Kommunikation
Was ist Sprache?
Neben dem Handeln sind das Sprechen und Schreiben die wohl wichtigsten Repräsentanten geistiger und emotionaler Prozesse, denn durch sie versucht man, die notwendige Einstellung und Orientierung für zweckmäßige und zielführende Handlungen herzustellen. Während Beobachten, Wahrnehmen, Denken, Erkennen, Verstehen und Entscheiden innere Vorgänge sind, die man nicht beobachten kann, gehören das Sprechen und Schreiben neben dem Handeln zu den wenigen Vorgängen, die vom Innenleben nach außen dringen. Nichts macht die Besonderheit eines Menschen deutlicher als seine Sprache, denn sie ist gewissermaßen die Visitenkarte seines Denkens, auch wenn Worte, Sätze und Texte im Grunde gar keinen Inhalt besitzen, sondern nur Platzhalter für etwas Gemeintes sind.
Ausgehend von den Arbeiten Giambattista Vicos und Johann Gottfried Herders lassen sich zwei unterschiedliche Verständnisweisen von Sprache unterscheiden:
- Sprache als Werkzeug, das von den Akteuren eingesetzt wird, um sich kommunikativ mit anderen auseinanderzusetzen. Sprache wird hier zu einer spezifischen menschlichen Fähigkeit, einem zu untersuchendem System, das losgelöst von einer vorhandenen Realität existiert, allenfalls also die Möglichkeit bietet als Werkzeug des Zugangs und der Beschreibung dieser Realität gebraucht zu werden. Sprache ist hier also kein aktives, gestaltendes Element, sondern lediglich eine Fähigkeit zum Beschreibenden und Erfassenden, zum Austauschen über eine Realität. Es handelt sich bei dieser Auffassung um ein positivistisches Verständnis von Sprache als individuelles Mittel der Kommunikation.
- Sprache als Konstruktion, also Sprache als einen Versuch das In-der-Welt-sein von Individuen zu beschreiben, wobei Kategorien wie „Welt“, „Gesellschaft“, „Realität“, „Sprache“, usw. als Konstruktionen mittels Sprache verstanden werden, die nur durch spezifische Diskurse und zum Zwecke der Analyse von ihr getrennt werden können. Sprache wird in dieser Tradition nicht als passives Werkzeug sondern als aktive Praxis von Subjekten zur Gestaltung von Welt wahrgenommen. Ein Zeichen ist nach diesem Verständnis niemals äquivalent zum Bezeichneten ist, sondern bezieht seine Bedeutung aus sozialen Konventionen. In dieser Auffassung besitzt Sprache ein soziales Element, um als Subjekt in einer Gemeinschaft gemeinsam handeln zu können. Sprachentwicklung ist daher die Internalisierung sozialer Zeichen, das Erlernen einer bestimmten Kultur.
Sprachen übermitteln übrigens unterschiedlich viele Informationen in der Zeit, wie Linguisten gezeigt haben, wobei die meisten Silben pro Sekunde oder pro Intonationseinheit Telugu (Indien) mit fast zehn Silben pro Einheit enthält, gefolgt von Thai, Spanisch und Japanisch. Zu den langsamen, "nachdenklichen" Sprachen gehören hingegen Mandarin und Deutsch, wobei bei Letzteren die lnformationsmenge, die im Bewusstsein zur gleichen Zeit aktiv sein kann, am geringsten ist.
Das Organonmodell von Karl Bühler
Karl Bühler (1879-1963) war Mediziner, Psychologe und Philosoph, daher kein "klassischer" Sprach- oder Kommunikationswissenschaftler. Er beschäftigte sich unter anderem mit dem Ursprung der Sprachentwicklung bei Kleinkindern. Darüber hinaus befaßte er sich mit der Sprachtheorie, wobei ihn Platons Sprachtheorie beeinflußte. Platon faßte Sprache als Werkzeug (organon) auf, damit einer einem anderen etwas über "Dinge" mitteilen kann. Bühler entwickelte diese Idee weiter und schuf ein einfaches
Grundmodell der Kommunikation
Im Mittelpunkt steht das Organum, das sinnlich Wahrnehmbare (in der Regel akustisch), die Sprache. Es steht in Relation zu den drei anderen Komponenten: "der Eine"(Sender), "der Andere"(Empfänger) und "die Dinge"(Gegenstände und Sachverhalte).
