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Am Mobbingprozess in der Schule beteiligte Personen - eine Typologie

Quellen:

Brinkmann, R. D. (1995). Mobbing, Bullying, Bossing – Treibjagd am Arbeitsplatz: Erkennen, Beeinflussen und Vermeiden systematischer Feindseligkeiten. Heidelberg: Sauer.

Danzinger, S. (2001). Mobbing: Welche auslösenden Faktoren auf gesellschaftlicher, betrieblicher und individueller Ebene lassen sich erkennen? Diplomarbeit. Johannes Kepler Universität, Linz.

Lawson, S. (1996). Treibjagd auf dem Schulhof: Wenn Kinder Kinder quälen (Helping children cope with bullying, dt.), übers. von Angelika Bardeleben. Zürich: Oesch.

Olweus, D. (1995 ). Gewalt in der Schule: Was Lehrer und Eltern wissen sollten – und tun können. Bern: Huber.

Reinert, G.-B. & Wehr, H. (1999). Gewalt und Gewaltprävention in der Schule. In J. Petersen & G.-B. Reinert (Hrsg.), Gewalt in der Schule (S. 68-141). Donauwörth: Auer.

Scheithauer, H., Hayer, T. & Petermann, F. (2003). Bullying unter Schülern: Erscheinungsformen, Risikobedingungen und Interventionskonzepte, Göttingen: Hogrefe.

Wöbken-Ekert, G. (1998). Vor der Pause habe ich richtig Angst: Gewalt und Mobbing unter Jugendlichen – was man dagegen tun kann, Frankfurt/Main: Campus.

Unter Verwendung von Hamedinger, Pamela (2004). Mobbing. Psychosoziale Gewalt in der Schule. Diplomarbeit. Johannes Kepler Universität Linz: PPP der jku.

Eine eindeutige Rollenzuweisung und folglich eine Abgrenzung in Opfer und Täter gestaltet sich in der Realität meist relativ schwierig, zumal sich Täter und Opfererfahrungen nicht zwangsläufig gegenseitig ausschließen. "Die Etiketten "Opfer" und "Täter" können irreführend sein. In vielen Fällen sind die Faktoren, die ein Kind dazu bringen zu quälen oder zum Opfer von Quälereien zu werden, die gleichen – ja es kommt sogar vor, dass ein Kind gleichzeitig Opfer und Täter in einer Person ist oder dass es mehrmals während seiner Kindheit oder Schullaufbahn von einer Kategorie in die andere überwechselt" (vgl. Lawson 1996, S. 44).

Die Opfer (Victims)

Mobbing unter Schülern wird in der Fachliteratur auch häufig als Viktimisierung bezeichnet, daraus abgeleitet wird im Zusammenhang mit den Opfern oder Betroffenen auch häufig von sogenannten "Victims" gesprochen. Grundsätzlich hat sich herausgestellt, dass jeder zum Mobbingopfer werden kann, dennoch scheint es Personen zu geben, die aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihres Auftretens stärker Gefahr laufen, attackiert zu werden. Mobber bevorzugen stets Opfer, von denen keine Gegenwehr zu erwarten ist. Typische Opfer sind meist jünger und häufig auch körperlich schwächer als ihre Gegner. Alleinig durch ihr Auftreten vermitteln sie den Eindruck von Unterlegenheit. Zudem wirken sie meist ängstlicher und geben sich zurückhaltender als andere Kinder und Jugendliche (vgl. Wöbken-Ekert 1998, S. 56f.). Betrachtet man die Gruppe der Opfer näher, so kann man - obwohl eine Kategorisierung nicht immer ganz unproblematisch ist und die Grenzen oftmals verschwimmen - zwischen passiven, wehrlosen Opfern und solchen, die durch ihr provozierendes Verhalten ihre Gegner geradezu herausfordern, unterscheiden.

