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Transaktionsanalyse - Strokes

Wenn der Transaktionsanalytiker etwa von "Rabattmarken-Sammeln" spricht, so bezeichnet er damit das Ansammeln negativer Gefühle in einer Reihe von Transaktionen mit einem Gegenüber, um sie später in einem "Racheakt" einzulösen.

Z.B. ärgert sich jemand in einem Gespräch über etwas, was der Gesprächspartner sagt oder wie dieser sich verhält, äußert dies aber nicht, sondern behält es für sich. Dieses Verhalten wiederholt sich nun einige Male, bis sich so viele negative Gefühle angesammelt haben, dass alles auf einmal "herausplatzt", selbst wenn die aktuelle Situation gar nicht so schlimm ist. Der andere weiß natürlich nichts von den vielen gesammelten Rabattmarken,wundert sich bloß über die aus seiner Sicht überzogenen Reaktion und ist nun seinerseits verärgert.

Da das aus dem Englischen kommende Wort "Stroke" sowohl "Streicheln" als auch "Schlag", "Streich" bedeutet, kann ein solcher lustvoll, angenehm, unangenehm oder sogar tödlich sein. Eric Berne wählte das Wort "Stroke", um damit das ursprüngliche Bedürfnis des Säuglings nach körperlicher Berührung ("Streicheln") deutlich zu machen. Ein "Stroke" wird in der Transaktionsanalyse als "Einheit der Anerkennung" oder auch als "Einheit der Wahrnehmung" definiert. Jedesmal, wenn man durch irgendeine kommunikative Handlung einem anderen Menschenn signalisiert, dass man ihn wahrnimmt und zwar so, dass er das Signal auch wahrnehmen kann, hat man ihm einen "Stroke" gegeben. Wenn etwa ein Bekannter sich heute morgen, als Sie deutlich "Guten Morgen" sagten, einfach weggedreht hätte und Sie nicht beachtet hätte, hätten Sie vielleicht das Gefühl gehabt, dass Ihnen etwas fehlt. Der Bekannte hätte ein "Stroke" verweigert, den Sie intuitiv erwartet hatten.

Nach Berne sind "Strokes" für das physische und psychische Überleben eines Menschen unbedingt notwendig und verglich das Bedürfnis nach Stimulierung mit dem physischen Hunger. Wenn Menschen gelernt haben, mit einer symbolischen Form der Zuwendung auszukommen, haben sie so das ursprüngliche Bedürfnis nach körperlicher Zuwendung sublimiert. Den Hunger nach solchen symbolischen Formen der Zuwendung bezeichnete Berne als "Anerkennungshunger". Da "Strokes" lebensnotwendig sind und in unserer Kultur wenige direkte physische "Strokes" ausgetauscht werden, bewertet man als Ersatz alle symbolischen Formen von "Strokes" hoch: das Protokoll bei Staatsempfängen, Begrüßungen, Geld, Preise, Lob etc..

Arten von "Strokes"

Verbale "Strokes" sind alle "Strokes", bei denen A etwas zu B gesagt hat. Nonverbale "Strokes" sind "Strokes", die durch nonverbale Mittel, wie Lächeln, Grimassen, Körperhaltung, Stimmlage, Berührung gegeben werden etc. Jedes Gespräch, jede Interaktion zwischen zwei Menschen ist ein Austausch von "Strokes". Es gibt Interaktionen, bei denen nur nonverbale "Strokes" ausgetauscht werden, wie z.B. dem Flirt. Umgekehrt gibt es keine Interaktionen, in denen nicht auch nonverbale "Strokes" ausgetauscht werden.