Der Sender erzeugt ein akustisches Phänomen, das auf den Empfänger einwirkt. Die "Dinge" sind Ereignisse, um die es bei der Kommunikation von Sender und Empfänger geht. Es besteht ein Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis und dem Sprechen. Nichts geht ohne das sprachliche Zeichen.
In einem zweiten Schritt erweiterte Bühler sein Modell. Bühler geht davon aus, daß Sender und Empfänger unterschiedliche psychophysische Systeme haben. Die Reizquellen sind die Erscheinungen der Welt, die auf das psychophysische System vom Sender wirken. Der kommuniziert mit dem Empfänger über die Welt mit Hilfe von Sprache.
Bühler erweitert sein Modell noch ein drittes Mal. Im Mittelpunkt steht wieder das Zeichen (Sprachzeichen), daß von den drei Elementen Sender, Empfänger und Gegenstände und Sachverhalte umgeben ist.
Der Kreis in der Mitte symbolisiert das konkrete Schallphänomen. Die Seiten des Dreiecks sind den variablen Elementen zugewandt. Die Linien, die vom Mittelpunkt weggehen, stellen die semantische Funktion des Sprachzeichens dar. Es gibt drei Dimensionen des sprachlichen Zeichens. Zum einen ist es Symbol kraft seiner Zuordnung zu Gegenstand und Sachverhalt. Es steht stellvertretend und hat damit eine Darstellungsfunktion.
Das Sprachzeichen stellt die Gegenstände und Sachverhalte, die in der Welt passieren, dar. Zum anderen ist das sprachliche Zeichen auch Symptom (Anzeichen) kraft seiner Abhängigkeit vom Sender, dessen Innerlichkeit es ausdrückt. Die Sprache hat also auch Ausdrucksfunktion. Der Sender drückt sich über etwas aus und kann auch dabei etwas über sich selbst aussagen. Es kommt darauf an, wie er es sagt. Beispielsweise kann "der Eine" sagen: "Da ist ein Hund!" aber er kann auch sagen: "Da ist ein Köter!". Im zweiten Fall sagt der Sender etwas über sich selbst aus. Unter anderem hat er sich damit bloßgestellt. Das Zeichen ist aber auch Signal kraft seines Appells an den Hörer, dessen äußeres und inneres Verhalten es zu steürn versucht. Hier liegt die Appellfunktion des Zeichens vor. Wenn der Sender dem Empfänger z.B. mitteilt, da sei ein Köter, versucht er ihn zu beeinflussen, indem er ihn warnen will oder auch nur seine Abneigung zeigen will.
Nach Bühler funktioniert Kommunikation nur über Zeichen. Die Sprache ist ein Organum mit den drei Funktionen der Darstellung, des Ausdrucks und des Appells.
organon (griechisch) = Werkzeug, Hilfsmittel
Der Begriff wurde bereits von Platon eingeführt und dient der Umschreibung für Sprache.
Die appellative Funktion einer Nachricht wird besonders gut durch Bilder verkörpert, denn diese wirken häufig emotionalisierend und lassen sie deshalb gut als Auslöser instrumentalisieren, indem sie unmittelbar Betroffenheit, Neugierde oder Interesse wecken. Das wird vor allem durch die Medien ausgenützt, die mit aufregenden, anregenden oder berührenden Bildern ihre Themen ins Interesse eines potentiellen Kunden pushen. Die Medien wissen sehr genau, welche Sujets bei welcher Zielgruppe gut ankommen. Bilder eignen sich vorzüglich, um an Gefühle des Menschen direkt zu appellieren, z.B. ist das Bild eines bissigen Hundes unmittelbarer wirksam als die schriftliche Aussage "Achtung vor dem Hund", warnt der Totenkopf auffälliger vor Lebensgefahr, appellieren bis auf die Knochen abgemagerte Kinder direkter an unser Gewissen und fordern uns zur Anteilnahme auf. Viele Bilder sollen eine Handlung, insbesondere in der Werbung über ein angesprochenes Bedürfnis eine Kaufhandlung, auslösen.
