Kommunikation: Kleider machen Leute
Kleidungsbezogenen Schemata bilden eine Basis der Eindrucksbildung von Menschen aufgrund deren Kleidung, wobei diese von den Erfahrungen abhängen, die man im Laufe des Lebens gemacht hat, sodass diese sich interindividuell unterscheiden. Ältere Studien zur Wirkung von Kleidung haben gezeigt, dass formelle Kleidung einen positiveren Eindruck bei anderen Menschen hervorruft als informelle Kleidung. Lina-Sophie Stens hat in ihrer Bachelorarbeit insgesamt 329 Personen online befragt, ihnen Fotos von formell und informell gekleideten Menschen präsentiert. Die Befragten mussten auf einer Skala angeben, für wie attraktiv, mächtig, intelligent, beruflich erfolgreich und vertrauenswürdig sie ein und dieselben Personen in jeweils formeller und informeller Kleidung halten. Die gezeigten Personen waren dabei sowohl männlich als auch weiblich, durch einen Pretest kontrolliert mittelattraktiv und derselben Statur sowie Altersklasse zugehörig. Es zeigte sich, dass die abgebildeten Personen in formeller Kleidung in vier der fünf genannten Kategorien deutlich positiver beurteilt wurden: nämlich als attraktiver, mächtiger, intelligenter und beruflich erfolgreicher als mit einem informellen Kleidungsstil. Ein Anzug oder Kostüm strahlen demnach auch heute trotz flacher Hierarchien, hoher Individualität und Fokus auf objektiven Potenzialen Macht und Kompetenz aus. Allerdings vermutet man auch, dass ein formeller Kleidungsstil nicht nur positive Assoziationen hervorruft, sondern auch mit dem Misskredit etwa von Managern und Bankern verbunden werden kann. Es wurde auch ausgewertet, ob der eigene Kleidungsstil einen Einfluss darauf hat, wie die Kleidung anderer bewertet wird, und es zeigte sich, dass die Beurteilung anderer Menschen hinsichtlich Macht und Berufserfolg eher unabhängig vom eigenen Kleidungsstil stattfindet, jedoch wie attraktiv, intelligent und vertrauenswürdig man andere Menschen findet, wird durchaus davon beeinflusst, wie man sich selbst kleidet. So wirkt sich ein ähnlicher Kleidungsstil mit der zu beurteilenden Person positiv aus, ein abweichender Kleidungsstil negativ. Die Anzugträger unter den Versuchspersonen beurteilten die Modelle in formeller Kleidung also signifikant als attraktiver, intelligenter und vertrauenswürdiger als dies die eher leger gekleideten Teilnehmer taten. Ein ebenso signifikanter Unterschied ließ sich auch zwischen leger angezogenen Versuchspersonen und ähnlich informell gekleideten Modellen messen, was für die Praxis bedeutet, dass man bei der Wahl der passenden Kleidung nicht ausschließlich auf das eigene Wirkungsbedürfnis achten sollte, sondern auch auf den Kleidungsstil des Gegenübers achten sollte. Dennoch zeigen Studien auch, dass sich ein subjektives Wohlgefühl durch das Tragen bestimmter Kleidung positiv auf das eigene Verhalten etwa auf das Selbstbewusstsein im Bewerbungsgespräch auswirkt, d. h., es ist wichtig, dass man sich nicht verstellt und wohlfühlt in dem, was man trägt.