Ein positiver "Stroke" ist ein "Stroke", der vom Empfänger als angenehm erlebt wird, ein negativer "Stroke" ist ein "Stroke", der vom Empfänger als unangenehm erlebt wird. Ob ein "Stroke" positiv oder negativ ist, entscheidet nicht der Geber, sondern der Empfänger. Es gibt auch "Plastik-Strokes": Das sind übertrieben positive "Strokes". Wenn etwa der Gesprächspartner auf Ihr "Guten Tag" antwortete: "Toll, also dass Sie auch hier sind, dass finde ich ja ganz super, ich habe erst letzte Woche zu xyz gesagt: Wie geistreich und brillant y immer ist und jetzt sehe ich Sie......" Plastik- oder Kunststoff-"Strokes" sind "Strokes", die aus einer inkongruenten Haltung heraus gegeben werden. Sie sind nicht wirklich ehrlich gemeint, auch wenn sie positiv klingen. Der Geber möchte nicht nur den Empfänger "stroken", sondern vielleicht auch noch Schuld- oder Schamgefühle auslösen. Es sind letztlich Manipulationsversuche. Unechte "Strokes" sind solche, die ebenfalls als Resultat einer inkongruenten Haltung des Gebers dem Empfänger gegenüber gegeben werden. Diese "Strokes" beginnen positiv, so dass es so aussieht, als ob der Empfänger einen positiven "Stroke" bekommt, und dann enden diese "Strokes" negativ: "Der Mantel steht Ihnen sehr gut - haben Sie ihn gebraucht gekauft?"

Ein bedingter "Stroke" bezieht sich auf das, was man tut, ein bedingungsloser "Stroke" auf das, was man ist.

Säuglinge bekommen im Normalfall die wichtigen physischen "Strokes" in großer Anzahl, aber je älter sie werden, desto seltener werden sie. Auch die Zahl der negativen "Strokes" nimmt zu: "Du schreist mir heute zu laut. Deine Unruhe stört mich. Du gefällst mir heute nur, wenn du artig bist, wenn Tante Frieda kommt." usw. Wenn die Zahl der physischen "Strokes" abnimmt, lernt das Kind, sich um symbolische "Strokes" zu bemühen. Kinder probieren alle möglichen Verhaltensweisen aus, um herauszufinden, welche "Strokes" sie einbringen. Wird eine bestimmte Verhaltensweise als "Stroke"-verschaffend erkannt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Verhaltensweise wiederhot wird. Irgendwann vergißt man, dass es noch mehr "Strokes" gibt, als die, die man in der Familie bekommen hat. Dann bemüht man sich nur noch um die "Strokes", von denen man meinen, dass man sie sicher erhalten kann. Folglich schränkt sich das Spektrum möglicher Verhaltensweisen stark ein und man zeigt nur noch jene Verhaltensweisen, die sicher zu "Strokes" führen. Das tun Kinder ebenso wie Erwachsene, sodass "Strokes", die man haben will, unter anderem auch die Berufs- und Partnerwahl bestimmen.

Man könnte annehmen, dass sich sowohl Erwachsene als auch Kinder vor allem um positive "Strokes" bemühen würden. Das tun sie zwar in der Regel, aber "Strokes" sind für das physisches und psychisches Überleben so wichtig, dass auch negative gesucht werden, wenn man keine positiven "Strokes" bekommen kann. Diese verstärken das Verhalten, das zu diesem "Stroke" führt, genauso, wie ein positiver "Stroke". Wenn man als Elternteil, als Vorgesetzter oder Therapeut ein unerwünschtes Verhalten negativ "strokt", verstärkt man damit immer auch das unerwünschte Verhalten.

Manche Menschen ertragen mehr negative "Strokes", andere weniger, manche Menschen ertragen auch kaum positive "Strokes", weil sie es nicht gewöhnt sind, solche "Strokes" zu bekommen. Manche Menschen, die eine sehr schmerzhafte Kindheit hatten, haben beschlossen, keine oder nur sehr wenige "Strokes" von außen hineinzulassen und zeigen als Ersatz ein Verhalten, das ihnen in ihrer phantasierten Weit internal konstruierte "Strokes" einbringt. In aller Regel zeigen sie ein Verhalten, das Menschen mit einem anderen Modell von Welt als "merkwürdig" oder "verrückt" etikettieren. Andere wieder haben den Glaubenssatz entwickelt, dass man positiven "Strokes" besser mit Mißtrauen begegnet. Strokes werden selektiv gefiltert, man läßt nur die "Strokes" emotional zu, die zu den "Lieblings-Strokes" passen. Auf diese Weise halten Menschen das Bild aufrecht, das sie sich von sich selbst gemacht haben.

