Olfaktorische Kommunikation
Gerüche werden ununterbrochen wahrgenommen und bestimmen auch die Stimmungen des Menschen. Personen, die wir nicht riechen können, kann man tatsächlich meist nicht leiden, auch dann nicht, wenn man sich dazu zwingt. Die Bedeutung des Olfaktorischen wird dann deutlich, wenn Menschen, die ihren Geruchssinn verlieren, depressiv werden, denn sie vermissen den eigenen Geruch. Man vermutet, dass Menschen mit dem Geruchssinn ihre Identität verlieren.
Auch beim Menschen helfen auch körpereigene Duftstoffe, den Gefühlszustand innerhalb einer Gruppe zu synchronisieren. In einer Untersuchung (de Groot et al., 2012) zeigte man mehreren Männern Ausschnitte aus Horrorfilmen sowie einer Fernsehserie, in der die Darsteller teils ekelerregende Mutproben auf sich nehmen, und sammelten ihren Achselschweiß mit kleinen Saugpolstern. Diese Polster erhielten Frauen präsentiert, während sie einen Bildschirm nach Objekten absuchten. Dabei rief der Geruch von Schweiß verängstigter Männer bei den Frauen eine verstärkte Aktivierung des über die Stirn verlaufenden Augenbrauenheber-Muskels hervor, im Fall angewiderter Männer wurde dagegen der Oberlippenheber aktiviert, entsprechend dem jeweils typischen Gesichtsausdruck bei Angst und Ekel. Angstschweiß bewirkte außerdem, dass die Nasenatmung der Frauen vorübergehend tiefer wurde und ihr Blick rascher von einem Objekt zum nächsten sprang, während Ekelschweiß die Informationsaufnahme durch Augen und Nase eher reduzierten. Die Frauen waren sich der Effekte nicht bewusst.
Schulze et al. (2017) haben untersucht, wie sich Erwartungen an einen Geruch dessen Wahrnehmung beeinflussen. Wenn Menschen jemanden sehen, der ein angewidertes Gesicht macht, weil er einen schlechten Geruch in der Nase hat, kommt ihnen selbst der Geruch auch gleich unangenehmer vor. Dass Menschen denselben Geruch unterschiedlich bewerten, liegt daran, dass der piriforme Cortex sich schon vor der Wahrnehmung des Geruchs einschaltet. Der piriforme Cortex verarbeitet das, was Menschen sehen, und kreiert eine Erwartung, wie der Geruch riechen wird, was dann beeinflusst, wie sie den Duft dann tatsächlich empfinden. In den Daten der Magnetresonanztomographie zeigte sich nämlich, dass die Zellen des piriformen Kortex schon aktiv wurden, noch bevor ein Geruch in der Luft lag. Probanden fanden denselben Geruch also angenehmer, wenn sie vorher ein erfreutes Gesicht gesehen hatten, als wenn ihnen vorher ein angeekeltes Gesicht gezeigt worden war, was sowohl für Aromen wie Karamell oder Zitrone als auch für den Geruch nach Schweiß oder Knoblauch galt, nur den Fäkaliengeruch konnte auch ein positiver Gesichtsausdruck nicht aufwerten.
In einem weiteren Experiment von de Groot et al (2015) wurde der Glücksschweiß untersucht. Dabei mussten sich neun junge Männer zwei Tage vor der Untersuchung ihre Achselhaare abrasieren und sollten geruchsarm essen, also etwa keine Zwiebeln, keinen übermäßigen Sport treiben und sexuell enthaltsam sein. Es wurden Männer als Schweißgeber ausgewählt, die sie mehr schwitzen als Frauen. Am Untersuchungstag bekamen sie ein Pad unter beide Achseln geklebt und schauten sich je dreißig Minuten lang eine fröhliche, angstauslösende oder neutrale Filmstrecke an. Danach wurden die Pads abgenommen und in Glasfläschchen tiefgefroren. Nun wurden sechsunddreißig junge Frauen die Proben der aufgetauten Pads unter die Nase gehalten, wobei man mit Elektroden auf der Gesichtshaut die Muskelaktivitäten maß. Dabei konnten die Frauen Glück- und Angstschweiß jeweils von neutralem Schweiß unterscheiden, Glücks- und Angstschweiß aber nicht unterscheiden. Nur sieben der Frauen erkannten übrigens, dass es sich bei den Geruchsproben um Schweiß handelte. Auch waren bei den riechenden Frauen abhängig davon, welche Art von Schweiß sie rochen, unterschiedliche Muskelgruppen aktiv, denn beim Schweiß von fröhlichen Männern bewegten sich ihre Mund- und Augenwinkel, was einem Lächeln entsprach, während beim Schweiß von ängstlichen Männern die Falte über ihrer Nase aktiv, was einer Angstreaktion gleichkommt. Beim neutralen Schweiß zeigten sich keine eindeutigen Muskelaktivitäten.
