[werner.stangl]s arbeitsblätter 

Kurioses aus der Gehirn- und Gedächtnisforschung

Computerspiele schädigen jugendliche Gehirne

Hightech-Abbildungen zeigen, dass Computerspiele für die Entwicklung des Gehirns schädlich sein können. Der japanische Wissenschaftler Ryuta Kawashima von der Tohoku University hat nachgewiesen, dass die Tendenz zum Kontrollverlust bei Heranwachsenden nicht auf die aggressiven Inhalte von Computerspielen zurückzuführen ist, sondern auf Schädigungen der noch nicht vollentwickelten Gehirne. Messungen der Gehirnaktivität ergaben, dass Computerspiele nur jene Gehirnbereiche stimulieren, die mit Sehen und Bewegung in Zusammenhang stehen, berichtet der Observer in seiner aktuellen Ausgabe. Für seine kontroversielle Studie verglich Kawashima die Gehirnaktivität von Hunderten Teenagern, die Nintendo spielten mit den Gehirnscans von Teilnehmern, die einfache, sich wiederholende mathematische Aufgaben lösten. Zur Überraschung des Spezialisten für Gehirn-Abbildungen zeigte sich, dass die arithmetischen Aufgaben die Aktivität in den rechten und linken Hemisphäre des Frontallappens stimulierte. Gehirnbereiche, die mit Lernen, Gedächtnis und Gefühl in Verbindung gebracht werden. Entscheidend sei jedoch laut Kawashima, dass der Frontallappen, der sich beim Menschen ungefähr bis zum 20. Lebensjahr weiterentwickelt, auch bei Selbstkontrolle eine wichtige Rolle spiele. Wann immer dieser Kontrollmechanismus verhindert, dass es beispielsweise zu einer Handgreiflichkeit kommt, ist der Frontallappen sehr aktiv. Je mehr bei Kindern die Entwicklung dieser Gehirnregion gefördert wird, desto besser wird auch seine Fähigkeit zur Selbstkontrolle sein. Computerspiele fördern diese Art von Gehirnentwicklung nicht. Laut Kawashima könnten sie daher zum Entstehen einer eher gewaltbereiten Generation beitragen, die eher Schwierigkeiten hat, unsoziale Elemente ihres Verhaltens zu kontrollieren.

Quelle: Bild der Wissenschaft http://www.wissenschaft.de/ (01-08-22)

Fernsehkonsum und Sprachkompetenz

In einer Längsschnittstudie wurde versucht, unter Berücksichtigung von Intelligenzunterschieden mögliche Effekte des Fernsehens auf die Entwicklung von Sprach- und Lesekompetenzen von 332 Grundschulkindern aufzudecken. Die Kinder der beiden etwa gleich großen Alterskohorten waren zu Beginn der Studie durchschnittlich etwa sechs bzw. acht Jahre alt. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden Kinder mit hohem Fernsehkonsum (Vielseher) und Kinder mit weniger stark ausgeprägtem Fernsehkonsum (Normal- und Wenigseher) in Bezug auf die Entwicklung ihrer (schrift)sprachlichen Leistungen verglichen, wobei die Intelligenz als zusätzlicher Faktor berücksichtigt wurde. Obwohl die allgemeine Intelligenz der Kinder durchgängig die stärksten Effekte zeigte, erwies sich auch der Fernsehkonsum als relevanter Einflussfaktor. Dabei ergaben sich in der jüngeren Altersgruppe Interaktionen zwischen den Faktoren in dem Sinne, dass die Vielseher gerade in der Gruppe der weniger intelligenten Kinder besonders schwache sprachliche Leistungen im Vergleich zu Wenigsehern zeigten.

Quelle: Schiffer, Kathrin, Ennemoser, Marco & Schneider, Wolfgang (2002). Die Beziehung zwischen dem Fernsehkonsum und der Entwicklung von Sprach- und Lesekompetenzen im Grundschulalter in Abhängigkeit von der Intelligenz. Zeitschrift für Medienpsychologie, 14, S. 12-13.

 

Sensible Phasen für spezielle Fähigkeiten: Entwicklungsfenster

Kinder lernen in unterschiedlichen Entwicklungsphasen unterschiedlich gut, sodass es viel wichtiger ist als bisher angenommen wurde, solche Entwicklungsfenster zu nutzen. Wird solch eine Phase verpasst, in der etwa das Erlernen sozialer Regeln oder von Sprachen besonders leicht geht, dann ist das später kaum aufzuholen. Die Entwicklungsfenster enden teilweise früher als bisher gedacht.