Kuriosa: Das "Rabattmarken-Sammeln" und "Strokes"

Die Vertreter der Transaktionanalyse verwenden häufig Alltagsausdrücke, um ihr Modell anschaulicher und verständlicher zu machen, womit sie sich manchmal auch das Problem der Ontologisierung, Verselbständigung bzw. ungerechtfertigen Generalisierung der Phänomene und der damit verbundenen Begriffe einhandeln. Die beiden hier besprochenen Begriffe sind jedoch vermutlich auch aus Sicht der wissenschaftlichen Psychologie recht gut verankert und entsprechen Grundformen des menschlichen Lernens.

Quelle:
http://www.transaktionsanalyse.de/ (02-12-23)

Zur Verbesserung der Strokes-Technik

Wie Streicheleinheiten im Gehirn wirken

Berührungen wie Herzen, Kraulen, Krabbeln und Streicheln, Tätscheln, Schmusen oder Liebkosen sind die erste Sprache, die Menschen lernen, und diese Sprache bleibt ihnen ein Leben lang erhalten, wobei die meisten Menschen gerne von Personen berührt werden, die ihnen mehr oder weniger sympathisch sind. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse über die Macht von Berührungen, doch was geschieht im Gehirn, wenn jemand einen anderen berührt? Warum fühlen sich Menschen bei Berührungen durch eine Person wohl und angenehm, bei der durch eine andere aber schlecht? Gazzola et al. (2012) untersuchten Männer im Alter zwischen 21 und 31 in einen funktionellen Magnetresonanztomographen, um die Gehirnaktivität bei Berührungen zu messen. Nachdem sich die Probanden hingelegt hatten, näherten sich einerseits eine attraktive Frau in einem schwarzen Abendkleidmit High-heels, die sich warmherzig und freundlich verhielt, und ein Mann in Jeans und Tank Top, der bewusst distanziert wirkte. Es wurde den Männern gesagt, diese würden ihnen nun abwechselnd zärtlich über die Beine streicheln. Allerdings wurden diese Streicheleinheiten standardisiert durch die selber Person (der Frau) durchgeführt, wobei den Teilnehmern nur vermittels eines Videos unterschiedliche Streichler vorgespielt wurden. Die vermeintliche Berührung der Frau fanden sie angenehm, die des Mannes eher weniger, was sich auch in ihrer Hirnaktivität widerspiegelte. Der primäre somatosensorische Cortex, der haptische Eindrücke verarbeitet, reagierte bei Berührungen der weiblichen Person stärker als bei denen durch den Mann. er somatosensorische Cortex interpretiert also lediglich die rein körperlichen Aspekte der Berührung, während die Inselrinde hingegen die emotionale Seite signalisiert, also ob die Berührung als angenehm empfunden wird oder nicht. Offenbar spielt der primäre somatosensorische Cortex auch bei den emotionalen Aspekten eine Rolle. Die Studie zeigte, dass offensichtlich auch körperliche Empfindungen stark von Gefühlen bzw. den Erwartungen beeinflusst werden.

Quelle:
Gazzola, Valeria et al. (2012). Primary somatosensory cortex discriminates affective significance in social touch. Proceedings of the National Academy of Sciences.

