Die Entwicklung von Emotionen
William James
Bei der Erklärung der Entstehung bzw. Entwicklung von Emotionen lassen sich im Wesentlichen zwei Ansätze unterscheiden:
- Die einen nehmen an, dass sich die einzelnen Emotionen aus einem undifferenzierten, unspezifischen Erregungszustand des Säuglings allmählich entwickeln,
- die anderen nehmen an, dass die "grundlegenden" Emotionen als angeborene neurale Mechanismen von Geburt an als qualitativ unterschiedliche Erlebnisweisen vorhanden sind.
Wie eine amerikanische Studie bei Kindern zeigte, entsteht Empathie nicht erst durch Erziehung, denn sahen diese Bilder, auf denen andere Menschen Schmerzen litten, wurden im Gehirn die Areale aktiviert, die auch an der Verarbeitung von eigenem Schmerz beteiligt sind.
Nach der Auffassung von Damasio (2000) sind Emotionen komplizierte Kombinationen von chemischen und neuralen Reaktionen des Gehirns, die eine regulatorische Rolle spielen mit dem ursprünglichen biologischen Zweck, günstige Umstände für das Überleben des Organismus zu schaffen. Der Mensch hat im Lauf der Evolution auch eine Neigung entwickelt, sich mit bestimmten emotionalen Reaktionen vor wiederkehrenden Bedrohungen aus der Umwelt zu schützen. Vor allem die Basis-Emotion, die jene Gefühle bezeichnen, die Menschen aller Kulturen kennen, wie zum Beispiel der Ekel vor Spinnen oder Würmern, gehören zu diesen wohl evolutionär bedingten Gefühlen. Diese Emotionen warnen den Körper vor möglichen Bedrohungen und haben damit eine lebenswichtige Funktion für den Menschen. Emotionen benutzen den Körper (Eingeweide, Muskel-Sklett-System) als ihr Theater, haben aber auch einen Einfluss auf diverse Gehirnfunktionen. Emotionen beruhen auf angeborenen Gehirnfunktionen, die einer langen evolutionären Entwicklung entstammen. Individuelle Lernprozesse und kulturelle Einflüsse verändern jedoch die Emotionen hinsichtlich ihrer Auslöser und ihres Ausdrucks (Pohl 2001).
Der eher lerntheoretisch orientierte Erklärungsversuch geht eher davon aus, dass sich aus einer undifferenzierten Erregung im Laufe der Zeit spezifische Gefühlsregungen entwickeln. Ein Säugling reagiert z.B. auf jede Art des Unwohlseins mit Weinen. Das acht Monate alte Kind reagiert zwar immer noch häufig mit Weinen, die Mutter ist aber schon in der Lage zu unterscheiden, ob es die Windeln voll hat oder Hunger oder Angst. So wird aus dem Weinen zu jeder Gelegenheit eine gezielte Willensäußerung, die entsprechend eingesetzt wird. Die amerikanische Psychologin Katherine M. Bridges hat diese Theorie in den dreißiger Jahren entwickelt und kam mit Rene Spitz nach ihren Beobachtungen zu folgenden Erkenntnissen: Beim Neugeborenen ist lediglich eine allgemeine Störbarkeit bzw. Erregbarkeit, die sehr diffus und ungerichtet ist, zu beobachten. Aus diesem anfänglichen Erregungszustand entwickeln sich in den ersten Wochen zwei Grundtendenzen emotionalen Verhaltens heraus: Lust und Unlust. Die unlustbetonte Tendenz tritt etwas früher hervor und läßt auch zuerst eine Differenzierung in spezifischere Gefühlsreaktionen erkennen, wie Angst, Ekel, Wut, Zorn.
Als ein deutliches Zeichen der Erkennbarkeit von positiven Gefühlsäußerungen benennen Entwicklungspsychologen das soziale Lächeln, das durch bestimmte Reize wie Anschauen oder Ansprechen des Säuglings hervorgerufen wird. Zwar kann das Kind vermutlich schon sehr früh Angst und Furcht empfinden, doch am deutlichsten erkennbar treten sie auf, wenn das Kind gelernt hat, zwischen vertrauten und fremden Personen zu unterscheiden. Im Laufe der Entwicklung eröffnen sich dem Kind immer wieder neue Ereignisse und Situationen, die neue Ängste entstehen lassen. In diesen Veränderungen spiegelt sich der Einfluß der Umwelt, insbesondere seiner Bezugspersonen, auf das Erleben des Kindes wieder.
Ärger und Wut lassen sich, ähnlich wie die Furcht, schon sehr früh erkennen, und zwar als Reaktion auf Bedrohungen oder bei Versagung von Wünschen und Bedürfnissen. Liebe und emotionale Zuwendung werden in den ersten Lebensjahren in der engen Beziehung zu festen Bezugspersonen grundgelegt. Die meisten Entwicklungstheorien betonen die Wichtigkeit von intensiven emotionalen Kommunikationsprozessen nicht nur für die Entwicklung von Liebe und Zuwendung, sondern für die weitere Entwicklung alle psychischen Funktionen, Fähigkeiten und Kräfte.