Das passive Opfer

In dieser Kategorie befinden sich vor allem jüngere, schwächere, unsichere, einsame und sensible Schüler mit niedrigem Selbstwertgefühl (vgl. Scheithauer/Hayer/Petermann 2003, S. 26). "Das stille und schüchterne Kind scheint ein verlockend leichtes Opfer für Quälereien zu sein. Es ist ängstlich und hat nur sehr wenig Selbstwertgefühl. Es wehrt sich nicht und weicht, zur großen Befriedigung der Täter vor dessen Verhöhnungen, Drohungen und Schlägen ängstlich zurück" (Lawson 1996, S. 51).

Das provozierende Opfer

Olweus (1995, S. 64) ist der Ansicht, dass provozierende Opfer eine Kombination von ängstlichen und aggressiven Reaktionsmustern aufweisen und ihr Verhalten durch Symptome von Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen, Provokationen sowie Impulsivität geprägt ist. Dies sorgt im sozialen Umfeld nicht selten für Ärger und Spannungen, wodurch negative Reaktionen hervorgerufen werden, welche sich unter anderem in Viktimisierungen äußern können. Ein provozierendes Opfer fordert also durch sein übermütiges Verhalten Angriffe geradezu heraus. Durch seine Hitzköpfigkeit schafft das Victim Situationen, in denen es leicht zu Auseinandersetzungen kommt, und reagiert auf Necken und Quälereien mit heftiger Gegenwehr, was dazu führen kann, dass die Situation eskaliert (vgl. Lawson 1996, S. 52).

Die Täter (Bullies)

Zur Beschreibung von Mobbing in der Schule wird im englischen Sprachraum – wie bereits erläutert – das Wort Bullying verwendet, somit wird der Täter auch häufig als Bully bezeichnet. Ein typischer Bully hat eine hohe Meinung von sich selbst und übt gerne Macht aus. Er ist körperlich meist stärker als der Durchschnitt, kann kaum Mitleid empfinden und fühlt sich sehr schnell persönlich angegriffen (vgl. Wöbken-Ekert 1998, S. 60f.).

Ebenso wie die Opfer können auch die Täter weiter klassifiziert werden. Häufig anzutreffen ist eine Unterscheidung zwischen aggressiven, ängstlichen und passiven Tätern (Mitläufern).

Der aggressive Täter

Diese Tätergruppe ist selbstsicher, frech, knallhart und unsensibel für die Gefühle anderer. Dennoch haben diese Personen vermutlich viele Freunde und sind bei ihren Mitschülern beliebt. Sie lieben es, sich aufzuspielen und nehmen sich meist das was sie wollen. Diese Kinder und Jugendlichen widersetzen sich der Autorität anderer und sind für Lehrer bzw. Erwachsene nur schwer zu lenken. Häufig sind bei dieser Gruppe auch andere Formen unsozialen Verhaltens wie Diebstahl oder Vandalismus zu beobachten (vgl. Lawson 1996, S. 45).

Der ängstliche Täter

Zu dieser überaus interessanten Gruppierung gehören vor allem Kinder und Jugendliche, die Opfer und Täter in einem sind. Scheithauer/Hayer/Petermann (2003, S. 26) sprechen in diesem Fall von den sogenannten "Bully/Victims". Es handelt sich dabei also um Kinder und Jugendliche, denen eine besondere Bedeutung zukommt, weil sie nicht nur andere Kinder viktimisieren, sondern auch selbst viktimisiert werden. "Diese sind von jenen Kindern, die ausschließlich viktimisiert oder ausschließlich als Bullies identifiziert werden, zu unterscheiden, da sich die Bully/Victims hinsichtlich risikoerhöhender Bedingungen und psychosozialer Belastungen von den Kindern aus den anderen Gruppen unterscheiden" (Scheithauer/Hayer/Petermann 2003, S. 26).

