Was ist guter Unterricht?
Qualität der Unterrichtsgestaltung
Als Qualitätsmerkmale für Unterricht gelten z.B. seine Gliederung, Ordnung, Verständlichkeit, Klarheit, Einprägsamkeit und Einfachheit. Guter Unterricht wählt Lerninhalte in Bezug auf die Lernenden aus und formt sie entsprechend dem Lernvermögen der Lernenden um. Da Wissen keinen Selbstzweck hat, überbrückt ein solcher Unterricht die Kluft zwischen der Lernwelt in der Schule und der Berufswelt, ermöglicht praktische Anwendungen für theoretische Lerninhalte und stellt Zusammenhänge, Beziehungen und Querverbindungen zu anderen Lerngegenständen, Fächern oder Lerngebieten her. Durch die Einsicht, wozu etwas gelernt werden soll, fällt ein Lernen leichter. Lernfreundliche und methodisch variantenreiche Lehr-Lern-Arrangements ermöglichen ein positives Lernerlebnis.
- Klare Zielformulierungen für Lerneinheiten vorgeben
- Erwartungen angemessen formulieren, nicht über- oder unterfordern
- Angemessenes Lerntempo, erkennbare Rhythmisierung und Artikulation einzelner Lernphasen
- Durchschaubarkeit, klare Strukturierung, Folgerichtigkeit des Lernverlaufs
- Lerngegenstände gründlich und vernetzt bearbeiten
- Möglichst problemorientiert vorgehen
- Anschaulichkeit durch Beispiele
- Fächerübergreifende Aspekte und Gesamtzusammenhänge darstellen
- Methodenvielfalt, Überraschungsmomente anbieten
- Freude am Tun ermöglichen und vermitteln
- Keine konkurrierenden Motivierungssysteme einsetzen (z.B. extrinsich vs intrinsisch)
- Möglichst intrinsische Motivation wecken, extrinsische Motivationsfaktoren nur in unbedingt nötigen Situationen verwenden
- Lernfreundliche Umgebungsbedingungen schaffen (Licht, Luft, Temperatur, physische Bedürfnisse, soziales Klima, …)
Kompetenzerfahrungen für die Lernenden
Die emotionale Befindlichkeit eines Lernenden hat einen enormen Einfluss auf den Lernvorgang und daraus resultierende Lernergebnisse. Wenn Lernende im Unterricht häufig negative Rückmeldungen über erbrachte Leistungen erhalten, führt dies meist zu Angst vor erneutem Misserfolg. Negative Gefühle wie Angst, Stressempfinden, Unlust oder Sorge beeinträchtigen das Einprägen von Lerninhalten. Häufiger Misserfolg wirkt sich negativ auf das Selbstvertrauen aus, behindert die kognitive Leistungsfähigkeit und verringert damit die zukünftige Erfolgswahrscheinlichkeit des Lernens. Lerninhalte werden dann besonders gut aufgenommen, wenn sie mit positiven Gefühlen verbunden sind. Daher ist es wichtig, den Lernenden positive Erfahrungen im Umgang mit dem Lerngegenstand zu ermöglichen. Ein Erfahren der eigenen Kompetenz ausgelöst durch auch kleinste Erfolgserlebnisse erweist sich hierbei als tragend.
- Fragebedürfnis der Lernenden berücksichtigen
- Antworten auf Fragen durch Lernende und damit Kompetenznachweis ermöglichen
- Erreichbarkeit von Anerkennung durch angemessene Leistungserwartungen
- Erreichbare Zwischenziele setzen oder besser von den Lernenden selbst setzen lassen
- Teilerfolge möglichst früh und unmittelbar verdeutlichen, Teilergebnisse sichern, Lernergebnisse dokumentieren
- Regelmäßige sachbezogene Rückmeldungen über Lernfortschritt geben
- Rückmeldungen möglichst mit Lob verbinden, positive Aspekte herausheben
- Besser informierende als kontrollierende Rückmeldung
- Sach- und gegenstandsgerechte Prüfungsanforderungen, Leistungsbeurteilung auch an individueller Bezugsnorm orientieren
Christoph Lehmann
Autonomieunterstützung der Lernenden
Die emotionale Befindlichkeit eines Lernenden hat einen enormen Einfluss auf den Lernvorgang und daraus resultierende Lernergebnisse. Auf die kognitive und emotionale Qualität von Lernprozessen wirken sich individuelle Freiheiten und Entscheidungsspielräume der Lernenden generell positiv aus. Häufig sind diesen Freiräumen im Unterricht jedoch zwangsläufig Grenzen gesetzt, da sich Unterricht organisationsbedingt immer auch an einem gemeinsamen Lernrhythmus des gesamten Klassenverbandes orientieren muss. Da aber gerade individuelle Zielsetzungen und die damit verbundene Erreichbarkeit von gesteckten Zielen die Lernmotivation stark positiv beeinflussen, soll Unterricht den Lernenden immer auch einen gewissen Grad an Mitbestimmung und die Wahrnehmung der eigenen Autonomie ermöglichen.