Babys können bereits im Alter von sieben Monaten grundlegende Emotionen wie Freude oder Angst über den Gesichtsausdruck anderer wahrnehmen, aber nach neueren Studien (Missana et al., 2014) können sie im Alter von acht Monaten auch zwischen negativen emotionalen Ausdrücken, wie Ärger und Schmerz unterscheiden, obwohl die beiden menschlichen Gesichtsausdrücke für Ärger und Schmerz sich in einigen Bereichen sehr ähneln, etwa in der Augenregion. Möglicherweise fällt diese Reifung im Gehirn der Kinder nicht zufällig mit der Lebensphase zusammen, in der sie mobil werden, erste Grenzen testen und nun öfter auch mit einem ärgerlichen Gesicht konfrontiert sind. Bekanntlich ist bei Säuglingen Freude die erste Emotion, die diese erkennen können, denn in den ersten Lebensmonaten bevorzugen diese lachende Gesichter und freudige Stimmen. Noch bevor sie ein halbes Jahr alt sind, unterscheiden Babys bereits Angst, Trauer und Wut, besonders wenn diese Emotionen multimodal dargeboten werden, also die Bezugsperson gleichzeitig freundlich redet und lacht. Palama, Malsert & Gentaz (2018) haben untersucht, ob die Babys Emotionen als solche erkennen oder ob sie nur die äußerlichen Merkmale der Emotionen unterscheiden. Die ForscherInnen untersuchten dafür Babys im Alter von sechs Monaten, wobei die Säuglinge in spezielle Kindersitze gesetzt wurden, damit ihnen Stimmen vorgespielt und Bilder gezeigt werden konnten. In der ersten Phase war der Bildschirm noch schwarz und die Babys hörten lediglich während zwanzig Sekunden eine Stimme, die entweder neutral, freudig erregt oder wütend war. Anschliessend wurde den Kindern zehn Sekunden lang ein Bild mit zwei Gesichtern angezeigt, von denen eines lachend und das andere wütend war. Während des Versuchs wurden die Augenbewegungen mittels der Eyetracking-Technologie beobachtet, um zu messen, wie lange die Kinder die beiden Gesichter betrachteten und auf welche Gesichtsregionen sie besonders achteten. Es zeigte sich, dass die untersuchten Babys dabei weder das eine noch das andere Gesicht bevorzugten, nachdem sie eine neutrale oder wütende Stimme gehört hatten, nur wenn sie zuvor eine freudige Stimme gehört hatten, schauten die Kinder länger auf das wütende und nicht zur freundlichen Stimme passende Gesicht und insbesondere auf dessen Mund. Die Babys erkennen offenbar die Emotion unabhängig davon, ob diese durch die Stimme oder durch das Gesicht gezeigt wird, sodass sie die emotionale Information Freude vom Hören aufs Sehen übertragen können. Dass dieser Automatismus nur bei Freude und nicht bei Wut wirksam ist, führt man darauf zurück, dass Kinder in diesem Alter mit freudigen Emotionen vertrauter als mit Wut sind.
Bereits bis zum 2. Lebensjahr zeigt das Kleinkind alle Grundemotionen, wie Interesse, Leid, Widerwillen, Freude, Zorn, Überraschung, Scham, Furcht, Verachtung und Schuldgefühl. In den folgenden Jahren setzt sich die Differenzierung der Gefühle fort. Dabei ändert sich sowohl der Bereich der die Emotionen auslösenden Reize und Situationen als auch die Form des Ausdrucks dieser Emotionen und die Art des Reagierens auf diese Gefühle. Während zum Beispiel der Säugling auf Angst auslösende Reize mit Schreien reagiert, sucht der Zweijährige Schutz bei der Mutter oder er läuft davon. Das Kind lernt, welche Gefühle und Arten des Gefühlsausdrucks von der Gesellschaft akzeptiert werden, und es lernt dadurch, welche Gefühle es zeigen darf und welche nicht. Mit derartigen Verhaltensnormen, die dem Menschen sagen, welches Gefühl er wie und mit welcher Intensität äußern darf, ist der Mensch auch als Jugendlicher, Erwachsener und alter Mensch konfrontiert. Bridges Theorie zeigt die Entstehung von Gefühlen bis zum zweiten Lebensjahr. Damit ist der Entwicklungsprozeß allerdings nicht beendet, selbst ein Erwachsener kann noch neue Gefühle empfinden und erleben.
Schamgefühle gehören übrigens zu den stärksten,
unangenehmsten und intimsten menschlichen Regungen, denn wer sich
schämt, ist im Tiefsten als Person getroffen. Die Fähigkeit, Scham zu
empfinden, ist vermutlich Menschen vorbehalten, wobei diese in den
Genen zumindest angelegt sind, denn die äußeren Anzeichen sind
universell: Erröten, gesenkter Blick, hängende Schultern, eingefallene
Brust. Anders als die Emotionen Angst oder Ärger, muss das Schamgefühl
sich allerdings erst entwickeln, denn erst ab etwa zwei Jahren, wenn das
Kleinkind sich seiner Individualität bewusst wird, ist es auch fähig,
sich zu schämen. Scham ist nach Ansicht von Experten ein entscheidender
Mechanismus, den Zusammenhalt in Gruppen zu etablieren
und aufrechtzuerhalten, denn Scham treibt Menschen dazu an, die
geltenden Normen und Regeln einzuhalten, was den Verbleib in einer
Gruppe und somit auch das Überleben sichert. Nach innen wirkt Scham wie
eine Alarmsignal, während es nach außen die anderen beschwichtigen
solle: Seht her, ich habe eine Regel verletzt, und mir geht es nicht gut
damit, sodass keine weitere Bestrafung notwendig ist.
Scham birgt aber auch Risiken, denn Scham trägt etwa dazu bei, dass
viele Menschen sich vor Vorsorgeuntersuchungen drücken, oder Jugendliche
riskieren Krankheiten und ungewollte Schwangerschaften, weil es ihnen
peinlich ist, ein Kondom zu benutzen. Überstarke Schamgefühle dämpfen
die Freude, bremsen den Elan, was sozialenr Rückzug und Isolation zur
Folge haben kann. Häufig tritt Scham gemeinsam mit Schuldgefühlen
auf, denn auch Schuldgefühle beziehen sich darauf, etwas falsch gemacht
zu haben. Nach einer Studie werden aber Menschen, die leicht in
Verlegenheit geraten, als vertrauenswürdiger, sympathischer und
großzügiger im Vergleich zu anderen wahrgenommen werden.