Interkulturell zeigen sich Unterschiede bei der olfaktorischen Kommunikation, denn es gibt in allen Kulturen unterschiedliche Geruchstabus. Im westlichen Kulturbereich zählen dazu u. a. schlechter Atem, Schweißfüße oder Achselschweiß. Wird die Schweißabsonderung auch noch mit den Augen wahrgenommen, deutet sie vermutlich auf Nervosität, innere Unruhe, Angst oder Stress hin. In westlichen Kulturen ist ein schlechter Atemgeruch tabuisiert, zumal er nur in äußerster körperlicher Nähe wahrgenommen werden kann, während Araber gerne eng beieinander stehen, um den Atem ihres Gesprächspartners auch zu riechen.
Nach Ansicht von Experten ist die olfaktorische Kommunikation längst zu einer Selbstverständlichkeit des Alltagslebens geworden ist, denn es werden von der kosmetischen Industrie Produkte wie Deodorants und Parfüms produziert, die bestimmte kommunikative Wirkungen besitzen sollen, sogar geschlechtsspezifische Duftnoten werden entwickelt. Es gibt blinde Menschen, die andere Menschen am Geruch erkennen können.
Beauchamps (1985) glaubt, dass der Körpergeruch ein Indikator für bestimmte Eigenschaften des Immunsystems ist, wonach sich vorwiegend solche Partner als attraktiv und interessant finden, deren Immunsystem zusammen passt. Man bevorzugt jedoch Geschlechtspartner, deren Pheromone genetische Unterschiede signalisieren. Claus Wedekind (Universität Bern) entdeckte, je verschiedener der eigene Körpergeruch von dem eines Mitmenschen anderen Geschlechts ist, desto attraktiver wirkt dieser auf uns. Ehepartner, die über lange Jahre glücklich zusammenlebten, unterscheiden sich weit mehr in ihrem jeweiligen Körpergeruch als die Partner früh gescheiterter Ehen (Gehirn & Geist 5/2004).
Der Körpergeruch spielt auch bei Freundschaften eine Rolle
Geruch und weibliche Attraktivität
Es ist bekannt, dass Menschen ihren eigenen unverwechselbaren Körpergeruch haben, der auch eine eine wichtige Rolle bei der Partnerwahl spielt. Lobmaier et al. (2018) haben die individuellen Unterschiede im Körpergeruch von Frauen überprüft, und zwar ob einige Frauen generell attraktiver riechen als andere oder ob Geruchspräferenzen eine Frage des individuellen Geschmacks sind. Dabei untersuchten die WissenschaftlerInnen, ob der Spiegel der Fortpflanzungshormone die Attraktivität des Körpergeruchs von Frauen erklärt, um zu klären, ob die Attraktivität des Körpergeruchs als chemosensorischer Marker der reproduktiven Fitness fungieren könnte. Bei den Frauen wurde der Duft kontrolliert, um alle Faktoren zu minimieren, die den Duft verfälschen könnte, denn so durften die Frauen nicht mittels Pille"die Empfängnis verhüten, in der Zeit der Dufterhebung nicht mit jemandem das Bett teilen, sie mussten neutrale Duschmittel verwenden, durften an diesen Testtagen keinen Alkohol trinken und keine scharfen Speisen essen. Zur Zeit der höchsten Fruchtbarkeit klebten diese Frauen über Nacht Baumwolle-Pads in ihre Achselhöhlen, wobei zusätzlich über Speichelproben ihre Hormonspiegel bestimmt wurde, um zu klären, ob der Östradiol-, Progesteron-, Testosteron- und Cortisolspiegel im Speichel die Attraktivität des Körpergeruchs erklärt. Die Männer mussten anschließend für jeden Geruch 0 bis 100 Punkte vergeben. Die Ergebnisse zeigten, dass Frauen mit hohen Östrogen- und niedrigen Progesteronwerten olfaktorisch am anziehendsten für Männer waren, was aus evolutionsbiologischer Sicht sinnvoll ist, denn dieser Hormonspiegel mit hohem Östrogen und wenig Progesteron deutet auf eine aktuell hohe weibliche Fruchtbarkeit hin. Männer suchen also gemäß Evolutionstheorie nach Frauen, mit der sie sich möglichst erfolgreich fortpflanzen können. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass die Attraktivität nicht durch den Cortisol- oder Testosteronspiegel erklärt werden kann. Indirekt lässt sich aus den Ergebnissen auch erschließen, dass hormonelle Verhütung den körpereigenen Geruch verfälschen könnte.