Eine bekannte Weiterentwicklung des Modells stammt von Friedemann Schulz von Thun: Die vier Seiten einer Nachricht
Auszug aus dem Original: Das Organonmodell der Sprache
Das Sprechereignis hat vielerlei Ursachen (oder Motive) und Standorte im Leben des Menschen. Es verläßt den Einsamen in der Wüste und den Träumenden im Schlafe nicht völlig, verstummt aber dann und wann sowohl in gleichgültigen wie in entscheidenden Augenblicken. Und zwar nicht nur beim einsam Reflektierenden und sprachlos Schaffenden, sondern manchmal mitten im Zuge eines Geschehens zwischen Ich und Du oder im Wirverbande, wo man es sonst ganz regelmässig antrifft. Gleichweit von der Wahrheit eines Gesetzes entfernt sind alle summarischen Regeln der Weisheitslehrer, die sich mit diesem wetterartig wechselnden Auftreten des menschlichen Sprechens beschäftigen. "Spricht die Seele, so spricht schon, ach, die Seele nicht mehr"; ebenso hört man: die tiefste Antwort des befragten Gewissens sei Schweigen. Wogegen andere ins Feld führen, Sprechen und Menschsein komme auf ein und dasselbe hinaus oder es sei das Medium, die Fassung der Sprache (genauer der Muttersprache), in der allein uns Außenwelt und Innenwelt gegeben und erschließbar werden; zum mindesten soll Denken und Sprechen dasselbe, nämlich Logos, und das stumme Denken nur ein unhörbares Sprechen sein.
Vom illustrierenden Beispiel weg nunmehr wieder an das Modell gedacht, so wäre die Kausalkette in der primären, noch wahrnehmungsgestützten Mitteilung durch Laute im Schema der Fig. 2. (s.o.) festzuhalten. Was sagt die Sprachtheorie dazu? Eine Kausalbetrachtung, irgendeine Kausalbetrachtung ist im Gesamtrahmen der linguistischen Sprechvorgänge ebenso unvermeidlich, wie z. B. in der Rekonstruktion eines Verbrechens. Der Richter muß im Strafprozeß nicht nur die Tat als dies Verbrechen, sondern auch den Angeklagten als Täter bestimmen, um ihn zu verurteilen. Das Zuschreiben der Tat wäre ohne den Kausalgedanken in irgendeiner Form ein (rein logisch gesehen) sinnloses Unterfangen. Allein das Zuendedenken der Kausalidee stößt in der Rechtssphäre auf wohlbekannte Schwierigkeiten. Ich behaupte, daß auf Schwierigkeiten derselben Art auch die zu primitive Vorstellung der alten Psychophysik vom "Kreislauf des Sprechens" (de Saussure) stößt; es sind noch einmal dieselben, wie sie im Kerngebiet der Psychologie ganz allgemein manifest werden. Wir beginnen heute zu ahnen, wo der Rechenfehler liegt: die Systeme a und b in der Kette fungieren als weitgehend autonome Stationen. Der Reizempfang gleicht im einfachsten Falle schon einer echten 'Meldung' und die eigene Sendung ist stets eine 'Handlung'.
Weiterführende Literatur
Bühler, Karl (1965). Sprachtheorie: Die Darstellungsform der Sprache. Jena: G. Fischer.
Neudruck: Bühler, Karl (1992). Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Stuttgart/New York: Fischer.
Bühler, Karl (1969). Die Axiomatik der Sprachwissenschaften. Frankfurt: Klostermann.
Fiske, John (1987). Introduction to Communication Studies. London: Methün.
Schulz von Thun, Friedemann (1981). Miteinander reden 1. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
Watzlawick, P., Beavin, J., Jackson, D. (1996). Menschliche Kommunikation. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hans Huber.
Weitere Quellen
http://düker.psycho.uni-osnabrück.de/ewp/pdfs/abb_5-23.pdf (01-01-10)
http://www.sw2.euv-frankfurt-o.de/VirtuLearn/LKT/Seminare/07.01.99/Protokoll.html (01-10-15)
http://www.sandkorn.ch/bildsprache/bild&bedeutung/pushbild.html (01-10-15)
http://www.journal-fuer-psychologie.de/call-sprachpotenzial.html (10-06-04)
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