[werner.stangl]s arbeitsblätter 

Kommunikation

Was ist Sprache?

Neben dem Handeln sind das Sprechen und Schreiben die wohl wichtigsten Repräsentanten geistiger und emotionaler Prozesse, denn durch sie versucht man, die notwendige Einstellung und Orientierung für zweckmäßige und zielführende Handlungen herzustellen. Während Beobachten, Wahrnehmen, Denken, Erkennen, Verstehen und Entscheiden innere Vorgänge sind, die man nicht beobachten kann, gehören das Sprechen und Schreiben neben dem Handeln zu den wenigen Vorgängen, die vom Innenleben nach außen dringen. Nichts macht die Besonderheit eines Menschen deutlicher als seine Sprache, denn sie ist gewissermaßen die Visitenkarte seines Denkens, auch wenn Worte, Sätze und Texte im Grunde gar keinen Inhalt besitzen, sondern nur Platzhalter für etwas Gemeintes sind.

Ausgehend von den Arbeiten Giambattista Vicos und Johann Gottfried Herders lassen sich zwei unterschiedliche Verständnisweisen von Sprache unterscheiden:

Sprachen übermitteln übrigens unterschiedlich viele Informationen in der Zeit, wie Linguisten gezeigt haben, wobei die meisten Silben pro Sekunde oder pro Intonationseinheit Telugu (Indien) mit fast zehn Silben pro Einheit enthält, gefolgt von Thai, Spanisch und Japanisch. Zu den langsamen, "nachdenklichen" Sprachen gehören hingegen Mandarin und Deutsch, wobei bei Letzteren die lnformationsmenge, die im Bewusstsein zur gleichen Zeit aktiv sein kann, am geringsten ist.

Das Organonmodell von Karl Bühler

Karl Bühler Sprachtheorie

Karl Bühler (1879-1963) war Mediziner, Psychologe und Philosoph, daher kein "klassischer" Sprach- oder Kommunikationswissenschaftler. Er beschäftigte sich unter anderem mit dem Ursprung der Sprachentwicklung bei Kleinkindern. Darüber hinaus befaßte er sich mit der Sprachtheorie, wobei ihn Platons Sprachtheorie beeinflußte. Platon faßte Sprache als Werkzeug (organon) auf, damit einer einem anderen etwas über "Dinge" mitteilen kann. Bühler entwickelte diese Idee weiter und schuf ein einfaches

Grundmodell der Kommunikation

Grundmodell von Karl Bühler

Im Mittelpunkt steht das Organum, das sinnlich Wahrnehmbare (in der Regel akustisch), die Sprache. Es steht in Relation zu den drei anderen Komponenten: "der Eine"(Sender), "der Andere"(Empfänger) und "die Dinge"(Gegenstände und Sachverhalte).

Der Sender erzeugt ein akustisches Phänomen, das auf den Empfänger einwirkt. Die "Dinge" sind Ereignisse, um die es bei der Kommunikation von Sender und Empfänger geht. Es besteht ein Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis und dem Sprechen. Nichts geht ohne das sprachliche Zeichen. 

In einem zweiten Schritt erweiterte Bühler sein Modell. Bühler geht davon aus, daß Sender und Empfänger unterschiedliche psychophysische Systeme haben. Die Reizquellen sind die Erscheinungen der Welt, die auf das psychophysische System vom Sender wirken. Der kommuniziert mit dem Empfänger über die Welt mit Hilfe von Sprache.

Das Organonmodell von Karl Bühler

Bühler erweitert sein Modell noch ein drittes Mal. Im Mittelpunkt steht wieder das Zeichen (Sprachzeichen), daß von den drei Elementen Sender, Empfänger und Gegenstände und Sachverhalte umgeben ist.

Der Kreis in der Mitte symbolisiert das konkrete Schallphänomen. Die Seiten des Dreiecks sind den variablen Elementen zugewandt. Die Linien, die vom Mittelpunkt weggehen, stellen die semantische Funktion des Sprachzeichens dar. Es gibt drei Dimensionen des sprachlichen Zeichens. Zum einen ist es Symbol kraft seiner Zuordnung zu Gegenstand und Sachverhalt. Es steht stellvertretend und hat damit eine Darstellungsfunktion.

Das Sprachzeichen stellt die Gegenstände und Sachverhalte, die in der Welt passieren, dar. Zum anderen ist das sprachliche Zeichen auch Symptom (Anzeichen) kraft seiner Abhängigkeit vom Sender, dessen Innerlichkeit es ausdrückt. Die Sprache hat also auch Ausdrucksfunktion. Der Sender drückt sich über etwas aus und kann auch dabei etwas über sich selbst aussagen. Es kommt darauf an, wie er es sagt. Beispielsweise kann "der Eine" sagen: "Da ist ein Hund!" aber er kann auch sagen: "Da ist ein Köter!". Im zweiten Fall sagt der Sender etwas über sich selbst aus. Unter anderem hat er sich damit bloßgestellt. Das Zeichen ist aber auch Signal kraft seines Appells an den Hörer, dessen äußeres und inneres Verhalten es zu steürn versucht. Hier liegt die Appellfunktion des Zeichens vor. Wenn der Sender dem Empfänger z.B. mitteilt, da sei ein Köter, versucht er ihn zu beeinflussen, indem er ihn warnen will oder auch nur seine Abneigung zeigen will.

