Anhaltspunkte über die differenzierte Bedeutung von schulischen sozialen Beziehungen auf die Motivation ergeben. Wird ein Schüler oder eine Schülerin entsprechend seiner bzw. ihrer Anlagen und Besonderheiten wahrgenommen, akzeptiert und entsprechend gefördert (z.B. durch differenzierten Unterricht), wirkt das nicht nur der tendenziellen Abwärtsspirale der schulischen Motivation in der Adoleszenz entgegen, sondern kommt gleichzeitig dem schulischen Lehr-/Lernprozess zugute.


Literatur

Hoferichter, F. & Raufelder, D. (2014). Die Rolle von Peers und Lehrer/-innen für die schulische Motivation in der Adoleszenz – Ergebnisse einer metodenpluralen Studie. Schulpädagogik heute, 5(9).

Raufelder, D. & Hoferichter, F. (2014). Die vier Motivationstypen. Die Grundschule, 4, 12-13.



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