Hochsensibilität
[Foto: Werner Stangl, 2009]
Etwa 15 bis 20 Prozent aller Menschen sind hochsensibel, also
besonders feinfühlig, besitzen eine erhöhte Empfänglichkeit sowohl für
äußere als auch für innere Reize. Dadurch nehmen hochsensible Menschen
mehr Informationen auf als ihre Mitmenschen, dennoch werden Hochsensible
oft als schüchtern stigmatisiert. Durch diese ungewöhnliche
Charaktereigenschaft sind sie aber auch verletzlicher als andere,
geraten schneller in Stress und kämpfen häufig mit Selbstzweifeln.
Merkmale der Hochsensibilität
Wer hochsensibel ist, reagiert in vielen Situationen empfindlicher
auf Reize als andere, was Geräusche, Gerüche, Licht, bestimmte
Materialien oder auch Emotionen beziehungsweise die Stimmung in einer
Gruppe betreffen kann. Es wird vermutet, dass die Reizfilter
im Nervensystem von hochsensiblen Personen anders arbeiten, wobei die
verstärkte Wahrnehmung der verschiedenen Reize das Stressniveau erhöht,
worauf der Körper mit der Ausschüttung von Stresshormonen reagiert. Das
führt etwa zu erhöhtem Blutdruck und einer höherer Herzfrequenz,
vermehrten Schwitzen und weiteren vegetativen Symptomen bis hin zu
Panikattacken. Für Menschen die hochsensibel sind, aber diesen
Wahrnehmungsunterschied nicht einordnen und benennen können, ist das
eine große Belastung, denn sie haben das Gefühl, nicht gemacht zu sein
für diese Welt, weil sie von vielem so schnell überfordert sind.
Zusätzlich dazu werden hochsensible Menschen aufgrund ihrer
Feinfühligkeit häufig als anstrengend abgestempelt, da sie, zumindest
aus der Sicht von Nicht-Hochsensiblen, besondere Ansprüche haben oder
sich nicht anpassen können.
Elaine N. Aron gilt als eine Pionierin auf dem Gebiet der Hochsensibilität und arbeitet seit vielen Jahren vor allem an Fragestellungen der Beziehungspsychologie. In den Neunzigerjahren veröffentlichte sie einen Artikel zur Thematik der Hochempfindsamkeit und prägte den Begriff "Highly Sensitive Person" und machte mit ihrem Buch "The Highly Sensitive Person - How to Thrive When the World Overwhelms You" das Thema einem grösseren Publikum bekannt. In den meisten Fällen soll dieses Merkmal vererbt worden sein, etwa genauso männliche wie weibliche Individuen besitzen es, und beschreiben es eher als ein Gefühl des Makels und unverstandenen Andersseins in der Gesellschaft denn als positive Eigenschaft.
Hochsensible haben sich meist schon als Kinder so in die Welt ihres Gegenübers einfühlen können, dass sie die Welt gleichsam mit dessen Augen wahrnahmen, wobei deren eigene Urteilskraft und Empfinden allmählich verloren ging. Manche nehmen nicht einmal ihren eigenen Körper wahr und der Zugang zu den eigenen Bedürfnissen ist gestört bzw. der eigene Körper wird nur noch wahrgenommen, wenn er stört. Da die Betroffenen so intensiv mit anderen mitfühlen, überschreiten sie oft ihre eigene Belastungsfähigkeit und dann und wann „explodiert“ der sonst so verständnisvoll erscheinende Mensch und ruft dadurch bei seiner Umwelt Überraschung wenn nicht Entsetzen hervor.
Um diese Gabe positiv nutzen zu können, ist laut Sellin wichtig, dass Menschen, die so intensiv empfinden, lernen, sich selbst wieder wahrzunehmen, und versuchen, ihre Gefühlswelt zu steuern. Der aktive Umgang mit der Wahrnehmung entscheidet nämlich darüber, ob sie sich von den Reizen überwältigen lassen oder ob sie den Überblick behalten, was oft nur mit professioneller Hilfe gelingt. Rolf Sellin hat einen kleinen Selbsttest zur Überprüfung von Hochsensibilität ausgearbeitet:
- Ein Einkaufsbummel in der Stadt scheint für mich anstrengender zu sein als für andere.
