Umgang mit Killerphrasen
Wo die Worte gar so leicht und behende dahinfahren,
da sei auf deiner Hut; denn die Pferde,
die den Wagen mit Gütern hinter sich haben,
gehen langsameren Schrittes.
Matthias Claudius
Was sind Killerphrasen?
Killerphrasen sind pauschale und abwertende Angriffe in einer Diskussion, d. h., sie sind nicht an der Sache orientiert, sondern werden im Gegenteil vorzugsweise dann hervorgezogen, wenn Sachargumente fehlen: Hervorkehren sozialer Dominanz bei sachlicher Unterlegenheit.
Killerphrasen sind also Scheinargumente, die dazu dienen, Vorstellungen und Ideen des anderen als ungeeignet darzustellen, ohne es direkt auszusprechen. Sie sind eine Form konfrontativen Argumentierens, das die Person des anderen herabsetzt, ihn verunsichern, bloßstellen und mundtot machen soll.
Auf Killerphrasen muss reagiert werden, denn
- sie kommen sonst stärker und immer wieder.
- Soziales Dominanzgehabe muss auf die sachliche Schiene zurückgeführt werden. Eventuell gezielt zunächst soziale Probleme anschneiden.
- Nicht in die Defensive drängen lassen.
Der Begriff "killer phrases" wurde vermutlich um 1958 von Charles H. Clark erstmal verwendet, indem er bei Brainstormings oder Konferenzen eine in der Mitte des Raums angebrachte Glocke läuten ließ, falls jemand mittels solcher Totschlagargumente den Ideenfluß bremsen wollte (Clark,1958, S. .90ff).
Literatur
Clark, Charles H. (1958). Brainstorming. The Dynamic New Way to Create Successful Ideas. Northern Hollywood: Wilshire Book Company.
Siehe auch Die elf Todsünden der Kommunikation - und wie man es besser macht …
- Könntest du das nicht genauer formulieren?
Nein, aber ich kann es gern noch-einmal wiederholen! - Bitte präzisiere, was du nicht verstanden hast; ich gehe gerne noch einmal gezielter darauf ein! - Haben wir das nicht schon vor ..entschieden?
Was haben wir den deiner Meinung nach damals entschieden? - Das gehört doch nicht mehr zum Thema!
- Das bringt doch nichts!
- Was hat denn das mit dem Problem zu tun?
- Das ist doch ein Overkill!
- Ist diese Frage nicht banal?
- Geht das nicht zu sehr ins Detail?
- Das sollten wir auf später verschieben!
- Darauf kommen wir noch zurück.
- Das haben wir alles schon mal versucht.
- Es funktioniert doch gut wie es ist.
- Gute Idee, aber nicht für unbedingt für uns.
- Stellen Sie sich den Papierkram vor.
Abwehrmöglichkeiten:
- [Antworten] Auf Sachebene zurückführen.
Vorteil: Killerphrase wird umgeleitet und in die Dienste des Verteidigers gestellt. Beachten: nicht aus dem Konzept bringen lassen, sondern eventuell nur scheinbar antworten. - [Rückfrage] Bitte um sachliche Präzisierung.
Oft ist eine solche nicht möglich oder sachlich leicht widerlegbar. - Gefahr: Gegenüber bekommt zu viel Redezeit oder gar die Gelegenheit, seinen Angriff auszubauen. - [Metakommunikation] Killerphrase als solche thematisieren.
Störung anmelden, die Gruppe über die Unangemessenheit des Angriffs urteilen lassen. - [Fehdehandschuh aufnehmen] Nicht konstruktiv, nicht zielorientiert.
Nur sehr selten wirklich nötig und erfolgreich.
[Bildquelle: http://www.transaktionsanalyse.at/pdf/HGHorglernen.pdf]
Antwort und Rückfrage haben den Vorteil, dass das Gegenüber nicht verletzt wird, wenn sie/er die Frage nicht als Killerphrase gemeint hatte, sondern sich einfach einer üblichen Phrase bedienen wollte. Sozial nicht immer gleich das Schlimmste annehmen!
Siehe dazu auch:
Killerphrasen
Eine kleine Sammlung
Ins Wort fallen
Man kennt in der Psychologie viele Gründe, anderen ins Wort zu fallen und nicht ausreden zu lassen, wobei meist mehrere Motive zusammenkommen. Die wichtigsten sind dabeiSelbstdarstellung und Hierarchie, d. h., ein Gesprächspartner möchte sich vor einer Gruppe bzw. dem anderen gegenüber in seiner Rolle behaupten, intelligent oder wichtig wirken, denn wer mehr Gesprächszeit für sich beansprucht, wirkt dominanter und präsenter. Dadurch wird der unterbrochene Gesprächspartner irritiert und fühlt sich zunehmend in die Ecke gedrängt, wobei die dadurch entstehende Unsicherheit dem dominanten Gesprächspartner in die Hände spielt.