Interessant dabei scheint vor allem die Frage, ob Opfer häufiger zu Tätern werden, oder umgekehrt Täter häufiger zu Opfern. Sämtliche Wirkmechanismen haben jedoch eher spekulativen Charakter, dennoch haben verschiedene Untersuchungen gezeigt, dass bis zu 50% der Opfer auch als Täter in Erscheinung treten (vgl. Wöbken-Ekert 1998, S. 27). Scheithauer/Hayer/Petermann (2003, S. 27) sind ebenfalls der Ansicht, dass es häufiger der Fall ist, dass Opfer zu Tätern werden. Dafür liefern sie folgende Erklärungsmechanismen:

Die folgende Tabelle zeigt eine Zusammenfassung der wesentlichsten Merkmale, die für die Opfer und Täter kennzeichnend sind.

Mobbingtypen
Quelle: Reinert/Wehr 1999, S. 114

Passive Täter - Mitmacher und Sympathisanten

Eine weitere, dritte Gruppe, die ebenfalls eine wesentliche Rolle im Zusammenhang mit dem Auftreten von Mobbinghandlungen einnimmt, sind die sogenannten Mitmacher (passive Täter) und Sympathisanten. Diese sind zwar nicht immer unmittelbar und direkt am Geschehen beteiligt, sollten aber dennoch an dieser Stelle näher analysiert werden. Zu ihnen gehören Zuschauer, Wegseher, Unterstützer und Im-Stich-Lasser, genauso wie Doppelzüngige und Nebenangreifer (vgl. Neuberger 1999 S. 50).

Es ist also geradezu typisch, für eine Mobbingsituation, dass es Zuschauer gibt, die sich auf keine der beiden Seiten schlagen und mitspielen. Sie verfolgen das Geschehen mit Interesse oder Abscheu, aber sie intervenieren ebenso wenig, wie viele Lehrer, deren Pflicht es eigentlich wäre, für die Herstellung von Recht und Ordnung zu sorgen (vgl. Neuberger 1999, S. 200).

Somit machen sich nicht nur jene Täter schuldig, die aktives Mobbing betreiben. Auch Lehrer und Mitschüler, die durch Passivität und Sympathisantentum Angriffe zulassen, sind am Mobingprozess beteiligt. "Die fehlende prinzipielle Bereitschaft, sich für den Gemobbten einzusetzen lässt sie zwischen die Fronten geraten und es scheint, als ob sie abwechselnd mit der Aggressivität des Täters und dem Leiden des Opfers sympathisieren" (Danzinger 2002, S. 29)

Nach Brinkmann (1995, S. 106) lassen sich aktive und passive Mitmacher voneinander unterscheiden. Erstere unterstützen den aktiven Mobber, indem sie das Opfer zusätzlich quälen und peinigen. Die inaktiven Mitmacher hingegen sehen weg, wenn die Betroffenen schikaniert und drangsaliert werden.

Generell haben Mitläufer von sich aus meist kein Interesse daran, andere zu quälen und zu tyrannisieren. Sie unterliegen aber häufig einem starken Gruppenzwang oder werden von dem starken Bedürfnis geleitet, Mitglied einer bestimmten Gruppe zu werden und sind deshalb bereit, Dinge zu tun, von denen sie genau wissen, dass sie eigentlich nicht in Ordnung sind (vgl. Lawson 1996, S. 48). Ein weiterer und nicht unwesentlicher Aspekt liegt wahrscheinlich darin, dass die Mitläufer und Sympathisanten Angst davor haben, selber zu Opfern zu werden und es deshalb als sicherer Erachten, sich der Gruppe der Täter anzuschließen. Obwohl man diese Gruppierung der Mitmacher und Sympathisanten nicht immer in einen direkten kausalen Zusammenhang mit dem Mobbinggeschehen bringen kann, so kommt ihnen dennoch eine zentrale Rolle innerhalb des Mobbingprozesses zu. Denn, Gewalthandlungen wie Mobbing können nur deshalb bestehen und solch ungeahnte Dimensionen erreichen, weil alle es zulassen und keiner etwas dagegen unternimmt.

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