Daraus kann man schließen, dass die Entwicklung der Gefühle in den ersten Lebensjahren angelegt wird und sich im Laufe der Jahre eine Differenzierung sowohl der Gefühle als auch der auslösenden Reize und Reaktionenvollzieht. Die Entwicklung von Emotionen verläuft vermutlich in jeder Gesellschaft unterschiedlich, wobei das Gefühl als solches nicht erlernt wird, sondern vielmehr die Art und Weise, es zu äußern, und der Zeitpunkt, es zu zeigen. Trotz der Annahme fundamentaler und angeborener Gefühlsregungen ist daher der Großteil der Gefühle kulturspezifisch überformt, das heißt, dass jede Kultur andere Ausdrucksformen oder Anlässe für Gefühle entwickelt hat.
Gefühlsregungen fundamentaler Art sind deshalb am besten bei Säuglingen zu beobachten. Bereits im Kleinkindalter sind Kinder allerdings in der Lage, Gefühle zu verbergen oder zu unterdrücken und damit einen Beobachter zu falschen Ergebnissen zu führen. In den asiatischen Ländern gilt das Lächeln als eine Form der Höflichkeit. In den Ländern der westlichen Welt gilt Lächeln als Form der Freude und als Ausdruck von Glück.
Jede Kultur hat andere soziokulturelle Normen, die bei der Entstehung der Gefühle eine bedeutende Rolle spielen. Dabei unterscheiden sich nicht so sehr die Gefühle selbst voneinander, sondern vor allem die auslösenden Situationen, die "Darstellung" und das auf die Gefühlsregung folgende Verhalten.
Nach C. E. Izard können Menschen verschiedener sozialer Herkunft und aus verschiedenen Kulturen ganz verschiedene Gesichtsbewegungen lernen, um angeborene Äußerungen zu modifizieren. Soziokulturelle Einflüsse und individuelle Erfahrungen spielen nicht nur eine bedeutende Rolle beim Erlernen von Modifikationen der Gefühlsäußerungen, sondern auch bei der Entscheidung darüber, was ein Gefühl auslöst und was ein Mensch infolge des Gefühls tun wird.
Die wichtigsten Bezugspersonen haben einen Einfluß auf die Entwicklung der Emotionen von Kindern und Jugendlichen. Die Mechanismen dieses Sozialisierungsprozesses sind sehr unterschiedlich. Den Heranwachsenden werden die Standards der Erwachsenen vermittelt.
Durch Verstärkung werden emotionale Reaktionen des Kindes durch Belohnung oder Bestrafung geahndet. Wenn das Kind sagt und zeigt, dass es sich über eine Geburtstagseinladung freut und die Mutter zeigt durch das eigene Ausdrucksverhalten Anteilnahme, wird diese Reaktion auf den Emotionsausdruck des Kindes als positiver Verstärker fungieren.
Daneben lernen Kinder durch Nachahmung der Erwachsenen Emotionen auszudrücken. Erwachsene steuern manchmal auch das Verhalten ihrer Kinder durch einen Emotionsausdruck. Ein entsetzter Ausdruck warnt das Kind davor, etwas Gefährliches zu tun.
Ein dritter Mechanismus ist die Kommunikation von Erwartungen. Eltern reden mit ihren Kindern über die Angemessenheit von Gefühlen und des Ausdruckverhaltens. Ein Beispiel hierfür wäre, ein Ratschlag eines Elternteils an sein Kind, "man freut sich nicht über das Unglück anderer Menschen". Diese Kommentare können auch auf der nonverbalen Ebene geschehen durch Kopfschütteln, Hochziehen der Augenbrauen oder ein erhobener Zeigefinger sind aussagekräftig genug.
Durch die Sozialisationsprozesse lernen Kinder Strategien zu entwickeln mit bestimmten Situationen emotional umzugehen. Erwachsene können dabei ein große Stütze sein. Ein Beispiel hierfür wäre: Kleine Kinder sind oft traurig und wütend wenn sie ein Spiel verlieren, Eltern helfen durch Kommentare wie "andere verlieren doch auch einmal, das ist doch nur ein Glücksspiel oder das nächste Mal hast du mehr Glück. Durch die Ratschläge der Eltern lernen sie Bewältigungsstrategien aufzubauen.
Quellen & Literatur
Häcker, Birgit (2000).
Motivation und emotionale Faktoren.
WWW: http://www.hausarbeiten.de/rd/faecher/hausarbeit/psy/7437.html (01-11-07)
Missana, M., Grigutsch, M. & Grossmann, T. (2014). Developmental and Individual Differences in the Neural Processing of Dynamic Expressions of Pain and Anger. PLoS ONE 9(4): e93728. doi:10.1371/journal.pone.0093728.
Palama, A., Malsert, J. & Gentaz, E. (2018). Are 6-month-old human infants able to transfer emotional information (happy or angry) from voices to faces? An eye-tracking study. Public Library of Science, 13, doi:10.1371/journal.pone.0194579.
Pohl, Wolf (2001). Antonio R. Damasio: "Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewusstseins". Eine Rezension. Aufklärung und Kritik, Heft 1.