So sagen in Experimenten Vier- bis Fünfjährige die Flugbahn eines Balles genauer voraus als Physikexperten. Für Kinder ist die unbelebte Welt in Wirklichkeit eine belebte Welt, denn der Ball ist für sie ein Individuum, ein Partner. Und genauso, wie sich schon Säuglinge in der ersten Lebenswoche darauf einstellen können, nachzuahmen, welchen Gesichtsausdruck jemand macht, ahmen sie den Ball nach. Das geht so weit, dass sie empfinden, sie wären der Ball. Sie fühlen sich in diesen Ball ein und wissen dann aus diesem Gefühl heraus wo der Ball auftreffen wird.

Mit etwa zwei Jahren öffnet sich auch das Entwicklungsfenster auf, das es Menschen ermöglicht, ein soziales Wesen zu werden. Im Gehirn formen sich Strukturen, an denen das Ichbewusstsein hängt. Die Kleinen werden zunehmend eigenwilliger.

Quelle: http://www.univie.ac.at/Psychologie/epsy/ (04-06-30)

Kau, und du wirst schlau - oder doch nicht?

Lehrer pflegen zwar Vorbehalte gegen Kaugummikauer, aber britische Wissenschafter haben sich jetzt auf die Seite des Kaugummis geschlagen: Er fördere das Denken. Die Studien wurden an der Universität von Northumbria durchgeführt: 75 Freiwillige wurden verschiedenen Tests unterzogen. Ein Drittel der Probanden bekam ein Stück Kaugummi, ein Drittel durfte mit leerem Mund kauen, und ein Drittel musste Kaubewegungen unterlassen. Zur allgemeinen Überraschung schnitten die Kaugummi-Kauer eindeutig am besten ab, Kurz- und Langzeitgedächtnis verbesserten sich sogar dramatisch. Warum das so ist, muss noch erforscht werden. Die Inhaltsstoffe des Kaugummis haben wohl keinen Effekt, die Forscher vermuten, dass der Akt des Kauens das Gehirn beflügelt. Herzschlag und Puls steigen durchs Kauen, das bringt mehr Sauerstoff ins Gehirn. Eine Theorie besagt: Der Kauvorgang täuscht dem Gehirn vor, dass gegessen wird, wodurch die Insulinproduktion steigt, was dem Hirn auch gut tut.

Allerdings widerlegt eine Studie der Uni Marburg mit 900 Schülern widerlegt die bisherige Annahmen, dass Kaugummikauen die Gehirnleistung steigern könne. Diese Studien basierten nach Meinung der Wissenschaftler aber auf geringen Fallzahlen, berichtet die Zeitschrift „Psychologie heute“ 2011. In dem neuen Experiment mussten Gymnasiasten, Real- und Gesamtschüler Intelligenztests und Aufgaben zum Aufmerksamkeits- und Konzentrationsvermögen sowie zu ihrer Gedächtnisleistung lösen. Kaugummikauen brachte dabei keine messbaren Vorteile, und wenn sich überhaupt Unterschiede zeigten, fielen sie zugunsten jener Schüler aus, die nicht Kaugummi kauten.

Steigert Kaugummikauen nun wirklich das kognitive Leistungsvermögen? Zwei Experimente der besonderen Art

Sehr häufig setzen sich Menschen damit auseinander, wie sie ihre Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- und Lernleistungen verbessern können. Anhand von Trainingsprogrammen konnte zwar eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit bei Schülern festgestellt werden, aber die Intelligenz kann mit solchen Programmen nicht erlernt beziehungsweise verbessert werden. Beim Kaugummikauen in Vorlesungen wurde jedoch eine massive Steigerung der Lernleistung bei Studenten festgestellt. Auch der Wachheitsgrad sowie die Wissenszunahme während der Lehrveranstaltung, war bei “Kauern“ wesentlich höher als bei “Nichtkauern“, da der Arbeitsspeicher während einer Bewegung mehr arbeitet. Auch beim Betätigen eines Fahrradergometers steigert sich aufgrund der cerebralen Durchblutung der linken Hemisphäre die Leistungsfähigkeit. Weiters wird beim Kaugummikauen im Unterricht neben einer Leistungsverbesserung auch eine aufmerksamkeits- beziehungsweise konzentrationsförderliche Wirkung festgestellt. In Experiment 1 überprüfte man in ausgewählten Intelligenztests, ob “Kauer“ oder “Nichtkauer“ bessere Leistungen erzielen.

Das Experiment 2 überprüfte mit Hilfe von Aufmerksamkeits- bzw. Konzentrations- sowie Gedächtnisaufgaben die Leistung der beiden Gruppen. In beiden Untersuchungen sind Kinder der 5. und 6. Jahrgangsstufe untersucht worden. Dabei stellte sich heraus, dass sich in Experiment 1 sowie in Experiment 2 kein statistisch signifikanter “Kaugummieffekt“ zwischen “Kaugummikauern“ und “Nichtkaugummikauern“ ergab. Eine Steigerung des kognitiven Leistungsvermögens, durch das Kaugummikauen von Fünft- und Sechstklässlern, ist somit nicht zu vermuten. In der “pädagogisch– psychologischen Wissenschaft“ sowie in der “schulischen Praxis“ wird versucht, mit relativ geringem Aufwand die kognitive Leistungsfähigkeit der Schüler so gut wie möglich zu erreichen. Eine Leistungssteigerung lässt sich nicht durch Kaugummikauen bewerkstelligen, sondern vielmehr von einer von Geburt an anregenden Lernumgebung, in der einem Kind häufige Sprechanlässe mit Erwachsenen geboten werden.