Streicheln bei Schmerzen

In neueren Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass das sanfte Streichen über eine Stelle auf der Haut, an der man etwa einen Schlag oder eine andere Verletzung erlitten hat und nun dort Schmerzen empfindet, diesen deutlich lindert, denn die Signale, die durch die streichelnde Berührung ausgelöst werden, dämpfen die Schmerzsignale. Die Signale des Streichelns haben eine eigene direkte Route über C-Fasern ins Gehirn, wobei langsame, sich wiederholende Berührungen nicht wie normale Tastreize weitergegeben werden, sondern vielmehr wie ein bestimmter Typ von Schmerzreizen und machen dadurch diesen Konkurrenz. Diese C-Fasern sind dünne Nervenstränge und besitzen keine Markscheide, d.h., sie leiten Signale nur langsam, wobei die Enden dieser Fasern in allen behaarten Hautpartien des Körpers sitzen. Jede C-Faser sammelt jeweils die Signale aus etwa einem Quadratzentimeter Haut und gibt sie an das Gehirn weiter. Schmerzsignal werden über zwei verschiedene Leitungen ans Gehirn gemeldet, indem einerseits besonders schnelle Nervenfasern dafür sorgen, dass wir die Verletzung sofort bemerken (Anfangsschmerz), die eine reflexartige Reaktion auslösen, andererseits wird gleichzeitig das Schmerzsignal aber auch über die langsamere C-Faser ausgesendet. Kommt dieses langsame Signal im Gehirn an, erzeugt es den dumpfen nachklingenden Schmerz. Reibt man nun mit der Hand über die schmerzende Stelle, werden über die gleiche Leitung auch die positiven Streichelsignale gesendet, die den Schmerzreiz blockieren. Wie stark Menschen Schmerz empfinden, hängt nicht nur von den Signalen ab, die das Gehirn erreichen, sondern auch davon, wie das Gehirn diese Signale in sein Körperbild einfügt. Die meist spontane Selbstberührung hilft dem Gehirn offenbar dabei, die Informationen aus dem betroffenen Körperteil besser zuzuordnen und zu integrieren, was dazu beiträgt, den Schmerz bei der streichelnden Berührung zu dämpfen.

Neuronales Korrelat von Selbstberührungen

Menschen haben bekanntlich häufig ihre Hände im Gesicht, d. h., sie streichen sich über das Kinn oder über die Augenbrauen, fassen sich an die Nase und an die Ohren, bedecken damit den Mund oder den Hals. Von den Tieren berühren sich selbst nur Primaten, denn auch sie berühren hin und wieder ihr Gesicht, ohne dass man von außen erkennen könnte, warum sie das tun. Selbstberührungen sind meist dann beobachtbar, wenn Menschen oder Affen unter Stress zu stehen scheinen. Inzwischen hat man die elektrische Aktivität des Gehirns kurz vor sowie kurz nach spontanen Gesichtsberührungen analysiert, und festgestellt, dass sich bestimmte elektrische Potenziale des Gehirns durch die Selbstberührung veränderten, und zwar jene, die mit der Speicherung von Informationen im Arbeitsgedächtnis und dem emotionalen Befinden in Verbindung stehen. Kurz vor einer Selbstberührung sinken diese Parameter, was bedeutet, dass der Arbeitsspeicher ausgelastet ist, d. h., mit einem Gefühl emotionaler Belastung einhergeht, während danach diese Parameter wieder ansteigen. Offensichtlich helfen Gesichtsberührungen bei der Regulierung von Gefühlen, etwa bei kognitiver Überforderung und Stressempfinden. Man vermutet, dass diese kurze Eigenstimulation demnach Störungen der Informationsverarbeitung und gleichzeitig emotionale Schwankungen wieder ausbalanciert.

Quellen & Literatur

Grunwald, M., Weiss, T., Mueller, S. & Rall, L. (2014). EEG changes caused by spontaneous facial self-touch may represent emotion regulating processes and working memory maintenance. Brain Res. Doi: 10.1016/j.brainres.2014.02.002.

Ohae Autor (2012). Kann Berührung Schmerzen dämpfen? Frankfurter Rundschau vom 7. September 2012.



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