OÖN vom 27.06.2007
http://www.apotheken-umschau.de/Psyche/Psychologie-Warum-Scham-eine-gute-Sache-ist-173739.html (12-08-21)
Joseph Jourbet
Emotion und Kognition
"Die vielzitierte These der zerebralen Hemisphärenspezialisierung, wonach die rechte Hirnhälfte in der Bearbeitung emotionaler und räumlicher Stimuli überlegen ist, während sich die linke Hirnhälfte verstärkt durch sprachliche, logisch-assoziative Fähigkeiten auszeichnet, hat nur relative Gültigkeit. Nach neueren Erkenntnissen erscheinen die positiven Emotionen beidseitig 'repräsentiert'."
Emotionen dienen kognitiven Funktionen, indem sie beeinflussen, wem oder was wir Aufmerksamkeit schenken, wie wir uns selbst und andere wahrnehmen und wie wir verschiedene Merkmale von Lebenssituationen interpretieren und erinnern.
Die Rolle der Emotionen in der Informationsverarbeitung wurde erstmals von Gordon Bower (1981) und seinen Studenten untersucht. Wenn ein Mensch in einer bestimmten Situation eine bestimmte Emotion erlebt, wird diese nach Bowers Modell als Teil eines Zusammenhangs im Gedächtnis festgehalten. Dieses Darstellungsmuster des Gedächtnisses führt zu einer stimmungsabhängigen Verarbeitung bzw. zu einem stimmungsabhängigen Abruf.
- Stimmungsabhängige Verarbeitung findet statt, wenn Menschen selektiv zur Aufnahme von Informationen sensibilisiert werden, die mit ihrer momentanen Stimmung übereinstimmen .
- Stimmungsabhängigem Abrufen ist der Abruf eines vergangenen emotionalen Ereignisses aus dem Langzeitgedächtnis gemeint, der auftritt, wenn die Person wieder in der gleichen Stimmung ist wie beim früheren Ereignis.
Eine von den Sinnen erfasste Information, die mit gefühlsbetonten Informationen verbunden ist - was für die meisten Kognitionen zutrifft -, brennt sich daher nachhaltig in unsere Gehirn ein, denn es gibt vermutlich viel mehr Nervenverbindungen, die vom Gefühlszentrum im limbischen System zum kognitiv orientierten Cortex verlaufen als umgekehrt. Deshalb wird unser Verhalten meist bedeutend stärker von unserem Gefühl beeinflusst als von der planerischen Logik. Darüber hinaus bildet das limbisch/emotionale System eine Art Schaltzentrale, die alle Informationen an den Cortex weiterleitet.
Evolutionäre Notwendigkeit von Emotionen
Menschen können ohne positive und negative Basisemotionen wie Angst und Glückszustände nicht überleben, denn ohne Furcht kann man Bedrohungen nicht ausweichen, und ohne Erfolgserlebnisse sich nicht weiterentwickeln. Nicht zuletzt auf Grund der Emotionen hat daher das menschliche Gehirnvolumen in zwei Millionen Jahren der Evolution um rund 45 Prozent zugenommen, wobei vermutlich die "Grundidee" dabei war, dass je komplexer ein Lebensraum ist, desto mehr emotionale Tönungen werden zum Überleben darin benötigt. Bekanntlich werden Emotionen durch starke Reize aus der Umwelt hervorgerufen, die in bestimmten Zentren des Gehirns mit einer negativen oder positiven Erfahrung assoziiert werden. In einer bestimmten Situation haben Menschen Schmerzen und fühlen sich schlecht, was zusammen mit den Sinneseindrücken, die für diese Situation charakteristisch waren, assoziiert und im emotionalen Gedächtnis abgespeichert wird. Treten diese Reize wieder auf, wird das Gehirn den emotionalen Zustand von damals wieder abrufen und eine entsprechende Verhaltensantwort auslösen. Im Gegensatz zu anderen Gehirnfunktionen besitzen Emotionen eine sehr starke selbstbezogene Komponente, d. h., es handelt sich nicht um eine rein sensorische Reflexkette wie etwa beim Sehen oder Riechen, sondern es werden Sinneseindrücke damit verbunden, wie man sich mental fühlt und in welchem körperlichen Zustand man sich befindet, was erst zusammengenommen einen emotionalen Zustand repräsentiert. Emotionen zeigen sich durch neuronale Aktivitätsmuster, die durch eine Vielzahl von Genen moduliert und kontrolliert werden, wobei es Genvarianten gibt, die die Emotionsschaltkreise so beeinflussen, dass manche Menschen ängstlicher oder depressiver sind als andere. In den letzten Jahren hat man verschiedene Gruppen von Nervenzellen entdeckt, die Angst kontrollieren, wobei fraglich ist, wie viele unterschiedliche Emotionssysteme existieren. Man kann nach Ansicht von Experten zumindest drei Systeme annehmen: ein System, das für negatives Gefühl kodiert, eines, das für positives Gefühl kodiert, und eines, das für den Erregungszustand an sich kodiert, und je nachdem, wie stark die Systeme dann relativ zueinander aktiv sind, kann der Mensch dann spezielle Gefühle wie Angst, Glück oder Traurigkeit fühlen, je nachdem, wie der Mensch dann die Erregung kognitiv attribuiert.
