Sag' NEIN

Prävention gegen sexuellen Mißbrauch
Anregungen für LehrerInnen, KindergärtnerInnen, Erziehungs- und Betreuungspersonen

Gabriela Benzoni, Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg

Wenn Onkel Bert zu Besuch kommt und lustige Zauberkunststücke vorführt, verstummt Anna und schaut nicht einmal zu. Der Grund: Sobald es dunkel ist und alle im Hause schlafen, schleicht sich Onkel Bert zu ihr ins Zimmer. Er fährt mit der Hand unter die Decke und berührt sie, gegen ihren Willen, am ganzen Körper, auch an der Scheide. Bevor Onkel Bert wieder geht, legt er einen Geldschein in Annas Puppenstube und flüstert ihr zu: "Anna, Onkel Bert war nie hier." Eher zufällig erfährt die Mutter, die den Geldschein findet, von diesem Geheimnis. Sie reagiert sofort und erklärt Anna den Unterschied zwischen "guten" und "bösen" Geheimnissen. "Schlechte Geheimnisse machen angst. Weißt Du eigentlich schon, was ich Dir übermorgen zum Geburtstag schenke? - Siehst Du: Das bleibt vorläufig mein Geheimnis. Es macht Spaß. Das ist eben ein gutes Geheimnis. Schlechte Geheimnisse aber sollst Du nicht für Dich behalten, auch wenn Du es versprochen hast."

Die eben geschilderte Szene ist eines der Fall-Beispiele aus dem sehr behutsamen und feinfühligen Dokumentar-Spielfilm "Sag NEIN" von Alice Schmid. Mit den Geschichten von Anna, Claude, Barbara und Carla werden Kinder auf Gefahren des sexuellen Mißbrauchs in der Familie und ihrem näheren Lebensumfeld aufmerksam gemacht. Der Film motiviert sie aber auch, sich für die eigenen persönlichen Rechte oder für die ihrer Freundlnnen einzusetzen, macht Mut zum Widerstand und ermuntert die Kinder, sich mitzuteilen und Hilfe zu suchen.

Erwachsenenbildung
Sag NEIN eignet sich aber auch zum Einsatz in der Erwachsenenbildung. Damit läßt sich ein längerfristiges Ziel verfolgen. So ähnlich wie die Sexualerziehung vor zehn bis fünfzehn Jahren zu einem selbstverständlichen Erziehungsprinzip in Schule und Elternhaus, wurde und wir heute zufrieden feststellen können, daß Kinder und Jugendliche hier recht gut informiert und unterstützt sind, so sollte auch das lange tabuisierte Thema "sexueller Mißbrauch in der Familie" zum begleitenden Erziehungsprinzip werden. Der Appell richtet sich daher vor allem an Kindergärtnerlnnen und Lehrerlnnen, sich über die zahlreichen allgemein unter der Aufforderung "Sag Nein!" laufenden Präventionsprogramme zu informieren und sie spielerisch und altersgemäß im Unterricht einzusetzen (z.B. Lieder, Gedichte, Geschichten, Rollenspiele, Zeichnungen usw.).

Dabei geht es im Wesentlichen um die Vermittlung folgender sieben Botschaften:

Soweit die sieben Botschaften. Ergänzend dazu ist die Durchführung von Selbstverteidigungskursen im Turnunterricht sehr zu empfehlen. Potentielle Ansprechpartnerlnnen, Kindergärtnerlnnen, Lehrerlnnen und andere Personen, die es sich zutrauen, mit Kindern und Jugendlichen diese Themen anzusprechen, bieten sich für eventuell Betroffene als Vertrauenspersonen an.

Fallbeispiele
Eine Volksschullehrerin berichtet, daß ihr, nachdem sie mit ihrer Klasse das Thema bearbeitet hatte, zwei SchülerInnen folgendes anvertraut haben: Eine Spielkameradin, die aber nicht mehr im Ort wohnt, hat ihnen vor einigen Wochen mitgeteilt, daß sie an einem Abend, als sie allein zu Hause war, vom Wohnungsbesitzer in den Keller gelockt und dort mißbraucht wurde. Er hat ihr verboten, den Eltern etwas zu sagen, mit der Drohung, die Familie würde die Wohnung verlieren. Das Mädchen hat aus Angst und Scham geschwiegen und nur ihren Freunden davon erzählt.
Offenbar war es diesen auch erst nach der präventiven Arbeit in der Schule möglich, die Lehrerin in das Geheimnis einzuweihen. Sie wiederum bespricht mit professionellen Helfern die nächsten Schritte. Ein von diesen begleiteter Aufdeckungsprozeß kann beginnen.

Ein Mädchen an einer Berufsschule wendet sich nach der Besprechung der sieben Botschaften im Unterricht vertrauensvoll an ihren Lehrer, um ihm mitzuteilen, daß sie bei einer früheren Lehrstelle, die sie nach zwei Wochen aus Verzweiflung aufgegeben hat, vom Ausbildner sexuell belästigt wurde. Sie und ihre Eltern haben zwar versucht, die Sache aufzudecken, der Betroffene reagiert aber mit der Drohung, er werde sich den besten Rechtsanwalt nehmen und bis zur letzten Instanz durchkämpfen. Daraufhin hat die Familie aus Angst und Scham geschwiegen.

Professionelle Helferlnnen, an die sich der Lehrer nun wendet, können die Jugendliche aber beraten und zum Gericht begleiten, falls sie mit dieser Unterstützung eine Anzeige machen will.

Materialien
SAG' NEIN-Videokassette (VHS) mit Begleitheft öS 1.250,-
Bestell- und Kontaktadresse:
CMP AG Vertrieb, Regula Stauffaucher
Am Wasser 55, CH-8049 Zürich
Tel. 0501 342 25 15, Fax 0501 342 26 86

Praktische Anregungen für den Unterricht:
Braun Gisela, Ich sag' NEIN, Verlag an der Ruhr, 1992, ISBN 3927279-31-5, öS 195,-

Anregungen und Wünsche an: nig@mail.padl.ac.atconception, information logistics & webdesign by PADL
Webmaster:
Astrid Leeb