Bekleidung und Nacktheit
Theoretiker der vergangenen Jahrhunderte postulierten, dass der Impetus des Menschen, sich zu bekleiden und seinen Schambereich zu verdecken, aus einem universellen Gefühl der Scham resultiert. Es wurde angenommen, dass diese Körperscham“ sich im Laufe des Zivilisationsprozesses intensivierte und zu einem Vorrücken der Schamgrenze sowie zu einer Domestikation des Triebhaushaltes führte. Von diesem Punkt ausgehend wurde der Begriff Nacktheit in die Spannungsfelder Natur versus Kultur und Zivilisation versus Primitivismus eingebettet, was zu einer verzerrten Wahrnehmung der Nacktheit antiker, historischer und moderner Kulturgruppen führte. Dabei wurden die Überwindung der Nacktheit durch Kleidung als Maßstab für Zivilisiertheit angesehen und Angehörige von Kulturen, in denen Bekleidung keine gesellschaftliche Norm darstellt, als nackte Wilde und primitive Nacktgeher gebrandmarkt. Eine solche Auffassung ist das Resultat des schambehafteten Umgangs mit körperlicher Blöße, wie er vor allem im Europa des 19. Jahrhunderts in einer extremen Form zum Tragen kam. Diese Schambehaftetheit ist tief in der christlich-abendländischen Tradition verwurzelt (Mythos des Sündenfalls) und mit Begriffen wie Verführung, Lust und Sünde verbunden. Durch die verstärkte Intimisierung der Nacktheit und ihre gesellschaftliche Verbannung in die private Sphäre gewann der sexuell-erotische Aspekt immer mehr an Bedeutung. Dies führte zu einer Konnotation von Nacktsein mit Sexualität, die bis heute das Denken und die Wahrnehmung unbekleideter Körper dominiert (Serova, 2018). Eine Studie von finnischen Wissenschaftlern hat übrigens gezeigt, dass das menschliche Gehirn Bilder von nackten und angezogenen Menschen unterschiedlich schnell verarbeitet, und zwar kann das Gehirn schon innerhalb von 0,2 Sekunden Bilder von Nackten effizient bearbeiten. Nach einer anderen Studie, bei der sich Männer Fotos von Frauen einprägen mussten, wobei bei einem Teil der Bilder die Frauen halb nackt und ohne Gesicht zu sehen waren, während auf den anderen Bildern die Frauen bekleidet und mit Gesicht abgelichtet waren, konnten die Männer die unbekleideten, gesichtslosen Abbildungen besser wiedererkennen als die bekleideten Frauen mit Gesicht.
Luxusartikel und ihre Botschaft
Wenn Menschen ihr Geld für häufig überteuerte Designer-Schuhe und Designer-Handtaschen, Schmuck oder Luxusautos ausgeben, dann vermutlich mit dem befriedigenden Gefühl, sich Verschwendung leisten zu können, was Sicherheit vermittelt und das Selbstwertgefühl stärkt. Nach Ansicht von Psychologen demonstrieren Männer mit Luxus Wohlstand, der möglichen Fortpflanzungspartnerinnen zeigen soll, dass einer Familiengründung keine materiellen Gründe entgegenstehen. Frauen hingegen investieren hingegen Geld in teure Schuhe und Handtaschen, um anderen Frauen ein Signal zu senden, und um die Beziehung mit dem Partner zu schützen und anderen Frauen zu signalisieren: "Halt dich von meinem Mann fern".
Dresscode im Büro
Frauen sollten sich unbedingt an den Business-Kodex halten, denn wenn sich eine Frau zu sexy kleidet, entsteht schnell der Eindruck, dass sie vor allem mit körperlichen Vorzügen die Karriereleiter erklimmen will. Zwar darf eine Frau heute auch mal knallige Farben tragen, aber der Trend geht in die adrette Richtung. Eine Frau sollte sich öfters auch einmal einfarbig anziehen und dabei unbedingt ein dezentes Make-up auflegen, denn sonst hat man leicht einen zu legeren Touch. Männer müssen in vielen Branchen nicht immer einen Business-Anzug tragen, wichtig ist nur, dass die Kleidung gepflegt aussieht. Ein Polo-Shirt wirkt durch den Kragen ganz anders als ein einfaches T-Shirt, wobei gerade in Kreativ-Branchen auch ein Hauch Extravaganz erlaubt ist. Aber wer einfach ein zerknittertes T-Shirt anzieht, signalisiert den Kollegen und dem Chef, dass es ihm gleichgültig ist, wie er auf die anderen wirkt, was wenig wertschätzend ist.
Krems, Rankin & Northover (2019) haben sich mit weiblichen Abwehrstrategien gegen das aggressive Verhalten anderer Frauen beschäftigt, wobei auch die Kleidung eine Rolle spielt. Dabei zeigte sich, dass sich Frauen insbesondere dann bewusst weniger aufreizend kleiden, wenn sie es mit anderen Frauen zu tun haben, vor allem, wenn sie neu in einer sozialen Situation sind und ihren Platz in der Gruppe sowie der Hierarchie noch nicht gefunden haben. Insbesondere untersuchten Krems, Rankin & Northover (2019), wie sich Frauen für verschiedene Szenarien kleiden und wie sie den Stil anderer bewerten. Die textilen Signale zielen nicht nur auf Männer sondern signalisieren anderen Frauen etwa ihren Status, was für die Hierarchie in einer Gruppe eine wesentliche Rolle spielt. Konfrontierte man Probandinnen damit, einen Kleidungsstil für einen Termin mit einer Gruppe zu wählen, war dieser gewagter, wenn diese aus Frauen und Männern zusammengesetzt war, d. h., sie zeigen viel mehr Haut, als wenn sie es nur mit Frauen zu tun hätten. Studien haben gezeigt, dass sich weibliche Intoleranz besonders gegen attraktive Frauen richtet, wobei diese mehr indirekte Aggression zu spüren bekommen als weniger attraktive. Gerade die besonders attraktiven Teilnehmerinnen wählten eher biedere Outfits, wenn sie ausschließlich auf Frauen trafen, bedienten sich also einer Deeskalationsstrategie.