Damit sich das Gute im Menschen entfalten kann, bedarf es vor allem einer geistigen Fähigkeit: der Empathie. Kinder müssen erst lernen, was es heißt, sich in einen anderen Menschen einzufühlen, und auch bei Erwachsenen ist diese Gabe noch entwicklungsfähig. Empathie überbrückt die Kluft zwischen dem Ich und dem Anderen, denn ohne Empathie würde man nur die eigenen Gefühle spüren, wäre also kaum in der Lage, emotionale Beziehungen aufzubauen, d.h. man würde gewissermaßen in innerer Isolation leben (vgl. Solipsismus). Erst die Fähigkeit zur Empathie ermöglicht es dem Menschen, sich in die Gefühlswelt seines Gegenübers hineinzuversetzen, den Schmerz eines trauernden Freundes nachzuempfinden, mit jemandem mitzufühlen, der sich über seinen Vorgesetzten ärgert. Empathie ist also der Schlüssel zu fremden Gefühlswelten, und nur durch Empathie ist es möglich, die Bedürfnisse der Mitmenschen zu erkennen und auf sie einzugehen. Evolutionsbiologen sehen in der Empathie ein Erbe der Urgeschichte und gehen davon aus, dass sich Empathie in ersten Formen bereits vor Jahrmillionen entwickelt hat und somit auch fest in den Genen verankert ist. Allerdings scheint die Fähigkeit, empathisch zu reagieren, nicht allein in die Wiege gelegt zu sein, denn neuere Forschungen deuten darauf hin, dass diese Fähigkeit im Laufe des Lebens mehr oder weniger stark ausgeprägt und damit flexibler ist, als lange Zeit angenommen (Stangl, 2024).
Literatur
Stangl, W. (2024, 27. März). Empathie eine Erbe der Evolution? Stangl notiert …
https://notiert.stangl-taller.at/sozialpsychologie/empathie-eine-erbe-der-evolution/
Ein Interview unter dem Titel "Es gibt kein Emotionsgen" mit Wulf Haubensack im Standard vom 3. Oktober 2012.
Empathisches Verhalten nimmt historisch betrachtet zu
Nach Ansicht von Dinzelbacher (2013) nehmen Empathie und
Einfühlungsvermögen in der Geschichte der Menschheit zu, wobei vor allem
in der Entwicklungsgeschichte der Emotionalität seit einigen
Jahrhunderten in westlichen Kulturen wesentliche Fortschritte sichtbar
werden, indem insgesamt aversive Haltungen seltener und empathische
Muster häufiger werden. Während im römischen wie germanischen Altertum
ein Vater sein Kind ungestraft töten durfte und eine nahezu unbeschränkte patria potestas
bis weit in die Neuzeit hinein die Praxis war, gilt schon seit vielen
Jahren das gesetzlich verbriefte Recht, dass Kinder einen Anspruch auf
gewaltfreie Erziehung besitzen - siehe dazu die Kinderrechtskonvention
der Vereinten Nationen.
Am markantesten wurde der Wandel in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts, der in der Gegenwart zum konträr übertriebenen Habitus der
Pädolatrie geführt hat. In einer Parallele, interessanterweise nur
schneller, entwickelte sich in europäischen Staaten die Befreiung der Frau
von der väterlichen, brüderlichen und eheherrlichen Gewalt. War die
blutige Züchtigung der Frau im Mittelalter erlaubt, wird inzwischen jede
körperliche oder psychische Verletzung geächtet. Auch ist die
Deformierung der weiblichen Lebensbefindlichkeit in Richtung
Unterwürfigkeit gegenwärtig in der westlichen Kultur nicht mehr
vorstellbar. Wenn man nun das offenbar steigende Vermögen zur Empathie,
zum Mitleid, zur Einfühlung in andere Wesen betrachtet, muss man auch
davon ausgehen, dass dieses Vermögen in allen historischen Epochen stets
als Potentialität existierte. Es ist auch zu fragen, warum es aber erst
in bestimmten Bereichen im Hochmittelalter, in anderen erst im
Barockzeitalter so stark wurde, dass es in der Gesellschaft manifest
wurde und alte aversive Traditionen veränderte. Warum setzte sich erst
in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Überzeugung durch, es sei
besser, Kinder ohne Prügel und Demütigungen zu erziehen? Wirkt das von
der Verhaltensforschung eruierte Kindchenschema
nicht immer gleich?" Werden einige Elemente der psychischen Ausstattung
des Homo sapiens nur beim Vorhandensein bestimmter Rahmenbedingungen
aktiviert werden, sonst aber latent bleiben?
Auch Spenden macht glücklich
US-Forscher haben festgestellt, dass freiwilliges Spenden für einen guten Zweck glücklich machen können, genauso glücklich wie Geldgewinn. 19 Studentinnen bekamen je 100 Dollar. Gleichzeitig wurde ihnen erklärt, dass sie einen fixen Teil - 45 Dollar - an Abgaben für eine Stiftung von sozial Schwachen leisten müssten. Die Wissenschaftler untersuchten daraufhin die Gehirnaktivität der Studentinnen. Beim Spenden wurden die gleichen Hirnareale aktiviert wie beim unerwarteten Geldgeschenk. Die Untersuchung zeigte, dass beim Spenden sowohl der reine Altruismus als auch der Warm-Glow-Effekt (der Akt des Gebens vermittelt ein positives Gefühl beim Spender) eine Rolle spielt. Die Wissenschafter schließen aus diesen Ergebnissen, dass es tatsächlich echten Altruismus gibt - also jenen Mechanismus, der Menschen dazu bringt, auf Vorteile zu verzichten, ohne dafür eine konkrete Belohnung zu erwarten. Spenden und soziales Engagement machen somit generell Freude und führen offensichtlich zu mehr Lebenszufriedenheit.
Zusammenhang von Emotion und Motivation
Eine wichtige Funktion von Emotionen ist also, Menschen in Schwung zu bringen, sie dazu zu bringen, sich auf wichtige Ziele zu zu bewegen. Die durch emotionale Situationen hervorgerufene physiologische Erregung kann erforderlich sein, um uns zur optimalen Leistung zu bewegen.
