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Schulgewalt und Selbstwertempfinden: Zum moderierenden Einfluss von Bewältigungsressourcen bei Tätern und Opfern

Quellen:

Greve, Werner & Wilmers, Nicola (2003). Schulgewalt und Selbstwertempfinden: Zum moderierenden Einfluss von Bewältigungsressourcen bei Tätern und Opfern. Psychologie in Erziehung und Unterricht, S. 353 – 368.

Selbstwertempfinden im Jugendalter

Es wird angenommen, dass die Bildung, Differenzierung und Festigung der individuellen Identität, die zentrale Entwicklungsaufgabe des Jugendalters sei. (Fend, 2001; Flammer & Alsaker, 2002; vgl. auch Greve 2002). Im Jugendalter versucht man seinen eigenen Lebensweg zu finden, wodurch das aktuelle Selbstwertempfinden Schwankungen ausgesetzt wird (Rosenberg 1986 zit. n. Greve & Wilmers 2003, S. 354 f). Zum Beispiel steigt das Selbstwertempfinden durch Anerkennung, hingegen wird durch den Ausschluss oder eine negative Bewertung das Selbstwertempfinden bedroht (Kaplan zit. n. Greve & Wilmers 2003, S. 355). Der Selbstwert ist ein Resultat von der Person und deren sozialer Situation (vgl. Greve, Wilmers 2003, S.356).

Jugenddelinquenz und Selbstwert (Täter)

Delinquentes Verhalten kann das Selbstwertgefühl erhöhen, verfügt man jedoch schon über ein hohes Selbstwertempfinden hat dies einen negativen Effekt auf die Delinquenz. (Kaplan 1980 zit. n. Greve & Wilmers 2003, S. 356). Delinquenz ist für Jugendliche mit wenig Quellen für ein positives Selbstwertgefühl, selbstwertsteigernd.

Delinquentes Verhalten kann auch eine Bewältigungsstrategie sein, um das angegriffene Selbstwertgefühl zu schützen (Baumeister 1993; Baumeister, Smart & Baden zit. n. Greve & Wilmers 2003, S. 356).

Kernis behauptet, dass die Stabilität bzw. Variabilität des Selbstwertes delinquentes gewalttätiges Verhalten vorhersagt (Kernis 1993 zit. n. Greve & Wilmers 2003, S. 356).

Opfer

Viktimisierte Jugendliche haben ein relativ niedriges Selbstwertgefühl (Olweus zit. n. Greve & Wilmers 2003, S. 357) und dadurch auch höhere Depressionswerte (Neary & Joseph zit. n. Greve & Wilmers 2003, S. 357). Man könnte auch sagen, dass dieses geringere Selbstwertgefühl fördernd für Viktimisierung in der Schule sein kann (Egan & Perry zit. n. Greve & Wilmers 2003, S. 357). Es wird auch behauptet, dass Selbstwertempfinden und Viktimisierung eine gemeinsame Ursache haben. Sind soziale und individuelle Bewältigungsresourcen vorhanden, muss eine wiederholte Opfererfahrung nicht unbedingt in einer Verringerung des Selbstwertempfindens enden (vgl. Greve & Wilmers 2003, S. 357).

 

Selbstwert und Gewalt: Prozesse der Bewältigung von Bedrohungen

Ein geringes bzw. ein hohes Selbstwertempfinden stellt nur dann einen Risikofaktor für Gewalthandeln dar, wenn es keine puffernde Belastungsbewältigungsressourcen gibt (vgl. Greve & Wilmers 2003, S. 358). Nach Brandtstädter und Greve gibt es die problemorientierte, aktive Bewältigungsform und den adaptiven, akzeptierenden Anpassungsprozess. Dem übergeordnet sind defensive Reaktionsformen in denen das Problem nicht gelöst, sondern bestritten oder ignoriert wird (Brandstädter & Greve zit. n. Greve & Wilmers 2003, S. 358).

Methode

Es wurde im Winter 2001/2002 an den allgemein bildenden höheren Schulen (5. – 11. Schulstufe) in zwei niedersächsischen Städten eine schriftliche Befragung, welche sich auf das deviante Handeln und kriminelle Opfererfahrungen konzentrierte, durchgeführt. An dieser Erhebung nahmen 1092 Schüler/innen teil, 990 Fragebögen konnten verwertet werden. Im Rahmen dieser Befragung wurden folgende Themen behandelt: „Gewalthandeln und Gewalterfahrung“, „Selbstwertempfinden“ und „Bewältigungsressourcen“ (vgl. Greve & Wilmers 2003, S. 359).

Ergebnisse

Die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen wird keiner physischen Gewalt durch Mitschüler ausgesetzt. Dennoch werden mehr als ein Viertel der Jugendlichen von anderen Schülern geschlagen oder getreten. Bei knapp 6% kam dies mehrfach vor. Insgesamt wurden 15,7 % schon einmal Opfer von Schulgewalt. 71,9% der befragten Jugendlichen waren schon mindestens einmal als Täter beteiligt.

Beim Bullying trat die Mehrheit der Jugendlichen, bei der Befragung, weder als Täter noch als Opfer auf. Es ging auch hervor, dass Gewalt im Schul- und Jugendalter häufig in Gruppen begangen wird, und Mädchen seltener Erfahrung mit Bullying machten als Jungen.

Aus dieser Befragung ging auch hervor, dass das Selbstwertgefühl mit steigendem Bildungsniveau zunahm. Bei den Tätern von massiver Schulgewalt war das Selbstwertgefühl am höchsten, hingegen bei den Opfern von Bullying am niedrigsten.
Personen mit hohem Selbstwertempfinden, die über akkommoadative Ressourcen verfügen, sind weniger anfällig für Gewalthandlungen als Personen, die über hohes Selbstwertempfinden ohne diese Ressourcen verfügen. Durch diese Ressourcen wissen sie mit der Situation umzugehen und die Situation zu verarbeiten (vgl. Greve & Wilmers 2003, S. 360 ff).



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