Forscher konnten übrigens in Tierversuchen zeigen, dass es im Gehirn Netzwerke von Neuronen gibt, die eintreffende Geruchsinformationen bündeln und erst dann an andere Gehirnregionen weiterleiten, wobei durch diese Bündelung die Informationen für die jeweils zuständigen Hirnareale leichter verständlich werden - es findet also eine Vorverarbeitung bzw. vielleicht sogar Vorinterpretation statt.
Zwar zählen zu den stärksten Auslösern von Ekel Gestank und Geschmack, doch auch beim sozial-moralischen Ekel und den entsprechenden politischen Haltungen können solche olfaktorischen Komponenten wirksam werden. Liuzza et al. (2018) haben in Untersuchungen gezeigt, dass Ekel weit über die rein körperliche Empfindung hinausgehen kann, etwa indem man sich auch vor Menschen, die fremd oder anders aussehen, oder vor bestimmten Verhaltensweisen wie sexuellen Praktiken, die nicht der eigenen Norm entsprechen, ekelt. Es zeigte sich dabei, dass echter Ekel und moralisch-sozialer Ekel das menschliche Gehirn recht ähnlich aktivieren. Der moralisch-soziale Ekel vor Anderen ist also gewissermaßen Ausdruck eine Angst vor unsichtbaren Erregern. Menschen, die häufig so empfinden, und für eine Gesellschaft sind, die den Kontakt zu allem Andersartigen möglichst minimiert, die sich vor vielem fürchten, entwickeln dabei einen Hang zu konservativen, autoritären Ideologien, denn sie wünschen sich eine wohlgeordnete Gesellschaft mit klaren Hierarchien, straffer sozialer Ordnung und strengen Strafen für alles Abweichende. In drei Studien haben Liuzza et al. (2018) analysiert, ob sich Menschen, die sich gern fern von für sie unangenehm riechenden Mitmenschen halten wollen, eher für autoritäre Gesellschaften sind, in denen unterschiedliche Gruppen möglichst separiert leben. Um dabei die Anfälligkeit für Ekel durch Körpergerüche zu erfassen, wurde die Body Odor Disgust Scale, entwickelt, das die emotionale Reaktion auf Körpergerüche misst. Diese Skala gibt nach Ansicht der AutorInnen relativ verlässlich über die persönliche Ekelempfindlichkeit Auskunft, ohne dass die Teilnehmer tatsächlich an etwas riechen müssen. Dabei zeigte sich eine konsistente Korrelation zwischen der Ekelreaktion und autoritären Haltungen.
Hendrik Schifferstein et al. (2011) von der Technischen Universität Delft haben in einer Studie in drei Tanzclubs in drei typischen Studentenstädten an mehreren Abenden Orangen-, Pfefferminz- oder Meerwasserduft versprüht und die BesucherInnen während des Abends beobachtet und anschließend befragt. Es zeigte sich, dass unter der Einwirkung von Düften die Gäste bessere Stimmung hatten und es wurde auch mehr getanzt, wobei auch das Tanzlokal besser beurteilt wurde. Auf den Bildern und Videoaufnahmen zeigte sich auch, dass an den Duftabenden mehr Leute tanzten, wobei es aber gleichgültig war, welcher Duft eingesetzt worden war. Auch die Temperatur stieg etwas im Vergleich, vor allem beim Orangenaroma. Die Zahl der BesucherInnen und deren Konsum haben sich jedoch nicht signifikant verändert im Vergleich zu den Abenden ohne olfaktorische Stimulation. Die Bewertungen des Abends waren aber in den Duftnächten positiver, auch bei der Beurteilung der Musik. Aromen werden übrigens schon seit einiger Zeit in Einkaufszentren eingesetzt, um die KundInnen zum Bleiben und damit Kaufen zu animieren.