Unterschiedliche Kommunikationsstile, wobei die Kommunikationsmuster eines Menschen bereits früh in der Erziehung festgelegt und von Lehrern oder Eltern verstärkt werden. Was die einen als unhöflich erachten, mag für andere ein sinnvoller Beitrag des Mitdenkens sein, denn das Gegenüber möchte einfach nur zeigen, dass er aktiv am Gespräch teilnimmt.
Desinteresse und mangelnde Aufmerksamkeit, also schlichtweg Langeweile dem Thema, der Meinung oder Person gegenüber, was besonders in langjährigen Partnerschaften oder Geschäftsbeziehungen schnell zur Gewohnheit wird, wobei Vertrautheit und eingespielte Abläufe Ungeduld schaffen und das Gefühl geben, schon im Vorhinein zu wissen, was gleich noch gesagt wird.
Unzureichende Empathie, d. h., Sprechende sind nicht offen für die Themen oder Meinungen anderer, denn sie möchten ihre Ansichten kundtun und können oder wollen mit anderen Standpunkten nicht umgehen. Es geht also in diesem Fall nicht darum, ein sinnvolles Gespräch zu führen oder dem anderen zuzuhören, sondern vielleicht Dampf abzulassen oder ein Statement zu setzen, damit der andere vorbeugend gar nicht erst zu Wort kommt.
Ergänzen und richtig stellen, wobei konstruktive Gespräche ausgewogen sind und Raum für gedankliche Pausen zu lassen. Ist aber eine Partei im Redefluss, ist die andere eher zu Unterbrechungen geneigt, insbesondere, wenn das Gefühl aufkommt, etwas Wichtiges zu ergänzen oder richtigzustellen. Möglicherweise hat man auch das Gefühl, dass eigene Themen nicht ausreichend behandelt oder anerkannt werden.
Spielerischer Umgang mit Killerphrasen
Wenn man in Sitzungen oder innerhalb eines Teams Killerphrasen unterbinden möchte, kann man in Analogie zu Clark (1958) als Spielregel eine Kassa der negativen Einstellungen einführen: Für jede negative Bemerkung muss ein Euro in die Kaffee- oder Weihnachtskasse eingezahlt werden.
Eristische Dialektik
Bei einem bloß scheinbaren oder sophistischen Argument des Gegners, welches wir durchschauen, können wir es zwar auflösen durch Auseinandersetzung seiner Verfänglichkeit und Scheinbarkeit; allein besser ist es, ihm mit einem eben so scheinbaren und sophistischen Gegenargument zu begegnen und so abzufertigen. Denn es kommt ja nicht auf die Wahrheit, sondern den Sieg an. Gibt er z.B. ein "argumentum ad hominem", so ist es hinreichend es durch ein Gegenargument "ad hominem (ex concessis)" zu entkräftigen: und überhaupt ist es kürzer, statt einer langen Auseinandersetzung der wahren Beschaffenheit der Sache, ein "argumentum ad hominem" zu geben, wenn es sich darbietet.
Quelle:
Arthur Schopenhauer (1983). Eristische Dialektik oder Die Kunst, Recht zu behalten. Zürich: Haffmanns Verlag.
Das Original im Volltext auf http://www.rhetorik-netz.de/rhetorik/schopenh.htm (05-12-12)
Michael Lippert hat auf seiner Website die "Tricks" der eristischen Dialektik in knappen Formulierungen zusammengefasst:
http://www.biolippi.de/errdia.htm (05-12-12
Eine detaillierte Darstellung und Erörterung der Kunstgriffe von Holger Münzer findet sich auf http://www.rhetorik-netz.de/
rhetorik/kunstgriff/index.html (05-12-12)
- Gegnerische Behauptung ausweiten, eigene präzisieren. (Je weitläufiger desto anfälliger)
- Homonyme zum Unterschieben falscher, bzw.. eigener Tatsachen verwenden
- Behauptung bewusst falsch auffassen und in diesem Sinn widerlegen
- Eigenen Schluss in kleinen Stücken zugeben lassen, Weg dahin verdeckt halten
- Aus der Perspektive des Gegners mit dessen, von ihm als wahr angesehenen, aber falschen, Sätzen argumentieren und das gegen ihn verwenden.
- Das zu Beweisende unter einem Synonym postulieren.
- Gegner befragen und die wichtigen unter unwichtigen Fragen verstecken (verunsichert ihn).
- Wütend machen, dann kann er nicht mehr rational disputieren.
- Fragen ungeordnet stellen, dass er die Absicht nicht erkennt.