- Eigenaktivität ermöglichen
- Entscheidungssituationen schaffen, Freiheitsgrade einbauen
- Selbstbestimmung von Lernzielen zulassen
- Spontane Interessen der Lernenden beachten
- Erwartungshaltung der Lernenden berücksichtigen
Identifikation mit der Lernumgebung, soziale Einbindung
Aus der Kommunikationspsychologie ist bekannt, dass Kommunikation oft stärker durch die Beziehungsebene als durch die Sachebene beeinflusst wird. Der üblicherweise von der Lehrkraft ausgehende Kommunikationsfluss im Unterricht liefert Lernenden ständig neue Informationen, die sie verarbeiten müssen. Für die Akzeptanz, Aufnahme und Verarbeitung dieser Informationen sind positive Beziehungen zwischen den Kommunikationspartnern – hier Lehrenden und Lernenden – unerlässlich. Aus sozialer Sicht wirken sich Lerngruppen aus verschiedenen Gründen in der Regel positiv auf die Lernmotivation aus. Gemeinsames Lernen entspricht dem menschlichen Grundbedürfnis nach sozialen Kontakten. Gruppen vermitteln ein Schutzgefühl, wodurch sich Ängste (etwa vor Fehlern) reduzieren lassen. Neben gemeinsamen Lernzielsetzungen können Lernergruppen nachhaltig Erfolgserlebnisse durch ein Erkennen des gemeinsamen Lernfortschritts ermöglichen. Eine entstehende Begeisterung innerhalb einer Lerngruppe wirkt meist ansteckend.
- Kollegiale, kooperative und freundliche Lern- und Arbeitsatmosphäre schaffen
- Angenehmes soziales Klima in der Klasse und an der Schule schaffen
- Gruppenarbeit ermöglichen
- Positives soziales Verhalten verstärken und bewusst machen
- Unangenehme Konsequenzen für Lernende minimieren
- Motivierende Persönlichkeitsmerkmale als Lehrkraft zeigen: Dynamik, Schwung, unterstützendes, emotional zugewandtes Verhalten, Kompetenz, Fachwissen, Durchsetzungsvermögen,
- Entschlusskraft, Ausgeglichenheit, …
- Identifikationsmöglichkeiten mit der Lehrkraft herbeiführen
- Als Lehrkraft Empfindungen zeigen, emotionale Beteiligung, Engagement
Soziale Interaktion hängt mit der Synchronisation der Gehirnaktivität zusammen
Dikker et al. (2017) haben die Gehirnaktivität mit Hilfe mobiler Elektronenzephalogramme während sozialer Interaktionen im Biologieunterrichts von zwölf Gymnasiasten sowie ihre Lehrer ein ganzes Schuljahr lang erfasst. Dabei zeigte sich, dass die Synchronisierung der Gehirnströme widerspiegelte, wie sehr die Schüler den Unterricht mochten und wie sympathisch sie sich gegenseitig fanden. Wie stark Gehirnströme mit denen einer anderen Person synchronisiert sind, scheint ein guter Prädiktor dafür zu sein, wie gut sie miteinander auskommen und wie stark sie sich engagieren. Offenbar ist die Hirn-zu-Hirn-Synchronizität ein möglicher neuraler Marker für soziale Interaktionen im Alltag. Es zeigte sich in den Daten eine positive Korrelation zwischen der Unterrichtsbewertung eines Schülers und dessen Hirnsynchronizität mit seinen Mitschülern als Gruppe, d. h., je stärker die Gehirnaktivitäten eines Schülers mit denen in der Klasse insgesamt übereinstimmten, desto wahrscheinlicher gab dieser eine positive Bewertung für den Unterricht ab, und je größer die Synchronizität zwischen einzelnen Schülern und ihren Mitschülern war, umso größer war die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Unterrichtsstil des Lehrers positiv beurteilten. Auch zeigte sich, dass Schüler, die einander näherstanden, während des Unterrichts eine stärkere Synchronizität aufwiesen, doch dies war jedoch nur dann der Fall, wenn sie direkt vor dem Unterricht persönlich miteinander zu tun hatten. Das lässt vermuten, dass eine persönliche Interaktion direkt vor einer gemeinsamen Erfahrung von Bedeutung ist, selbst dann, wenn während der Erfahrung selbst kein direkter Kontakt besteht. Darüber hinaus wurde bei Schülern, die Gruppenaktivitäten als bedeutend für ihr Leben bezeichneten, eine stärkere Synchronizität mit ihren Mitschülern nachgewiesen. Generell dürfte die Hirn-zu-Hirn-Synchronisierung durch geteilte Aufmerksamkeit unterstützt werden.
Literatur
Dikker, Suzanne, Wan, Lu, Davidesco, Ido, Kaggen, Lisa, Oostrik, Matthias, McClintock, James, Rowland, Jess, Michalareas, Georgios, Van Bavel, Jay J., Ding, Mingzhou & Poeppel, David (2017). Brain-to-Brain Synchrony Tracks Real-World Dynamic Group Interactions in the Classroom. Current Biology, 27, 1375-1380.
Riedl, A. (2004). Grundlagen der Didaktik. Stuttgart: Steiner.
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