Nach Bühler funktioniert Kommunikation nur über Zeichen. Die Sprache ist ein Organum mit den drei Funktionen der Darstellung, des Ausdrucks und des Appells.

 


organon (griechisch) = Werkzeug, Hilfsmittel

Der Begriff wurde bereits von Platon eingeführt und dient der Umschreibung für Sprache.


Die appellative Funktion einer Nachricht wird besonders gut durch Bilder verkörpert, denn diese wirken häufig emotionalisierend und lassen sie deshalb gut als Auslöser instrumentalisieren, indem sie unmittelbar Betroffenheit, Neugierde oder Interesse wecken. Das wird vor allem durch die Medien ausgenützt, die mit aufregenden, anregenden oder berührenden Bildern ihre Themen ins Interesse eines potentiellen Kunden pushen. Die Medien wissen sehr genau, welche Sujets bei welcher Zielgruppe gut ankommen. Bilder eignen sich vorzüglich, um an Gefühle des Menschen direkt zu appellieren, z.B. ist das Bild eines bissigen Hundes unmittelbarer wirksam als die schriftliche Aussage "Achtung vor dem Hund", warnt der Totenkopf auffälliger vor Lebensgefahr, appellieren bis auf die Knochen abgemagerte Kinder direkter an unser Gewissen und fordern uns zur Anteilnahme auf. Viele Bilder sollen eine Handlung, insbesondere in der Werbung über ein angesprochenes Bedürfnis eine Kaufhandlung, auslösen.

Eine bekannte Weiterentwicklung des Modells stammt von Friedemann Schulz von Thun: Die vier Seiten einer Nachricht

Auszug aus dem Original: Das Organonmodell der Sprache

Das Sprechereignis hat vielerlei Ursachen (oder Motive) und Standorte im Leben des Menschen. Es verläßt den Einsamen in der Wüste und den Träumenden im Schlafe nicht völlig, verstummt aber dann und wann sowohl in gleichgültigen wie in entscheidenden Augenblicken. Und zwar nicht nur beim einsam Reflektierenden und sprachlos Schaffenden, sondern manchmal mitten im Zuge eines Geschehens zwischen Ich und Du oder im Wirverbande, wo man es sonst ganz regelmässig antrifft. Gleichweit von der Wahrheit eines Gesetzes entfernt sind alle summarischen Regeln der Weisheitslehrer, die sich mit diesem wetterartig wechselnden Auftreten des menschlichen Sprechens beschäftigen. "Spricht die Seele, so spricht schon, ach, die Seele nicht mehr"; ebenso hört man: die tiefste Antwort des befragten Gewissens sei Schweigen. Wogegen andere ins Feld führen, Sprechen und Menschsein komme auf ein und dasselbe hinaus oder es sei das Medium, die Fassung der Sprache (genauer der Muttersprache), in der allein uns Außenwelt und Innenwelt gegeben und erschließbar werden; zum mindesten soll Denken und Sprechen dasselbe, nämlich Logos, und das stumme Denken nur ein unhörbares Sprechen sein.