Emotion und Motivation sind nicht verschiedene psychische Prozesse, sondern sind sehr eng miteinander verbunden. Sie können eher als zwei Seiten eines Prozesses betrachtet werden - ähnlich wie zwei Seiten einer Münze.
H.-P. Nolting und P. Paulus schreiben dazu im Jahre 1993, derselbe psychische Vorgang hat sowohl eine Befindlichkeitsseite als auch eine Antriebsseite. Betont man die momentane Erlebnislage, spricht man von Emotion oder Gefühl, betont man hingegen die Ziellage, zu der die Kraft drängt, spricht man von Motivation.
Bedürfnisse verursachen, also einerseits Gefühle. Die Befriedung von Bedürfnissen wird als angenehm erlebt; werden Bedürfnisse nicht befriedigt, so wird dies als unangenehm empfunden. Andererseits wirken Gefühle motivierend und setzen Handlungen in Gang.
Ganzheitlichkeit menschlichen Erlebens und Verhaltens
Wir sind tagtäglich gefordert, bestimmte Handlungen oder Tätigkeiten zu vollbringen, mit dem Ziel, den Alltag so gut und reibungslos wie nur möglich zu bewältigen. Angefangen vom Familienleben, über Schule, Beruf und Freizeit sind alle Bereiche des menschlichen Daseins davon berührt. Die für uns so selbstverständliche Bewältigung solcher "gewöhnlicher" Lebensaufgaben ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels unserer kognitiven Funktionen, Fähigkeiten und Prozesse und der Emotion und Motivation. Erst das Verständnis vom Zusammenwirken von Kognition, Emotion und Motivation ermöglicht es, die Ganzheitlichkeit des menschlichen Erlebens und Verhaltens zu begreifen und zu erklären. Zwischen kognitiven Funktionen und Fähigkeiten (Wahrnehmung, Denken und Gedächtnis) untereinander wie auch zwischen kognitiven Funktionen und Fähigkeiten und der Emotion und Motivation bestehen wechselseitige Beziehungen, die das Verhalten und Erleben eines Menschen steuern.
Gleichzeitig beeinflussen kognitive Funktionen und Fähigkeiten das emotional- motivationale Verhalten. Die Wahrnehmung von Emotionen hängt immer von der kognitiven Bewertung (=cognitive labeling) des physiologischen Erregungszustandes ab. Jede emotionale Erregung wird kognitiv bewertet und je nach Bewertung wird sie als Freude, Ärger, Sehnsucht, Enttäuschung, Trauer erlebt und dann in entsprechendes Verhalten oder Handeln umgesetzt. Emotionen, aber auch Bedürfnisse und Triebe beeinflussen in einem erheblichen Maß kognitive Funktionen und Prozesse. Bereits bei der Wahrnehmung können wir die Wechselwirkung von emotional- motivationalen und kognitiven Prozessen feststellen.
Kognitive Prozesse bleiben von Emotionen, Bedürfnissen und Trieben nicht unbehelligt. Angenehme Gefühle und Bedürfnisse fördern kognitive Prozesse, die diese Gefühle und Bedürfnisse unterstützen. Unangenehme Emotionen dagegen hemmen kognitive Prozesse, die solche Emotionen verstärken würden und fördern kognitive Vorgänge, die ihnen entgegenarbeiten. Der Umgang mit unangenehmen Gefühlen führt bei vielen Menschen zur Verdrängung, jedoch ist der beste Weg, um mit Angst, Wut, Enttäuschung, Ärger, Trauer, Anspannung oder Verwirrung umzugehen, sich ihnen zu stellen. Wenn Menschen solche unangenehmen Gefühle nämlich verdrängen, wachsen diese stetig unter der Oberfläche weiter und werden in manchen Fällen chronisch, d.h., sie beeinflussen die Lebensweise und die Persönlichkeit. Nur wenn man negative Emotionen akzeptiert und bereit ist, diese wirklich zu spüren, verschwinden sie allmählich von allein. Man muss sich dabei klar machen, dass man seinen Gefühlen nicht ausgeliefert ist sondern selbst entscheidet, ob man ausrastet, wenn man wütend ist oder respektvoll bleibt.
Auch auf Gedächtnisinhalte üben Emotionen einen Einfluß aus: Affektiv getönte Ereignisse werden besser behalten als nicht affektiv getönte. Langfristig ist anzunehmen, das man angenehme Ereignisse besser behält als unangenehme. Gefühle sind auch in der Lage, kognitive Funktionen und Fähigkeiten zu blockieren.
Literatur
Dinzelbacher, P. (2013). Entwicklungsgeschichte der Emotionalität als Fortschritt. Eine Skizze der damit verbundenen Fragen an die Psychologie. In G. Jüttemann (Hrsg.), Die Entwicklung der Psyche in der Geschichte der Menschheit – Auf dem Weg zu einem integrativen Ansatz. Papst.
Emotion durch Interpretation
Nicht das, was ist oder was passiert, erzeugt die Gefühle, sondern Gefühle entstehen durch die Interpretationen, die dann ihrerseits die Qualität der Emotionen erzeugen. Daher beeinflussen die Interpretationen die Wahrnehmung der Welt massiv, während wir selber die Welt meist nicht verändern können. Menschliche Gefühle sind also nicht bloß das Resultat einer auslösenden Situation, sondern das Resultat der Gedanken, die man als Reaktion auf die entsprechende Situation hat. Wenn man etwa weiß, dass das Gegenüber gerade Probleme hat und möglicherweise deshalb unfreundlich ist, dann wird man das nicht so Ernst nehmen. Emotionen hängen also nicht nur davon ab, was geschieht, sondern von der Bedeutung, die man den Geschehnissen gibt. Es ist daher wichtig zu erkennen, welche Gedanken und Interpretationen unerwünschte Gefühle auslösen und sich dann zu den eigenen Interpretationen einige Fragen zustellen: Ist das wirklich so? Gibt es Beweise dafür, dass es wirklich so ist? Wie würde man sich ohne diesen Gedanken fühlen? Wie kann man auf eine andere und positivere Weise darüber denken? Man kann diese Form der negativen Interpretationen so sehr verinnerlichen, dass sie eine Art Teil der Persönlichkeit werden. Daher ist es schwierig, aus diesem Teufelskreis des Negativismus herauszukommen, was nur langfristig und systematisch möglich ist.