Nonkonformismus im Dresscode
Ein aktuelle Harvard-Studie zeigt, dass Menschen mit legerer Kleidung für deutlich finanzschwächer gehalten werden, dass aber Verkäufer hingegen einem Kunden in Jogginghose eher einen Kauf zutrauen als jemandem im Pelzmantel. Interessanterweise schreiben Studenten einem Professor, der mit Bart und in T-Shirt auftritt, mehr Kompetenz zu als einem sauber rasierten Krawattenträger. Nach der Studie muss allerdings das abweichende Verhalten beabsichtigt erscheinen, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Trägt nämlich jemand bei einem formellen Event eine rote Masche statt wie alle anderen schwarze Krawatten, waren die Reaktionen darauf nicht so positiv oder nur dann, wenn die Abweichung beabsichtigt schien. Zudem scheinen Menschen, die selbst einen Drang zur Nonkonformität verspüren, entsprechendem Verhalten aufgeschlossener gegenüber zu stehen und dieses besser zu bewerten. Konformität bringt zwar Einfachheit und Sicherheit mit sich, weicht man aber ab, bringt das in manchen Fällen durchaus Chancen mit sich. Allerdings gehen nach der Studie damit auch die Vorteile verloren, die Konformität so mit sich bringt, wie automatisches Gruppenvertrauen oder eine gemeinsame Gruppenidentität.
Weiße Kittel machen aufmerksamer
Weiße Kittel sind mehr als bloße Kleidungstücke, sie haben eine symbolische Bedeutung, denn bei einem weißen Kittel denken die meisten Menschen an Ärzte oder an Forscher, und damit an Eigenschaften wie Aufmerksamkeit, Sorgfalt und Genauigkeit. Kleidung beeinflusst aber nicht nur, wie Menschen über andere denken, sondern sogar, wie sie selber denken, denn wenn man etwa einen weißen Kittel selbst trägt, identifiziert man sich unbewusst mit der Geisteshaltung eines Arztes oder Forschers. Wenn Versuchspersonen selber in einem weißen Kittel stecken, machten sie in einem Experiment bei einem Aufmerksamkeitstest im Durchschnitt nur halb so viele Fehler, d.h., die Leistung in diesem Aufmerksamkeitstest wird von der getragenen Bekleidung beeinflusst. Die Forscher erklären dieses Phänomen verallgemeinernd als "enclothed cognition" ("angezogener Wahrnehmung") und meinen damit das Zusammenwirken von der symbolischen Bedeutung eines Kleidungsstückes und der körperlichen Erfahrung, es zu tragen. Das ist übrigens auch für Prüflinge relevant, die also nicht nur wegen des Eindrucks auf den Prüfer ausgesuchte Bekleidung tragen sollten ;-)
Kleidung lässt Menschen als fähig oder unfähig erscheinen
Menschen beurteilen andere Menschen innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde auch auf Grund ihrer Kleidung, denn wie Oh et al. (2019) in Experimenten gezeigt haben, wird jenen Menschen, die aufgrund ihrer Bekleidung reicher wirken, tendenziell mehr zugetraut. Dabei hatte man untersucht, wie Probanden ein und dieselbe Person abhängig von ihrer Oberbekleidung einschätzen. In mehr als achtzig Prozent der Fälle wurde ein und dasselbe Gesicht als fähiger eingestuft, wenn es auf einen Oberkörper mit reicher wirkender Kleidung montiert war, und zwar sogar dann, wenn ein Bild für nur 129 Millisekunden gezeigt wurde. Auch wenn die ProbandInnen explizit gebeten wurden, nicht auf die Kleidung zu achten, hielten sie mehrheitlich Gesichter mit reicher wirkender Kleidung für fähiger. Diese Effekte stimmen mit jenen Arbeiten überein, die gezeigt hatten, dass Menschen mit niedrigerem ökonomischen Status als weniger fähig empfunden werden (Halo-Effekt), was häufig auch zu sozialer Ausgrenzung mit Nachteilen für die körperliche und psychische Gesundheit führen kann.