Detlef H. Rost bezeichnet diese Kaugummi-Studien als "dummes Zeug", denn das Kaugummikauen als entscheidenden Faktor beim Lernen oder Denken gehört ins Reich der Märchen, wobei Vernünftig und wissenschaftlich Fundiertes zu diesem Thema nie publiziert worden ist, sondern es gibt lediglich ein paar kleine Studien, die methodisch sehr windig sind. Am häufigsten hapert es an der Stichprobengröße, in einer Testgruppe finden sich selten mehr als 20 bis 25 Personen, und das ist viel zu wenig, um Effekte nachzuweisen, die später auch replizierbar sind. In den meisten Kaugummikaustudien werden die Probanden nur in zwei Gruppen aufgeteilt: eine, die echten Kaugummi kaut, und eine, die völlig still sitzt und nicht kaut. Manchmal gibt es eine dritte, die Luft kaut und damit zeigen soll, ob die gemessene Wirkung vom Kauen an sich oder eher den Inhaltsstoffen des Kaugummis stammt. Menschen, die nicht Kaugummi kauen, sitzen ja im echten Leben nicht still herum, sie bewegen sich, drehen den Kopf oder agieren in irgendeiner einfachen Form. So will etwa der Neurowissenschaftler Andrew Scholey herausgefunden haben, dass kauende Menschen in stressigen Belastungssituationen weniger Angst spüren, aufmerksamer sind und weniger Stresshormone im Speichel haben. In einer anderen Studie will Scholey gezeigt haben, dass sich Kaugummikauende besser an Wörter, Bilder und Telefonnummer erinnern als Nichtkauende, nämlich um 35 Prozent. Probanden, die nur Luft kauten, waren immerhin fast so gut wie die Kaugummikauenden, woraus Scholey und seine Kollegen schlossen: Das Kauen ist der Schlüsselmechanismus. Unterstützt wurden die Studien übrigens von Wrigley’s Company, weltgrößter Hersteller von Kaugummi und als solcher an positiven Ergebnissen interessiert. Rost (Rost et al., 2010) selbst hat eine größere Studie zum Kaugummikauen organisiert, wobei in zwei Experimenten jeweils mehr als 500 Fünft- und Sechstklässler kauten oder nicht kauten und dabei Intelligenztests absolvieren oder Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Gedächtnisaufgaben lösten. Es fanden sich dabei keinerlei statistisch signifikante Belege dafür, dass Kaugummikauen etwas bringt, nur bei Konzentrationsaufgaben und der kurzfristigen Merkfähigkeit fand man einen Unterschied: Die Nichtkauer waren geringfügig besser.

Kurioses ;-)

Einer Pressemitteilung war zu entnehmen, dass ein japanischer Lebensmittelhersteller einen Kaugummi entwickelt hat, der angeblich die Gedächtnisleistung steigern kann. Das Unternehmen wirbt damit, dass der Gummi nicht an den Zähnen klebt, sondern das Gedächtnis auf Vordermann bringt. Dieses Versprechen steckt auch im Namen des Lebensmittels Ha ni Tsukinikui Gum – Kioku Ryoku o Ijisuru Type. Der neue Kaugummi soll sowohl als Streifen als auch in Dragee-Form angeboten werden, um für jedes Kaugefühl das passende Produkt zu liefern. Ein hoher Anteil an Gingko Biloba soll dafür sorgen, dass das Kaugummi weder an den Zähnen, noch am Gebiss klebt, und gleichzeitig helfen, das Gehirn zu stimulieren und das Gedächtnis zu stärken.

Literatur & Quellen

Frey, K., Becker, E., Wirthwein L. & Rost, D.H. (2010). Steigert Kaugummikauen das kognitive Leistungsvermögen? Zwei Experimente der besonderen Art. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 24 (1), 39-49.

https://psychologie-news.stangl.eu/1307/im-urlaub-sinkt-die-intelligenz-kaugummikauen-steigert-geistige-leistungsfahigkeit

http://www.badische-zeitung.de/gesundheit-ernaehrung/klueger-dank-gummi--126389479.html (21-08-16)

http://www.nachrichten.at/nachrichten/ooen.asp?id=271779 (02-03-15)

dpa, Freitag, 10. Juni 2011 (11-06-12)

 



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