Ursachen des Negativismus im menschlichen Denken
Das Gehirn befasst sich in vielen Situationen des Alltags bevorzugt mit möglichen Problemen und blendet das Positive oft aus, wobei negative Emotionen dazu führen, dass das Denken vorwiegend auf die potenziellen Gefahren ausgerichtet sind und weniger auf die ebenfalls vorhandenen Chancen. Dies ist ein evolutionär bedingter Automatismus des Gehirns, das sich bevorzugt mit Problemen befasst und diese nicht nur wiederholt, sondern auch größer und bedeutender macht, als sie in der objektiven Realität sind. Allerdings wird das den Menschen nicht bewusst, weil sie daran gewöhnt sind zu grübeln und sich Sorgen zu machen. Das geschieht sogar in jenen Momenten, in denen das Problem noch gar nicht vorhanden oder oft sogar schon vorbei ist. Die Konsequenz daraus ist, dass Sorgen, Ängste oder Ärger mit negativem Stress verbunden sind und die Denkfähigkeit reduzieren bzw. zu einer Art Tunnelblick führen.
Jede Annahme und Erwartung beeinflusst, was man wahrnimmt, denn das Gehirn filtert im Zuge der Informationsverarbeitung alles, was nicht zu diesen Annahmen und Erwartungen passt, d. h., es nimmt die ausgefilterten Inhalte einfach nicht wahr, selbst wenn diese genau vor einem stehen. Im Prinzip funktioniert dieser Mechanismus auch umgekehrt, d. h., dass positive Annahmen und Erwartungen Positives bevorzugt wahrnehmen lassen können, wobei allerdings eine bewusste mentale Entscheidung für den positiven Blick notwendig ist und in der Regel auch ein allgemeines Wohlbefinden bzw. eine positive Grundgestimmtheit.
Das menschliche Gehirn macht eben prinzipiell keinen Unterschied, ob es auf eine Vorstellung oder eine Wahrnehmung reagiert, denn die bloße Vorstellung, etwas zu verlieren, schmerzt ähnlich wie ein tatsächlicher Verlust, d. h., allein die Vorstellung einer Verletzung lässt einen Menschen leiden. Zusätzlich werden die Gedanken durch Emotionen in unserem Gehirn verstärkt, denn ist man selber ängstlich oder fröhlich, potenziert sich dieses Gefühl, man steckt sich mit den eigenen Gefühlen an, wobei das auch durch Menschen in der Umgebung passieren kann, die ihre Emotionen übertragen.
Quelle: Bürgel, I. (2016). Gutes erwarten und nicht grübeln: So schützen Sie sich vor schlechten Nachrichten. Focus vom 12. Jänner.
Emotionen im Alter
Der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie 2016 in Leipzig widmete sich dem Thema, wie sich Gefühle im Laufe des Lebens verändern. Entwicklung ist bekanntlich über die gesamte Lebensspanne bis ins hohe Alter hinein möglich, sodass zu jedem Zeitpunkt im Leben neue Prozesse beginnen können, dass jeder Mensch Reserven hat und sein Verhalten veränderbar ist. Daher ist die emotionale Entwicklung vom Jugendalter bis ins hohe Alter hinein als ein Prozess zu verstehen, der zu jedem Zeitpunkt im Leben gleichzeitig Gewinne und Verluste umfasst. Eine Reihe aktueller Studien zeigt etwa, dass sich die Emotionen Ärger und Traurigkeit in unterschiedliche Richtungen entwickeln, indem ältere Menschen im Gegensatz zu jungen Menschen seltener beziehungsschädliche Emotionen wie Ärger, Feindseligkeit oder Verachtung erleben. Beim Erleben anderer negativer Emotionen finden sich hingehen keine oder sogar gegenläufige Unterschiede über die Lebensspanne hinweg. Auch für andere sozial-emotionale Kompetenzen wurde ein komplexes Muster an Altersunterschieden ausgemacht, denn so zeigen Ältere oft weniger gute Leistungen in Tests zur empathischen Akkuratheit, d. h., sie können die Gefühle anderer Menschen oft weniger gut erkennen und benennen als junge Menschen. Andererseits scheinen Ältere aber besonders gut darin zu sein, die Gefühle anderer nachzuempfinden und sie bringen in vielen Situationen mehr Mitgefühl für Andere auf als junge Erwachsene. Diese eher emotionalen Aspekte der Empathie spielen für das soziale Miteinander eine entscheidende Rolle und sind vermutlich einer der Gründe für die hohe Beziehungszufriedenheit, die gerade im Alter oft berichtet wird. Ältere Menschen zeigen übrigens seltener beziehungsschädliche Emotionen wie Ärger, Feindseligkeit und Verachtung, allerdings nimmt im hohen Alter das Gefühl der Traurigkeit eher etwas zu. Möglicherweise ist beides sinnvoll, denn Ärger kann eine Antriebskraft sein, die jungen Menschen Energie verleiht und ihnen dadurch beim Erreichen ihrer Ziele hilft, notfalls auf Kosten sozialer Beziehungen, die man im schlimmsten Fall später neu knüpfen muss. Im Lauf des Lebens müssen Menschen aber eher mit Verlusten zurechtzukommen und sich von nicht erfüllbaren Wünschen lösen, wobei Traurigkeit helfen kann, vor allem wenn man enge soziale Beziehungen hat, die für die meisten Menschen im Alter wichtiger werden. Anders als eine länger anhaltende Depression, für die die Mitmenschen keinen konkreten Anlass erkennen können, ist Traurigkeit ein soziales Signal und löst bei anderen einen Impuls aus zu trösten. Zwar wünscht sich niemand negativen Emotionen, doch ist es nicht schlecht, ärgerlich zu sein, wenn man jung ist, und es ist nicht schlecht, traurig zu sein, wenn man älter ist.