- Wenn er die Fragen absichtlich verneint, einfach das Gegenteil fragen.
- Bei einer Induktion mit als wahr zugestandenen Einzelbeispielen die damit zusammenhängende größere Wahrheit einfach einführen und sie an sich nicht noch zur Diskussion stellen.
- Bezeichnung eines Dinges zum eigenen Vorteil wählen (Sterbehilfe: einschlafen / abtöten).
- Eigene Behauptung gegen extremes Gegenteil stellen und die Wahl lassen.
- Sinnlose Fragen stellen und dann daraus die Behauptung als bewiesen ansehen (nur bei dummen Gegnern).
- Bei Verlegenheit einfach einen leicht ähnlichen, wahren Satz zur Entscheidung stellen. Wird er aus Argwohn abgelehnt, kann man den Gegner ad absurdum führen, ansonsten hat man wenigstens was Richtiges gesagt. Evtl. mit vorherigem kombinieren.
- Eine Behauptung des Gegners auf Widersprüche zu seinen vorherigen untersuchen, schikanieren.
- Bei drohendem Gegenbeweis eigene Theorie präzisieren, wie vorher nicht geplant.
- Sieht es schlecht aus: ablenken, abspringen, etc.
- Bei Aufforderung zum Gegenbeweis eines einzelnen Punktes diesen ins Allgemeine führen, und gegen dieses reden.
- Schlüsse nie erfragen sondern selbst ziehen, auch wenn noch der eine oder andere Einzelbeweis aussteht.
- Bei scheinbaren Argumenten diese so einfach wie möglich entkräften, ad hominem auch mit ad hominem entgegnen.
- Sollen wir etwas zugeben, was die Niederlage bedeuten würde, bezeichnen wir diese Aufforderung als rhetorischen Trick und entziehen uns somit der Antwort.
- Durch Widerspruch eine Behauptung über die Wahrheit hinaus steigern lassen und dann zuschlagen.
- Sätze des Gegners so verdrehen, dass gefährliche und falsche Dinge logisch folgen, die aber gar nicht seine Meinung sind.
- Einzelgegenbeispiele bringen den ganzen Satz des Gegners zu Fall, mglw. auch täuschen.
- Argumente die der Gegner für sich benutzen will gegen ihn verwenden.
- Wird er bei einem Faktum plötzlich wütend, reitet man gerade darauf herum, da es eine Schwachstelle sein kann.
- Wahr klingenden Quatsch erzählen wenn die Zuhörer keine Ahnung haben.
- Diversion machen, wenn man geschlagen zu werden droht, leitet man scheinbar zu Thema gehörig auf etwas anderes um, oder greift sogar den Gegner persönlich an.
- Autoritäten benutzen, dabei aber den Wissensstand des Gegners beachten.
- Wenn man nichts gegen die dargelegten Gründe hat, erkläre man ironisch, dass man dagegen nichts habe und es das eigene Denkvermögen übersteigt, der Zuhörer wird es dann als Unsinn ansehen (Dabei muss man aber bei den Zuhörern angesehen sein).
- Man bringt die Behauptung des Gegners in eine verhasste Kategorie („das ist Mystizismus, Spiritualistisch …“).
- "Das mag in der Theorie richtig sein, in der Praxis ist es falsch" - Was in der Theorie richtig ist, ist es auch in der Praxis, andernfalls ist die Theorie falsch.
- Falls der Gegner abschweifen will, hat man mglw. einen Schwachpunkt getroffen, und muss darauf herumhacken.
- "Statt durch Gründe wirke man durch Motive", Vorteile der eigenen Theorie für den Gegner heucheln, dann wird er "überlaufen"“. Wenn das funktioniert ist alles andere überflüssig.
- Den Gegner totschwafeln, („Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich doch auch etwas dabei denken lassen.“).
- Wählt der Gegner einen schlechten Beweis, redet man gegen den Beweis und nimmt das als Widerlegung der Theorie. . Letzter Kunstgriff: Falls der Gegner überlegen ist, werde man persönlich beleidigend und greife ihn persönlich an.
Die Wirksamkeit mit Killerphrasen liegt nicht so sehr in der offensichtlichen Kommunikationsebene, sondern eher in tieferen Ebenen wie dem unbewusste-intuitiven Bereich. Das lässt sich recht gut mit dem psychoanalytischen Kommunikationsmodell von C.G. Jung veranschaulichen:
[Grafik nach http://www.systemische-professionalitaet.de/download/schriften/61-beratung-als-kulturorientierte-kommunikation.pdf]
Literaturhttp://www-pu.informatik.uni-tuebingen.de/users/busse/iugWS98/reader_51.html
https://praxistipps.focus.de/nicht-ausreden-lassen-die-psychologie-dahinter_139466 (21-12-02)
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