Wir suchen am Ausgang keinen Konflikt mit den Weisheitslehrern sondern ein Modell des ausgewachsenen konkreten Sprechereignisses samt den Lebensumständen, in denen es einigermaßen regelmäßig auftritt. Ich denke, es war ein guter Griff Platons, wenn er im Kratylos angibt, die Sprache sei ein organum, um einer dem andern etwas mitzuteilen über die Dinge. Daß solche Mitteilungen vorkommen, ist keine Frage, und der Vorteil, von ihnen auszugehen, liegt darin beschlossen, daß man alle oder die meisten anderen Fälle aus dem einen Hauptfall durch Reduktion gewinnen kann; denn die sprachliche Mitteilung ist die an Grundbezügen reichste Erscheinungsform des konkreten Sprechereignisses. Die Aufzählung einer - dem anderen - über die Dinge nennt nicht weniger als drei Relationsfundamente. Man zeichne ein Schema auf ein Blatt Papier, drei Punkte wie zu einem Dreieck gruppiert, einen vierten in die Mitte und fange an darüber nachzudenken, was dies Schema zu symbolisieren imstande ist. Der vierte Punkt in der Mitte symbolisiert das sinnlich wahrnehmbare, gewöhnlich akustische Phänomen, welches offenbar zu allen drei Fundamenten an den Ecken in irgendeiner Relation stehen muß, sei es nun eine direkte oder eine vermittelte Relation. Wir ziehen gestrichelte Linien von dem Zentrum zu den Eckpunkten unseres Schemas und überlegen, was diese gestrichelten Linien symbolisieren.
Was heute jedem unbefangenen Ausdeuter dieser Punkt-Strich-Figur zuerst einfällt, ist eine direkte Kausalbetrachtung. Der "eine" erzeugt das Schallphänomen und auf den "andern" wirkt es als Reiz, es ist also effectus und efficiens. Um auch der dritten gestrichelten Linie einen Sinn zu verleihen, kann man verschieden vorgehen. Das Einfachste ist, man deutet sie als einen komplexen, durch Zwischenfundamente vermittelten Kausalzusammenhang von Ereignissen um das Sprechen herum. Gesetzt, das Produzieren des Schallphänomens sei im Sprecher angeregt durch einen zeitlich vorausgehenden Sinnesreiz, der von einem Ding im Wahrnehmungsfelde herkommt, und das Hören des sprachlichen Schallphänomens stimuliere den Hörer zur Hinwendung der Augen auf dasselbe Ding. Also zum Beispiel: Zwei Menschen im Zimmer - der eine beachtet ein Prasseln, blickt zum Fenster und sagt: es regnet - auch der andere blickt dorthin, sei es direkt vom Hören des Wortes oder sei es vom Blick auf den Sprecher dazu verleitet1. Das kommt vor und dabei ist der Zirkel ja in der schönsten Weise geschlossen. Wem's beliebt, der kann nun das Geschehen in dem so geschlossenen Kreise sogar fortlaufen lassen wie auf einer Schraube ohne Ende. Ist das Ding oder Ereignis reich genug für immer neü Anregungen, die abwechselnd der eine oder andere Partner aufnimmt, spricht der Vorfall die beiden ausgiebig an (wie man markant zu sagen pflegt), so werden sie sich eine Zeitlang im beobachtenden Abtasten und Bereden des Dinges oder der Affäre in Dialogform ergehen.

Vom illustrierenden Beispiel weg nunmehr wieder an das Modell gedacht, so wäre die Kausalkette in der primären, noch wahrnehmungsgestützten Mitteilung durch Laute im Schema der Fig. 2. (s.o.) festzuhalten. Was sagt die Sprachtheorie dazu? Eine Kausalbetrachtung, irgendeine Kausalbetrachtung ist im Gesamtrahmen der linguistischen Sprechvorgänge ebenso unvermeidlich, wie z. B. in der Rekonstruktion eines Verbrechens. Der Richter muß im Strafprozeß nicht nur die Tat als dies Verbrechen, sondern auch den Angeklagten als Täter bestimmen, um ihn zu verurteilen. Das Zuschreiben der Tat wäre ohne den Kausalgedanken in irgendeiner Form ein (rein logisch gesehen) sinnloses Unterfangen. Allein das Zuendedenken der Kausalidee stößt in der Rechtssphäre auf wohlbekannte Schwierigkeiten. Ich behaupte, daß auf Schwierigkeiten derselben Art auch die zu primitive Vorstellung der alten Psychophysik vom "Kreislauf des Sprechens" (de Saussure) stößt; es sind noch einmal dieselben, wie sie im Kerngebiet der Psychologie ganz allgemein manifest werden. Wir beginnen heute zu ahnen, wo der Rechenfehler liegt: die Systeme a und b in der Kette fungieren als weitgehend autonome Stationen. Der Reizempfang gleicht im einfachsten Falle schon einer echten 'Meldung' und die eigene Sendung ist stets eine 'Handlung'.

Weiterführende Literatur

Bühler, Karl (1965). Sprachtheorie: Die Darstellungsform der Sprache. Jena: G. Fischer.

Neudruck: Bühler, Karl (1992). Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Stuttgart/New York: Fischer.

Bühler, Karl (1969). Die Axiomatik der Sprachwissenschaften. Frankfurt: Klostermann.

Fiske, John (1987). Introduction to Communication Studies. London: Methün.

Schulz von Thun, Friedemann (1981). Miteinander reden 1. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Watzlawick, P., Beavin, J., Jackson, D. (1996). Menschliche Kommunikation. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hans Huber.

Weitere Quellen

http://düker.psycho.uni-osnabrück.de/ewp/pdfs/abb_5-23.pdf (01-01-10)

http://www.sw2.euv-frankfurt-o.de/VirtuLearn/LKT/Seminare/07.01.99/Protokoll.html (01-10-15)

http://www.sandkorn.ch/bildsprache/bild&bedeutung/pushbild.html (01-10-15)

http://www.journal-fuer-psychologie.de/call-sprachpotenzial.html (10-06-04)

    

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