Der charakteristische Geruch von Ziegenböcken - der auf Menschen eher abstoßend wirkt - wirkt auf Ziegenweibchen nicht nur anziehend, sondern macht sie auch paarungsbereit, denn hinter dem für Menschen strengen Duft verbergen sich Stoffe, die das Hormonsystem der Weibchen in Gang bringen und direkt auf ihr Gehirn wirken. Die Quelle des aphrodisierenden Geruchs eines Ziegenbocks sind seine Haare, besonders jene auf seinem Kopf, wobei es sich um die Chemikalie 4-Ethyloctanal handelt, die direkt auf das Gehirn der Weibchen wirkt. An der Luft oxidiert 4-Ethyloctanal zu einer Säure, die auch der Mensch intensiv wahrnimmt (Murata et al. 2014).
Mütterliche Körpergerüche
dienen als wichtige sicherheitsfördernde und soziale Erkennungssignale, aber sie haben vermutlich auch eine wichtige Rolle bei der menschlichen Gehirnreifung. Unter Verwendung ökologischer Paradigmen und dualer Elektroenzephalographie-Aufzeichnungen untersuchten Endevelt-Shapira et al. (2021) die Gehirn-zu-Gehirn-Synchronität während Interaktionen zwischen Säuglingen im Alter von rund sieben Monaten und der Mutter sowie zwischen Säuglingen und Fremden mit und ohne Anwesenheit mütterlicher Körpergerüche. Es zeigte sich, dass wenn diese Babys mit einer ihnen unbekannten Person interagierten und ein getragenes T-Shirt ihrer Mutter vor ihnen lag, gegenüber der fremden Person aufmerksamer und aufgeschlossener waren und sich ihre Gehirnwellen in ähnlichem Maße mit denen ihres Gegenübers synchronisierten wie sonst mit den Gehirnwellen ihrer Mütter. Unter der Bedingung mütterlicher Chemosignale zeigten die Babys deutlich mehr soziale Aufmerksamkeit, positive Erregung und Sicherheits- bzw. Annäherungsverhalten, was offenbar die neuronale Synchronität zwischen Säugling und Unbekanntem verstärkte. Obwohl bei allen drei Merkmalen in Anwesenheit des mütterlichen Körpergeruchs ein signifikanter Anstieg zu verzeichnen war, stand nur die visuelle Aufmerksamkeit in direktem Zusammenhang mit dem Anstieg der Gehirnsynchronisation zwischen Säugling und fremder Person, sodass der mütterliche Körpergeruch offenbar eine erhöhte Aufmerksamkeit der Säuglinge für soziale Reize wie Blicke, Gesichtsausdrücke, Lachen und Gesten bewirkt, was wiederum eine Neueinstellung der Hirnwellen auslöst.
Auch wenn man bei der Festlegung, welche Hirnareale an dieser Synchronisation vor allem beteiligt sind, vorsichtig sein muss, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass unter anderem daran Teile des Schläfenlappens beteiligt sind, die eine wichtige Rolle bei sozialen Interaktionen spielen.
Körpergerüche verändern sich im Laufe der Entwicklung und diese Veränderungen beeinflussen die Kommunikation zwischen Eltern und ihren Kindern. Säuglinge erkennen schon kurz nach der Geburt den individuellen Geruch ihrer Mutter, Eltern können den Körpergeruch ihres Babys erkennen und bevorzugen ihn gegenüber dem anderer Babys. Der Babygeruch wird von den Müttern als angenehm empfunden und erleichtert die Zuneigung, während der Körpergeruch von Jugendlichen in der Pubertät als weniger angenehm empfunden wird und Eltern den Geruch ihrer eigenen Kinder nicht mehr identifizieren können. Owsienko et al. haben 2024 die molekulare Basis dieser chemischen Kommunikation untersucht und konnten durch die Kombination von instrumentellen und sensorischen Analysen der Geruchsproben von jeweils 18 Kindern im Alter von bis zu drei Jahren und 18 Jugendlichen in der Pubertät zeigen, dass die qualitative Zusammensetzung der Duftstoffe in Körpergeruchsproben von Säuglingen (0-3 Jahre) und Jugendlichen in der Pubertät (14-18 Jahre) sehr ähnlich ist. Deutliche Unterschiede zeigten sich jedoch in der Wahrnehmung: Während Säuglinge angenehm riechen, riecht der Körpergeruch von Jugendlichen stärker nach Schweiß und Urin und enthält höhere Konzentrationen von Substanzen, die als käsig, muffig und ziegenartig beschrieben werden. Die Forscherinnen gehen davon aus, dass die sexuelle Reifung mit Veränderungen in der chemischen Zusammensetzung des Körpergeruchs einhergeht.
Nase und Emotionen
Literatur
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