Verkleidung im Fasching
Die Lust am Verkleiden bzw. das Kostümieren zu bestimmten Anlässen ist keine Erfindung der Neuzeit, sondern hat eine lange Tradition, wobei Verkleidungen in ganz unterschiedlichen Kulturen seit vielen Jahrtausenden zu gewissen Zeiten Brauch sind und unterschiedlichen Zielen dienen. In keltischen Riten etwa wurden Verkleidungen genutzt, um den Winter zu vertreiben, während in den römischen Saturnalien durch das Verkleiden die etablierte Ordnung vorübergehend außer Kraft gesetzt wurde, d. h., die Herren bedienten dabei ihre Sklaven. Man verkleidete sich, weil es üblich war und ein gewisser Gruppendruck herrschte, dieser Tradition zu folgen.Übrigens: Auch Kinder möchten sich im Fasching oft gerne verkleiden, doch sollte man nach Ansicht der Psychologie bei kleineren Kindern in dieser Hinsicht vorsichtig sein. Vor allem kleinere Kinder bis drei Jahre kommen bei vertraute Menschen damit oft nicht zurecht, wenn diese auf einmal anders aussehen. Kinder im Krippenalter verspüren in dieser Situation oft eine tiefe Verunsicherung, etwa vergleichbar mit der, die man spürt, wenn man einer Gruppe von Fremden gegenübersteht. Daher sollte man in Kinderkrippen auf solche Veranstaltungen verzichten, denn damit bringt man Kinder in einer Situation, die sie sich nicht ausgesucht haben.
Das Tragen von Masken
Ein Großteil der Kommunikation läuft unbewusst und nonverbal, ab, denn mit Gestik, Mimik, Körperbewegung und -haltung sowie Stimmeinsatz übermittel man weitaus mehr Informationen an andere Menschen als mit Sprache allein, wobei nach Schätzungen Menschen zwischen 50 bis 90 Prozent nonverbal kommunizieren. Das Gesicht ist für die Kommunikation zwischen Menschen daher entscheidend, denn nur dadurch, dass sich die Mimik immer wieder verändert und der andere das auch erkennen kann, ist ein echter Dialog möglich. Masken hingegen führen zu einem Bruch bzw. einer Unterbrechung in der Kommunikation zwischen Menschen, vor allem dadurch, dass sie Verunsicherung auslösen. Masken sind so alt wie die Menschheit, denn man fand Höhlenzeichnungen, auf denen sich Jäger als Tiere verkleideten, um sich ihrer Beute leichter nähern zu können. Das Tragen einer Maske hat aber auch einen Einfluss auf den Maskierten selbst, man denke nur an den Fasching bzw. Karneval, wo er eine Art Freibrief darstellt, sich in ihrem Schutz auszutoben. Menschen verhalten sich demnach anders im Schutz einer Maske, weil sie nicht mehr erkennbar sind, d. h., sie können sich teilweise anders verhalten, als wenn sie sich an die gesellschaftlichen Codes anpassen müssen. Eine Maske ist daher auch ein Signal an die anderen, denn man kann hinter Masken die Identität verbergen, wobei das soweit gehen kann, dass man die Person hinter einer Maske nicht mehr erkennen kann, sodass sogar Zweifel an der Identität des Trägers entstehen können.
Literatur
Adam, Hajo & Galinsky, Adam D. (2012). Enclothed Cognition. Journal of Experimental Social Psychology.
Krems, J. A., Rankin, A. M., & Northover, S. B. (2019). Women’s Strategic Defenses Against Same-Sex Aggression: Evidence From Sartorial Behavior. Social Psychological and Personality Science, doi:10.1177/1948550619882028.
Oh, Dongwon, Shafir, Eldar & Todorov, Alexander (2019). Economic Status Cues from Clothes Affect Perceived Competence from Faces. Nature Human Behaviour, doi: 10.1038/s41562-019-0782-4.
Welt online vom 3. Oktober 2011
https://www.adhibeo.de/kleider-machen-leute/ (19-08-29)
http://www.manager-magazin.de/lifestyle/stil/business-outfit-psychologie-wann-sich-nachlaessige-kleidung-lohnt-a-959581.html (19-08-29)
https://www.wissen.de/karneval-warum-verkleiden-sich-menschen (20-02-15)
Überblick: Was ist nonverbale Kommunikation?
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