- Gewaltszenen im Fernsehen oder im Kino scheinen mich tiefer zu beeindrucken als andere.
- Soziale Ungerechtigkeit beeindruckt mich meist so stark, als wäre ich selbst betroffen.
- Ich bin deutlich schreckhafter als andere.
- Ich reagiere deutlich empfindlicher auf Geräusche.
- Der Kontakt mit anderen Menschen laugt mich manchmal aus.
- Oft gehen mir auch kleine Dinge ans Herz, die andere gesagt haben.
- Manchmal habe ich das Gefühl, als wüsste ich, was andere über mich denken.
- Ich spüre sehr genau, wie es anderen in gewissen Situationen geht.
- Ich fühle mich häufig missverstanden, weil ich mehr Dinge wahrnehme als andere.
- Großen Menschenansammlungen weiche ich am liebsten aus.
- Die Stimmungen anderer beeindrucken mich unnötig stark.
- Ich brauche viel Rückzug und Zeit für mich.
- Es gelingt mir eher, für die Rechte anderer einzutreten als für meine eigenen.
Ein vergleichbarer Test zur Hochsensibilität mit ähnlichen Fragen findet sich auf der Seite des HSP-Instituts:
- Manchmal habe ich das Gefühl, als würde ich auch das hören, was andere nicht aussprechen.
- Ich bin deutlich schreckhafter als andere.
- Der Kontakt mit anderen Menschen scheint mich manchmal energetisch auszulaugen.
- Ich spüre manchmal fast körperlich, wie es anderen geht.
- Als Kind war ich tief erschrocken, wenn der Lehrer mit einem Mitschüler schimpfte. Ich fühlte mich so, als hätte sein Schimpfen mir gegolten, obwohl ich gar nicht gemeint war.
- Ich brauche relativ viel Rückzug und Zeit für mich, um ausgeglichen zu sein.
- Wenn Konflikte und Spannungen zwischen anderen Menschen "in der Luft liegen", spüre ich das beinahe körperlich, auch wenn ich an den Konfikten gar nicht beteiligt bin.
- Die Stimmungen anderer Menschen beeindrucken mich unnötig stark.
- Laute Geräusche bereiten mir fast ein körperliches Unbehagen.
- Ich weiche aufregenden oder traurigen Filmen aus, weil sie mich zu sehr "mitnehmen".
- Großen Menschenansammlungen weiche ich am liebsten aus.
- Ich fühle mich häufig missverstanden und allein, weil ich offenbar mehr und andere Dinge wahrnehme als andere.
- Wenn zu viel Unruhe herrscht, zu viele Reize auf mich einstürmen, dann reagiere ich manchmal gereizt, fahrig, mit Stress, mit Symptomen oder gar mit Schmerzen.
- Selbst kleine eigene Fehler und Unterlassungen gehen mir oft noch lange nach.
- Bedürfnisse von anderen empfinde ich häufig sehr deutlich.
- Grelles Licht irritiert und stört mich offenbar mehr als andere.
- Ich stoße leicht auf Fehler an einer Sache, und Unstimmigkeiten drängen sich mir geradezu wie von selbst auf.
Wenn man mehr als neun Aussagen mit einem Ja beantwortet, dann dürfte man hochsensibel sein, außer man befindet sich momentan in einer ganz außerordentlichen Belastungssituation, denn dann können auch andere Menschen wie Hochsensible reagieren. Man kann sich auch die Frage nach der Vergangenheit stellen: Wie war es damals in der Kindheit? Erhältst man dann ein ähnliches Ergebnis mit mehr als neun Ja-Antworten, dann ist das eine Bestätigung des Testergebnisses.
Das psychologische Konzept der Hochsensibilität kann inhaltlich und auch definitorisch diametral zum Konzept der Alexithymie - Gefühlsblindheit betrachtet werden.
Quelle: Unter Verwendung eines Artikels aus den OÖN vom 22.August 2011
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