Zorn und Rache - eine moralische Emotion
Rolf Degen schreibt in seinem Buch „Das Ende des Bösen" (2007) zum Zorn: “DAS GEFÜHL ZORN gehört seit dem christlichen Mittelalter zu den sieben Todsünden, und wer seinen Ärger und seine Wut ungehemmt herauslässt, der hat auch in der aufgeklärten Gegenwartskultur ein erhebliches Imageproblem am Hals. Es sieht auf den ersten Blick so aus, als würden alle sozialen Übel - von Mord über Totschlag und Ausländerfeindlichkeit bis zum Terrorismus durch diese scheinbar antisoziale Gefühlswallung ausgelöst. Wer seinem Zorn zu schnell nachgibt, gilt als unbeherrscht und aggressiv, und nach der Lehre der Psychosomatik ist ihm obendrein ein Herzinfarkt gewiss. Deshalb träumen Utopisten von der zornlosen Gesellschaft, und seit biblischen Zeiten gehen Seelenhygieniker mit der Rachsucht ins Gericht. Doch seit ein paar Jahren hat bei der Beurteilung dieser cholerischen Empfindung ein Sinneswandel eingesetzt. Die Forschungsarbeiten der Psychologen und Evolutionsforscher haben das Bewusstsein dafür geschärft, dass die Bereitschaft, Verstöße gegen den Sozialvertrag auch unter persönlichen Kosten zu bestrafen, zu den edleren Zügen der menschlichen Natur gehört. Ein Zornesausbruch ist in vielen Situationen nicht nur verständlich, sondern das angemessene Mittel, um einer Ungerechtigkeit, Schädigung oder Benachteiligung zu begegnen. Ohne deutliche Gesten des Zornes hätten die meisten sozialen und politischen Protest- und Befreiungsbewegungen keinen Biss gehabt.
Quelle:
Degen, Rolf (2007). Das Ende des Bösen. München: Piper.
Nur wer die Sehnsucht kennt
Nur wer die Sehnsucht kennt,
Weiß was ich leide!
Allein und abgetrennt
Von aller Freude,
Seh ich ans Firmament
nach jener Seite.
Ach! Der mich liebt und kennt,
Ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt
Mein Eingeweide
Nur wer die Sehnsucht kennt
Weiß was ich leide!
Johann Wolfgang von Goethe
Die Sehnsucht ist ein unbestimmtes Gefühl, das jeder
kennt und das die Wissenschaft bis heute kaum erklären kann, denn
Sehnsucht ist ein komplexes und höchst individuelles Gefüh. Nach Ansicht
von Alexandra Freund (Universität Zürich) stehen Sehnsüchte für etwas
sehr Schönes, aber Unerreichtes. Deshalb können sie auch so wehtun, weil
man das Objekt der Sehnsüchte eben nicht besitzt und meistens auch
weiß, dass man es nur sehr schwer oder gar nicht erreichen kann. Das
Gefühl der Sehnsucht ist immer bittersüß.
Am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung begründete Paul Baltes gemeinsam mit Susanne Scheibe, Alexandra Freund und Dana Kotter-Grühn die Sehnsuchtsforschung,
wobei sie mittels eines Fragebogens die Sehnsucht genauer
kategorisieren konnten. Es zeigte sich, dass nur wenige der Untersuchten
mit dem Konzept 'Sehnsucht' nichts anfangen konnten. Nur Kinder kennen
dieses Gefühl noch nicht, denn offenbar fehlen ihnen die nötigen
sozial-kognitiven Voraussetzungen dafür und sie sinnieren noch nicht
über ihr Leben, haben noch nicht so viele Erfahrungen gemacht wie
Erwachsene und frönen auch nicht dem "Was wäre wenn"-Denken. Erst 15-Jährige können Sehnsüchte benennen und sind so ein Aspekt des Erwachsenwerdens.
Manche Menschen nutzen Sehnsüchte, um ein blockiertes Ziel mental zu
verarbeiten oder ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Damit hat die
Sehnsucht einen Einfluss auf das Leben. Es gibt Vermutungen, dass die
Sehnsucht in der Evolution des Menschen entstanden ist,
um ihn immer wieder nach neuen Wegen suchen zu lassen und ihn auf
Veränderung drängt. Im Leben von klinisch Depressiven fehlen Sehnsüchte,
denn Depressive führen ein Leben im Grau, aber Sehnsüchte glänzend und
treiben Menschen an. Nach Paul Baltes hilft die Sehnsucht dabei, mit
Unerreichbarem zu leben.
Die Sehnsucht - ein unbestimmtes Gefühl
Quelle: Heinemann, Pia (2008). Dies bittersüße Sehnen.
WWW: http://www.welt.de/wams_print/article2874620/Dies-bittersuesse-Sehnen.html (08-12-14)
Entstanden unter Verwendung von
http://www.hausarbeiten.de/rd/faecher/hausarbeit/psy/7437.html (01-11-07)
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